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Marode Hörsäle

Die Gebäude aus der Boomphase des Hochschulbaus in den 60er und 70er Jahren sind marode. Doch wird sich der Bund infolge der Föderalismusreform langfristig aus der Finanzierung von Hochschulgebäuden zurückziehen. Das sehen Universitätsleitungen mit Sorge.

Von Ludger Fittkau | 10.04.2007
    "Die Problematik stellt sich nicht nur hessenweit, sondern deutschlandweit, dass in den Ende der 60er, Anfang 70er Jahre es einen Hochschulbau-Boom gab. Das heißt, all diese Gebäude, die seinerzeit nach dem damaligen Stand der Technik als Systembauten in Beton-Fertigteil-Bauweise errichtet wurden, haben heute einen Sanierungsbedarf, der sozusagen zeittypisch ist, das heißt, die haben Betonschäden, kaputte Flachdächer, die Lüftungstechnik, der Brandschutz. Im Prinzip ist es heute das Thema Sanierung der Boomzeiten des Hochschulbaus, 35 Jahre später, grundlegende Erneuerung der Hochschulgebäude."

    Der Architekt Thorsten Schmidt weiß, wovon er spricht: Er leitet an der Technischen Universität Darmstadt das Baudezernat. 150 Gebäude verwalten Schmidts Mitarbeiter, bei fast Zwei Dritteln haben die Fachleute Sanierungsbedarf festgestellt. Allein die hessische Landesregierung wird in den nächsten Jahren rund 300 Millionen Euro nach Darmstadt überweisen, damit Forschung und Lehre in einigermaßen intakten Gebäuden stattfinden können.

    60 Kilometer weiter südlich an der Universität Heidelberg sieht es gerade bei den Gebäuden aus den 60er und 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts nicht anders aus:

    "Die befinden sich in einem besonders bemerkenswert schlechten Zustand. Wir haben hier in Heidelberg einen Sanierungsstau von 450 Millionen Euro. Da können sie draus ersehen, in welchem Zustand sich gerade die Gebäude befinden, die in den 60er und 70er Jahren gebaut worden sind. Da kommen jetzt doch ein paar langfristig wirksame Bausünden zum Tragen. Das ist kein Heidelberg-Spezifikum, sondern das ist überall so","

    sagt Heidelbergs Uni-Rektor Peter Hommelhoff. Das Land Baden-Württemberg hat in den vergangenen Jahrzehnten zwar mehr getan als das benachbarte Hessen, um die Hochschulgebäude in Schuss zu halten. Doch dass der Bund sich aufgrund der Föderalismusreform mehr und mehr aus dem Hochschulbau zurückzieht, bringt auch das vergleichsweise reiche Ländle an seine finanziellen Grenzen. Der Bund, darauf weist Peter Hommelhoff hin, wird aber künftig nur noch Geld in Gebäude stecken, in denen Forschung und Lehre von nationaler Bedeutung stattfindet:

    ""Das konnten wir nun Gott sei Dank bei unserer Physik ermitteln, dass das hier so ist. Aber es gibt eben auch andere, unbedingt notwendige Neubauvorhaben, von denen wir schlecht sagen können, dass sie nun von exzeptioneller, nationaler Bedeutung sind, aber sie sind für uns eben unverzichtbar wichtig. Und da befürchten wir doch eine gewisse Verengung der Möglichkeiten, die wir bisher hatten."

    Daran werden auch die 700 Millionen Euro jährlich, die der Bund für eine Übergangszeit insgesamt noch in den Hochschulbau fließen lassen wird , nicht sehr viel ändern können. Dass fehlende öffentliche Mittel künftig trotz steigenden Bedarfs die Baumöglichkeiten der Hochschulen einschränken könnten, sei auch nicht durch Gelder aus der Privatindustrie zu kompensieren, glaubt Heidelbergs Uni-Rektor Hommelhoff:

    "Also, die Industrie ist, was Universitätsbauten angeht, nach meiner Erfahrung eher zurückhaltend, in Beton wird ungern investiert, oder gar nicht investiert, nein, es wird in Projekte, in Köpfe investiert. Das ist nachvollziehbar."

    Geld für Neubauten erhofft man sich in Darmstadt eher durch den möglichen Verkauf eines citynahen Uni-Grundstücks an einen Kaufhausinvestor. Die autonome Darmstädter TU hat das Recht, selbstständig mit eigenen Immobilien zu handeln. In Heidelberg ist ähnliches zurzeit nicht in Sicht.

    Public Private Partnership ist eine andere Idee, Geld für Schul- oder Hochschulgebäude zu beschaffen. Das Konzept: Private Investoren bauen und betreiben öffentlich genutzte Gebäude, der Staat zahlt dafür Miete. Doch was bei Schulen geht, sei gerade in forschungsintensiven Fächern an Universitäten nicht so einfach umzusetzen, so Thorsten Schmidt, der Bauexperte der TU Darmstadt:

    "Es liegt auch daran, wir haben uns sehr intensiv mit dem Thema Public Private Partnership auseinandergesetzt, die Universitätsbauten insbesondere in den naturwissenschaftlichen und ingenieurswissenschaftlichen Bereichen zeichnen sich auch über die Jahre durch ein hohes Maß an Wandel aus. Und man muss natürlich im Rahmen von Public Private Partnership relativ langfristige Verträge schließen, 25 bis 30 Jahre und man muss natürlich dann auch wissen, wie sich die Nutzungen ändern. Sinnvollerweise sind es eben gleich bleibende Nutzungen, der Landkreis Offenbach hat verstärkt die Schulen damit saniert, nur wie Klassenzimmer aussehen und dergleichen, das kann man eher langfristig festschreiben als Labore für die Forschung."

    Fazit der Unipraktiker: Wer auch immer die Sanierung oder den Neubau von Campus-Bauten finanziert, ob Bund, Länder, oder wie zum Beispiel im Falle von Hochschulkindergärten auch die Kommunen, aus Steuermitteln werden in den nächsten Jahren bundesweit hohe zweistellige Milliardensummen verbaut werden müssen, um Lehre und Forschung hiesigen Hochschulen auch im internationalen Vergleich unter attraktiven Dächern stattfinden zu lassen.