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Markt der Beliebigkeiten oder Wegweiser in die Zukunft?

Die Auseinandersetzung mit aktuellen politischen Themen hat auf Kirchentagen Tradition. Beim 31. Evangelischen Kirchentag in Köln lieferte der zeitgleich stattfindende G8-Gipfel zahlreiche aktuelle Anlässe. Doch auch Ideen für die Zukunft der Kirche wurden ausgetauscht.

Von Friederike Schulz | 09.06.2007
    "Ich freue mich, dass Sie alle gekommen sind. Es ist ein herrlicher Anblick, diese bunte Schar zu sehen. Ich begrüße herzlich die vielen Gäste aus der weltweiten Ökumene, mit denen die Vielfalt unseres Glaubens auch auf diesem Kirchentag erfahrbar wird. Die strahlenden Gesichter der Gäste, die vielen Umarmungen, die sie selbst schon erfahren haben, zeigen: Das Fest kann beginnen."

    Zehntausende Menschen sind es, die am Mittwochabend auf den Poller Wiesen am rechten Rheinufer Kirchentagspräsident Reinhard Höppner zujubeln. Gemeinsam feiern sie den Eröffnungsgottesdienst des 31. Evangelischen Kirchentags. Viele tragen das Erkennungszeichen, den orangefarbenen Kirchentagsschal, um den Hals, am Gürtel oder als Kopftuch. "Lebendig und kräftig und schärfer" ist das diesjährige Motto aus dem Hebräerbrief, das die Veranstalter der Rheinischen Landeskirche ausgegeben haben. Bis morgen wollen die Besucher gemeinsam Gottesdienst feiern, über die Zukunft ihrer Kirche und deren Rolle in der Gesellschaft diskutieren.

    "Ich erwarte mir gute Begegnungen, neue Impulse für den Glauben und vielleicht auch tolle Veranstaltungen, tolle Konzerte."

    "Es wäre schön, wenn die Kirche wieder etwas mehr für die Jugend macht. Ich hoffe, dass dieser Kirchentag dafür ein Anstoß sein wird."

    Die großen Diskussionsveranstaltungen sind prominent besetzt: mit dem Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus, dem Bundespräsidenten, der Kanzlerin und diversen Kabinettsmitgliedern. Auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier ließ es sich nicht nehmen, vor seiner Reise zum G8-Gipfel in Köln ein Grußwort zu sprechen.

    "Wir leben in einer Welt voller Hoffnungen und Ängste, und unsere Ängste gründen sich auf die immer schneller werdenden Veränderungen in der Welt und auch im eigenen Leben. Aber es keimt auch Hoffnung, die Hoffnung, dass wir eine menschliche Gesellschaft in den stürmischen Zeiten des Wandels miteinander erhalten."

    Doch dieses Ziel sehen viele Protestanten gefährdet durch eine enthemmte Globalisierung, durch Hunger und Armut in den meisten Staaten der Erde. Und so versteht sich der Kirchentag zwar nicht als Gegenveranstaltung zum Treffen der Staats- und Regierungschefs. Aber er soll mit zahlreichen Diskussionsveranstaltungen zur Entwicklungs- und Klimapolitik aufzeigen, dass es auch anders geht, betonte Kirchentagspräsident Höppner an den Bundesaußenminister gewandt:

    ""Die Botschaft des Kirchentages an den G8-Gipfel ist klar: Wir sagen: Setzt nicht auf Wachstum, das die Würde der Menschen verletzt. Setzt dem Markt Rahmenbedingungen, unter denen die Würde des Menschen sich entfalten kann. Lasst nicht Geld die Welt regieren, sondern politische Vernunft."

    Die Auseinandersetzung mit aktuellen politischen Themen hat auf dem Kirchentag Tradition. Ging es zu Anfang, in den 50er Jahren, noch hauptsächlich um den Wiederaufbau des zerstörten Landes, gewannen politische Debatten in den 70er Jahren zunehmend an Bedeutung. Seitdem gehört es für viele Politiker zum guten Ton, den Evangelischen Kirchentag zu besuchen und die Appelle des Kirchentags ernst zunehmen, erläutert Harry Oelke, Professor für Evangelische Theologie an der Ludwigs-Maximilian-Universität München.

