Freitag, 19. April 2024

Archiv

Marketinginitiative
Die GroKo macht sich hübsch

"Deutschland aktuell" heißt eine Werbebroschüre der Bundesregierung, in der sie auf Hochglanz getrimmt ihre Leistungen und Erfolge feiert. Eigenwerbung gehört zum Geschäft - doch die Kosten dafür sind in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen.

Von Katharina Hamberger | 09.07.2015
    Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lachen auf ihren Sitzen während einer Debatte im Bundestag.
    Das schmale Heft samt konfliktfreier, leicht verdaubarer Information lässt sich die Bundesregierung laut Bundespresseamt 612.000 Euro pro Ausgabe kosten. (dpa picture alliance / Wolfgang Kumm)
    Die Bundeskanzlerin lächelt auf Seite drei. Sie strahlt den Bürger an. In rotem Blazer und mit passender Kette. Sie will ihm etwas verkaufen: die schöne, erfolgreiche Welt der Bundesregierung:
    "Die neue Hightech-Strategie: So wird Einkaufen bequemer Digitale Agenda – Mein Schuh, schnell und nach Maß TTIP - Freihandelsabkommen mit den USA - Adam im Selbstversuch"
    Werbebeilage der Bundesregierung: "Deutschland aktuell"
    So sind die Erfolgsgeschichten betitelt, allesamt finden sie sich in der 16-seitigen Werbebeilage der Bundesregierung namens "Deutschland aktuell". Mit einer Auflage von der Tageszeitungen nur träumen dürften: 4,77 Millionen beträgt die. Das Heft kommt als Beilage leichter Kost wie etwa der "Bild am Sonntag" zum Volk – zwischen den Prospekten von Discountern und Elektronikmärkten. Die Bundesregierung setzt darin auf persönliche Geschichten. Karl Schünemann findet mit 70 macht Arbeit erst richtig Spaß, Kerstin Mehnerts Handy wurde gehackt und Opel-Manager Joachim Koschnicke findet das Freihandelsabkommen TTIP toll. Das Signal an den Bürger: "Kennen Sie das nicht auch ...?"
    Die Antworten hat die Bundesregierung. Schön ist das - fast zu schön, um wahr zu sein. Denn wie steht es um die Digitale Agenda? Sie gilt als zu wenig innovativ, und überhaupt: viel zu spät in Angriff genommen. Cybersicherheit? Am besten Mal im Bundestag nachfragen. Und das Freihandelsabkommen TTIP? Da gibt es Widerstand aus allen Richtungen. Intransparente Verhandlungen, Schiedsgerichte, die entscheiden sollen. Das sind nur zwei Kritikpunkte. Aber warum sollte die Bundesregierung diese Kritik auch erwähnen? Schließlich geht es hier darum, sich selbst zu bewerben.
    "Sie erklären, was sie tun und setzen die Themen, die von den Medien meistens als Konflikt aufgegriffen werden, können sie mal eigenständig in einem Kontext vermitteln, wie er eigentlich gedacht ist."
    Kritik von der Opposition an dem Heft
    Es geht also auch um die Deutungshoheit. Lutz Meyer muss es wissen, er ist der Chef der Werbeagentur Blumberry – und der Macher von Merkels Wahlkampfkampagne. Problematisch sieht das Valerie Wilms, Mitglied der Grüne-Fraktion im Bundestag – und als Oppositionsmitglied sowieso schon kritisch, was sie Arbeit der Regierung betrifft. Sie findet deutliche Worte: "Da fühle ich mich als normale Bürgerin dieses Staates gelinde gesagt: verarscht."
    "Beweihräucherungsshow" nennt Wilms das: "Und das erkennt der Bürger mittlerweile auch, wenn er mit solchen nur noch positiven Aussagen beaufschlagt wird."
