Donnerstag, 09. Mai 2024

Archiv


Marketing auf Münchener Art

Die "heiteren Spiele" und das Attentat – die komplexe Geschichte der Olympischen Spiele von München 1972 wurde in den letzten Jahren zum Gegenstand der historischen Forschung. Die Dissertation der Gießener Historikerin Eva Maria Gajek ergänzt die vorhandenen Studien speziell um die Geschichte der Sportmedien.

Von Erik Eggers | 12.11.2013
    Die Aktentaschen aus feinstem Bisonleder kamen nicht überall gut an. Erhalten hatten 3000 Sportjournalisten dieses Präsent während der Spiele von Mexico-City 1968. Stifter war das Organisationskomitee (OK) für die Olympischen Spiele 1972 in München, das damit und den innenliegenden Informationsmaterialien auf eine positive Berichterstattung im Vorfeld der Münchner Spiele abzielte. Doch die 300.000 Mark teure "Werbeaktion", wie ein Mitarbeiter des Bundespresseamtes sie nannte, wurde kritisiert. "Die Zeit" spottete über eine "phantastische Schildbürgergeschichte", Willi Thelen von der "Kölnischen Rundschau" sandte das Köfferchen an die Spender zurück. Und - Zitat - "bereits korrumpiert" fühlte sich die Zeitschrift "Sportillustrierte", wenn auch nicht ganz im Ernst.

    Diese Geschichte erzählt Eva Maria Gajek in ihrem Buch "Imagepolitik im olympischen Wettstreit", ihrer modifizierten Dissertation von 2011. Die Historikerin vergleicht darin die Spiele 1960 in Rom mit denen in München – beide Städte der ehemaligen "Achsenmächte" wurden, aber das ist nicht das Thema, zwecks Integration vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) zur Bewerbung aufgefordert. Im Zentrum der Studie Gajeks stehen die Bewerbungen, die Planungen und Vorbereitungen, die Eröffnungsfeier, die Wettkämpfe und Begegnungen bei den Spielen selbst und schließlich die Abschlussfeier.

    Zur wegweisenden Studie "The 1972 Munich Olympics and the Making of Modern Germany", die Christopher Young und Kay Schiller 2010 vorlegten, kann Gajek indes wenig Substanzielles hinzufügen. Dass die Bundesrepublik Deutschland spätestens in der Kanzlerschaft Willy Brandts die Spiele politisch nutzen wollte, ist hier schon erschöpfend beschrieben.

    Und dennoch ist Gajeks Buch ein Gewinn, speziell aus medienhistorischer Perspektive. Und das nicht nur wegen der abenteuerlichen Weise, mit der die deutsche Politik bei Journalisten gut Wetter machen wollte. Insbesondere zur Geschichte der TV-Vermarktung bietet Gajek Einiges. So beschreibt sie erstmals die großen Konflikte für dieses Thema vor 1960, die zwischen dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) und dem OK von Rom ausgetragen wurden. Das IOC hatte Rom die TV-Rechte übertragen, um nicht das Image der olympischen Ideale zu beschädigen – und erhielt nach langem Gezerre lediglich 50.000 US-Dollar vom OK. Während sich an dieser Stelle die deutschen Organisatoren um Willi Daume gegenüber dem IOC etwas kooperativer zeigten, verblieb der Rest der TV-Erlöse, laut Gajek etwa zehn Millionen Mark, bei den Italienern.

    Besprochenes Buch:
    Eva Maria Gajek: Imagepolitik im olympischen Wettstreit. Die Spiele von Rom 1960 und München 1972, Wallstein-Verlag, Göttingen 2013, 559 Seiten, 48 Euro.