    "Der Kirchentag ist mehr als ein Volksfest. Der Kirchentag ist mehr als ein einwöchiges Happening, wie es ja viele von außen kritisch betrachten. Ich meine, in den 70er Jahren findet eine Ethisierung der politischen Themen statt. Ethische Themen gewinnen an Bedeutung, die bedurften der theologischen Reflektion, und das geschah auf dem Kirchentag. Wir haben eine Zunahme der Politikerinnen und Politiker, die auf den Podien sitzen in den 70er Jahren und sich ernsthaft aus christlicher Sicht über Themen der Tagespolitik Gedanken machen. Das trägt dazu bei, dass das christliche Gedankengut mit hineingenommen wird in die ethische Debatte über Politik. Der Kirchentag hat hier eine ganz wesentliche Funktion gehabt."

    Eines der großen politischen Themen neben Globalisierung und Klimawandel ist auch in diesem Jahr wieder die Auseinandersetzung mit anderen Religionen, insbesondere mit dem Islam. Im vergangenen November forderte die Evangelische Kirche die Gemeinden mit der Handreichung "Klarheit und gute Nachbarschaft" zu einem kritischeren Dialog mit den Muslimen in Deutschland auf. Das Papier stieß allerdings bei der Gegenseite auf deutliche Ablehnung. Auch ein gemeinsames Spitzentreffen mit Vertretern von vier muslimischen Verbänden im Vorfeld des Kirchentags konnte die Differenzen nicht ausräumen. Trotzdem wurde vereinbart, im Gespräch zu bleiben. Und so ließ es sich der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Axel Ayub Köhler, nicht nehmen, sich den orangefarbenen Schal umzuwickeln und mit dem EKD-Ratsvorsitzenden Bischof Wolfgang Huber auf dem Kirchentag erneut zu diskutieren. Köhler erinnerte an den Augsburger Religionsfrieden in Deutschland und wünschte sich in Anlehnung daran einen Berliner Religionsfrieden der EKD mit den Muslimen.

    "Die so genannte Handreichung der EKD spricht da eine andere Sprache, eher die Sprache der Abgrenzung und der eigenen Profilierung. Sie verstärkt das Misstrauen gegen die Muslime in Deutschland und die Islamophobie in unserer Gesellschaft gerade in einer Zeit, in der die Muslime an allen Fronten um ihre Religionsfreiheit in diesem Lande ringen."

    Bischof Wolfgang Huber konterte und verteidigte die umstrittene Handreichung. Auch für die Protestanten sei die Religionsfreiheit ein universelles Menschenrecht. Aus seiner Sicht gebe es jedoch klare Grenzen.

    "Religionsfreiheit ist nicht nur bequem, denn Religion ist nicht nur gut. Sie fördert, Gott sei es geklagt, nicht nur den Frieden, sondern auch den Konflikt. Sie überwindet nicht nur Gewalt, sondern steigert sie auch. Wir kennen die Rechtfertigung von Gewalt im Judentum, im Christentum, auch im Islam. Wir werden die unfriedlichen Folgen der Religion in allen drei Bereichen nur in dem Maß überwinden, in dem wir zu selbstkritischen Korrekturen bereit und im Stande sind."

    So nutzten beide Seiten den Kirchentag publikumswirksam, um ihre Position zu bestimmen, und vereinbarten weitere Treffen. Doch es sind bei Weitem nicht nur die gesellschaftspolitischen Debatten, für die sich die rund 110.000 Besucher des Kirchentags begeistern. Denn in zwei Drittel der Veranstaltungen geht es um theologische Themen oder einfach nur um gemeinsames Erleben. Die Spannbreite reicht vom erotischen Gottesdienst mit dem Titel "Weinberg der Liebe" bis hin zu Diskussionsrunden über religiös motivierte Schulschwänzer. Es ist anscheinend genau die richtige Mischung im Programm, die dazu führt, dass beinahe jeder Evangelische Kirchentag neue Besucherrekorde verzeichnet, vermutet der Theologieprofessor Harry Oelke.

    "Interessant ist, dass genau in der Phase in den 70er Jahren, in der der Kirchentag zu boomen beginnt, eine Großveranstaltung kirchlicher Art wird - genau in dieser Phase, synchron dazu außerordentlich stark die Kirchenmitgliederzahlen fallen. Das ist eine gegenläufige Bewegung. Das muss gedeutet werden. Das heißt ja einerseits, dass Interesse an den Themen da ist, aber dass sich das religiöse Potenzial verlagert in den individuellen Raum der Gesellschaft zu den Einzelnen hin weg von institutionell verfassten Kirchen. Die Kirche ist hier herausgefordert. Sie beschäftigt sich auch auf dem Kirchentag genau mit dieser Frage."