    Das schmale Heft samt konfliktfreier, leicht verdaubarer Information lässt sich die Bundesregierung laut Bundespresseamt 612.000 Euro pro Ausgabe kosten. Bei vier Ausgaben pro Jahr macht das 2,45 Millionen Euro - fast 15 Prozent des Jahresetats für Öffentlichkeitsarbeit des Bundespresseamtes von 16,7 Millionen Euro. Eigenwerbung gehört zum politischen Geschäft. Auch die Ministerien haben einen Posten für Öffentlichkeitsarbeit in ihren Haushaltsplänen. Die einen mehr, die anderen weniger, aber jeder tut, was er kann. Das Verkehrsministerium zum Beispiel hat rund eine Million Euro zu Verfügung. In Alexander Dobrindts Haus setzt man vor allem auf "positives Wording" – etwas das aus der Öffentlichkeitsarbeit kommt und die positive Besetzung von Begriffen umschreibt: Aus der Ausländermaut wurde die Infrastrukturabgabe. Der Namen "Bundesministerium für Verkehr- und digitale Infrastruktur klang dem Minister offenbar auch zu wenig griffig. Ministerium für Mobilität und Modernität – so nennt Dobrindt sein Haus.
    "Um in der Vielstimmigkeit gehört zu werden, unterliegt man natürlich dem Druck, Dinge zu vereinfachen, auf Begriffe zu bringen, die sehr prägnant sind, die in der Bild-Zeitung ja tatsächlich gut funktionieren", sagt Werbeagenturchef Meyer. Grünenpolitikerin Wilms ärgert das. Nicht nur das Wording – sondern auch das Framing, sprich, ein Thema in einen bestimmten Kontext zu stellen. Ebenfalls eine Praxis aus dem Marketing-Bereich. Man müsse sich nur mal die Talkshows ansehen:
    "Egal wen sie da hinsetzen, es hört sich immer ähnlich an. Und da fühlen sich immer mehr Menschen nach Strich und Faden veralbert und schalten da ab und gehen dann auch nicht mehr zur Wahl."
    Agenturen übernehmen Kommunikaitonskanäle
    In der Bundesregierung sieht man das wohl genau anders. Beim Arbeitsministerium beträgt der Etat für die Öffentlichkeitsarbeit fast zehn Millionen Euro. Die Ministerin hat auch viel umstrittenes zu verkaufen. Beispiel: Die Rente mit 63. Andrea Nahles posierte für Fotos vor einem großen, roten Paket. Darauf stand gut lesbar "Das neue Rentenpaket – so packen wir Gerechtigkeit". Ein Hauch Norbert Blüm sollte davon wohl ausgehen. Denn griffiger als der Spruch "Die Rente ist sicher" geht es wohl kaum. Das Arbeitsministerium hat gleich mehrere Rahmenverträge mit verschiedenen Agenturen. Nichts Ungewöhnliches. Auch das Bundespresseamt hat für sein Heftchen eine Agentur angeheuert. In diesem Fall Scholz&Friends, zu deren Kunden unter anderem die Deutsche Bank zählt.
    "Das muss auch so sein, weil Unternehmen tun es auch, weil die Kommunikationskanäle so komplex geworden sind, dass man das selbst als Regierungsbehörde mit Mitarbeitern und Personal gar nicht abbilden kann."
    Drei- viermal so viel Personal als noch vor 20 Jahren beschäftigt die Regierung dafür extern, schätzt Meyer. Wilms sieht darin eine Tendenz, die nicht nur in der Bundesregierung um sich greift:
    "Ich weiß das nur von meinem grünen Laden. Da haben wir auch Berater im Hintergrund. Und diese Berater würde ich ganz gerne mal vor die Tür setzen. Denn da geht's vor allem darum: Haben wir eine richtige Erzählung, also wir machen das so wie Werbeleute."
    Politik macht also schnödes Marketing - genau wie Unternehmen. Noch scheint das zu klappen. Aber im Gegensatz zur freien Wirtschaft, lässt sich in der Politik auch nicht alles schön reden. So bräuchte es für die Griechenlandkrise wohl etwas mehr als eine schmale Beilage.