    In der Versöhnungskirche im Kölner Außenbezirk Rath tritt der Gospelchor der Partnergemeinde aus Saarbrücken auf und bringt den Besuchern seine Lieder bei. Die Kirchenbänke sind im Gegensatz zum sonntäglichen Gottesdienst gut gefüllt mit deutlich jüngerem Publikum als sonst. Pfarrer Gerhard Wenzel sitzt in der zweiten Reihe und freut sich über den ungewohnten Zulauf und die vielen ehrenamtlichen Helfer, die das Kirchentagsprogramm der Gemeinde organisieren.

    "Es ist wirklich schön, dass so der Gedanke da ist: Wir engagieren uns hier alle ehrenamtlich zum Lobe Gottes und zur Freude der Menschen. Deshalb müssen wir da auch gut zusammenarbeiten und sehen, dass wir eine gute Stimmung, eine gute Moral, aufrechterhalten."

    Und das fällt einem evangelischen Pfarrer heute nicht leicht, sagt der 44-Jährige. Muss er doch nicht nur sonntags in einer fast leeren Kirche predigen, sondern hat obendrein mit den Finanznöten seiner Gemeinde zu kämpfen. Im Haushalt klafft jedes Jahr ein Loch von etwa 50.000 Euro. Immer wieder diskutiert der Gemeinderat darüber, wie der Fortbestand der Kindertagesstätte gesichert werden kann. Ein Problem, das Gerhard Wenzel mit vielen Kollegen teilt. Sind doch allein im Zeitraum von 2000 bis 2005 rund eine Millionen Menschen aus der Evangelischen Kirche ausgetreten. Die Folge: eine halbe Milliarde Euro weniger Einnahmen aus Kirchensteuern als vorher.

    "Man spürt einfach, dass wir kaum noch Rücklagen haben. Wir leben aus den Rücklagen im Augenblick,, und das ist das Problem. Wir können ja gar nicht mehr den laufenden Haushalt einfach so problemlos finanzieren. Wir müssen immer mehr aus den Rücklagen nehmen, und irgendwann sind die aufgebraucht. Dann stehen wir mit dem Rücken zur Wand."

    Wie können wir die gemeinsame Begeisterung für Gott trotz Finanznöten und schwindender Mitgliederzahlen bewahren? Eine Frage, die auch viele Kirchentagsbesucher umtreibt. Und so finden Veranstaltungen wie die des Gemeindeberaters Erich Marahrens großen Zuspruch. Mit dem Titel "Gemeinde am Ort gestalten - lebendig und kräftig und schärfer" greift sie das Kirchentagsmotto auf. Rund 150 Besucher haben sich im großen Saal der Kölner Industrie- und Handelskammer eingefunden. Jeder, der will, kann spontan ein Thema vorschlagen und eine Arbeitsgruppe gründen. In den allermeisten geht es um die Frage, wie man jüngere Leute gewinnt und mehr Schwung in den Gemeindealltag bekommt. Die Teilnehmer sitzen in kleinen Gruppen im Kreis und tauschen ihre Erfahrungen aus.

    "Wir haben eine Konfirmandenarbeit, die gut läuft, wo die Jugendlichen gern hingehen. Da habe ich beobachtet, dass das den Eltern gut gefällt, und die Eltern dann auch einen Zugang finden, wenn die Jugendlichen einen Zugang finden. Dann habe ich mir überlegt: Die möchte ich mit einbinden, und ich gebe denen immer die Möglichkeit, das, was sie können, einzubringen. Ich sage: Ich brauche Sie. Da gibt es dann Eltern, die kochen mal, grillen, organisieren ein Fußballspiel oder fahren mit dem Auto irgendwohin oder machen Dinge, die wir für die Arbeit brauchen. Bei diesen Tätigkeiten entstehen Kontakte, und die Leute haben das Gefühl, wir haben was eingebracht, wir sind wichtig für die Gemeinde. Über die Kontakte kann viel mehr passieren, es ist nur ein Einstieg, und da bleiben dann immer 10,15 Prozent hängen."

    Gerhard Henzler ist selbst Pfarrer im fränkischen Zapfendorf und erklärt in seiner Arbeitsgruppe das Erfolgsrezept seiner Gemeinde. Die anderen nicken begeistert. Gute Idee, sagt Susanne Schmidt, die aus Barmstedt bei Hamburg angereist ist und sich seit Jahren ehrenamtlich in der kirchlichen Frauengruppe engagiert. Auch dort geht es immer wieder um die Frage, wie man die Generation der 30- bis 50-Jährigen gewinnen kann.

    "Ich denke schon, dass man sie halten kann, indem man auch dieser Gruppe immer wieder Angebote macht. Das kann natürlich auf dieser ganz normalen geselligen Schiene sein, aber wenn die Menschen sich dann kennen lernen, dann trauen sie sich auch eher, mal miteinander zu sprechen, Glaubensfragen anzusprechen, nachzufragen, vielleicht dann auch mal das Angebot eines Glaubenskurses anzunehmen, sich noch besser kennenzulernen, einfach interessiert zu sein an der Kirche, Spaß zu haben am Glauben. Es muss den Menschen Inhalt geben."

    Der Gemeindeberater Erich Marahrens nickt. Die Menschen ansprechen und einbinden, diesen Rat gibt auch er immer den Gemeinden, die ihn um Hilfe bitten. Am besten sind seiner Erfahrung nach zunächst konkrete, zeitlich begrenzte Projekte.

    "Man engagiert sich nicht mehr als ehrenamtlicher Mitarbeiter von der Wiege bis zur Bahre. Das ist vorbei. Die Untersuchungen für Ehrenamtlichkeit heute zeigen, dass die Leute auch einen eigenen Gewinn daraus haben wollen,, und er ist auch zeitlich begrenzt und projektorientiert. Da hat sich sehr viel verändert. Ich denke, die Kirche reagiert darauf, aber die Volkskirche ist ja ein schwerfälliger Zusammenhang, und es wird an vielen Stellen Modelle geben, die miteinander vernetzt werden müssen."

    Das zweite große Thema in den Arbeitsgruppen ist die Zusammenlegung von kleineren Gemeinden. Denn Finanznot und schwindende Mitgliederzahlen haben nicht nur in den Landeskirchen die Debatte über Fusionen in Gang gebracht, sondern auch auf lokaler Ebene. Und das sorgt in vielen Gemeinden für Unsicherheit, auch in der von Jutta Hoch, die aus Dortmund angereist ist.

    "Die Angst oder das Sich-weg-Geschoben-Fühlen sind doch die wesentliche Elemente in meiner Gemeinde, die immer wieder auftauchen."

    Ihr Nachbar Torsten Kropp hört aufmerksam zu. Jutta Hochs Erzählung hat ihn nachdenklich gemacht. Denn auch seine Gemeinde in Bremen musste sich vor einiger Zeit mit zwei Nachbarkirchen zusammentun, sonst hätte keine der drei mehr ihr Jugendzentrum bezahlen können. Jetzt gibt es ein gemeinsames, und eigentlich sind alle zufrieden.

    "Man geht uns das gut, weil bei uns die Kooperation sehr friedlich verlaufen ist, alle haben mitgezogen, sind mehr oder weniger glücklich und ziehen an einem Strang. Während ich bei den anderen rausgehört habe, dass das nicht so ist."

    Hoch: "Ich habe mich gefreut über diesen Beitrag aus Bremen, dass das funktioniert. Das man im Vorhinein versucht hat, die Beteiligten, die Gemeindemitglieder, die es ja betrifft, Gemeinde ist ja nichts Anonymes, stark mit hineingenommen hat."

    Im Jugend-Begegnungszentrum auf dem Kölner Messegelände steht Landes-Jugendpfarrer Rüdiger Beer auf der Bühne, ein Mikrofon in der Hand. Er übt mit rund 50 Jugendlichen den Kanon ein, der wohl auf keinem Kirchentag fehlen darf. Nebenan im Zelt einer Kölner Jugendgruppe sitzen sechs junge Gemeindemitglieder und ruhen sich aus. Den ganzen Tag über haben sie in ihrem Zelt mit einer Kindergruppe gebastelt. Der Kirchentag ist klasse, obwohl es anstrengend ist, da sind sich alle einig. Allerdings ist für die 18-jährige Anna Weßling Kirche auch sonst wichtig.

    "Ich komme aus Köln-Bocklemünd, und das ist auch ein sozialer Brennpunkt. Und ich denke, es ist wichtig, in der Kinder- und Jugendarbeit der Kirche, dass Jugendliche dort Angebote bekommen, vom Alltag und der Straße zu entfliehen und sich selber einzubringen, kreativ zu sein."

    Pascal Windisch und sein Freund Fabian Daniels sehen das genauso. Nur auf den normalen Gottesdienst mit den Erwachsenen hat Fabian überhaupt keine Lust.

    "Also bei uns in der Jugendarbeit, die wir so machen, das ist immer superlustig, das sind coole Leute und alles, aber sonst so, na ja, es geht."

    "Also Gottesdienst ist nicht so mein Fall, aber was wir sonst machen in der Kinder- und Jugendarbeit macht mir Spaß mit den Leuten und Gruppen, die da sind."

    Eindrücke, die Landes-Jugendpfarrer Rüdiger Beer nur bestätigen kann. Die Einschätzung, dass sich immer weniger Jugendliche für die Kirche begeistern, stimme nicht, sagt er und zitiert eine Studie der Freien Universität Berlin. Danach engagieren sich zehn Prozent aller unter 20-Jährigen ehrenamtlich in Gemeinden. Die nehmen auch durchaus gern am Gottesdienst teil, erzählt Rüdiger Beer, nur der muss nach ihrem Geschmack sein.

    "Die normalen Gottesdienste sind für Jugendliche ganz oft wenig interessant. Wir erleben schon, dass Jugendliche Gottesdienste schätzen, auch dass diejenigen, die zur evangelischen Jugendarbeit gehen, durchaus mehr Erfahrung mit Gottesdiensten haben, aber das sind in der Regel Gottesdienste, an denen sie selbst beteiligt waren, die sie selbst gestaltet haben, die sie entwickelt haben, die sie präsentieren. Auch hier zeigt sich ganz deutlich, dass Jugendliche Kirche als Akteure interessant finden, aber nicht als welche, die nur konsumieren sollen und deren kulturelle Formen ihnen doch sehr fremd sind."

    Rüdiger Beer ist überzeugt: Wenn die Kirche es schafft, den Jugendlichen Raum zu geben, um selbst aktiv zu werden, hat sie auch keine Nachwuchssorgen mehr.

    "Wir stellen heute fest, dass unter denen, die aktiv sind, auch leitend in der Kirche Verantwortung tragen, dass die praktisch alle Erfahrung in der Jugendarbeit haben und dann mal mit mehr, mal mit weniger Distanz dabei geblieben sind."

    Der Evangelische Kirchentag scheint jedenfalls den Geschmack vieler Jugendlicher, die sich für Religion interessieren, getroffen zu haben: Die größte Gruppe unter den Besuchern sind Schüler, erzählt Kirchentagspräsident Reinhard Höppner. Er blickt aus dem Fenster seines Büros auf den Hauptgang des Messegeländes, auf dem sich die Gäste drängeln und findet: Jetzt kann die Evangelische Kirche trotz ihrer Finanznöte und Fusionsprobleme doch auch einfach mal stolz auf sich sein.

    "Das ist für viele Christen zunächst eine Ermutigung. Überall wird sonst über kleiner werdende Gemeinden geredet. Jetzt zeigt sich: Kirche ist in Bewegung, und in dieser Bewegung wächst sie auch. Ich denke, dass ganz viele Menschen gestärkt und ermutigt nach Hause gehen werden, und das nicht nur wegen der Debatten über die Weltprobleme, sondern weil hier in vielen Gottesdiensten und Bibelarbeiten Vergewisserung entsteht: Wir haben einen Schatz in diesem Glauben, der uns im Leben hilft, scharf zu sehen zwischen dem was Zeitgeist ist und was Geist Gottes ist. Diese Stärkung wird sich auswirken."
    Teilnehmerinnen des 31. Deutschen Evangelischen Kirchentags in Köln mit dem Dom im Hintergrund.
    Teilnehmerinnen des Kirchentags. (AP)
    Reinhard Höppner, Präsident des Evangelischen Kirchentages
    Reinhard Höppner. (AP Archiv)