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Marode Knochen früher erkennen

Medizin. - Osteoporose ist eine heimtückische Krankheit. Der Knochen verliert an Dichte, ohne dass man es bemerkt - bis er irgendwann bricht. Ein neues Ultraschallverfahren könnte helfen, die Messung der Knochendichte zu verbessern und der Osteoporose früher entgegen zu treten.

Von Michael Fuhs |
    In den Keller der Klinik für Orthopädie der Universität Halle verirren sich nur selten Osteoporose-Risikopatienten. Hier, weitab der Patientenströme, entwickelt Kai Raum Alternativen zu den Routine mäßigen Röntgenuntersuchungen.

    "Hier kommen wir in den Laborbereich der Klinik und jetzt kommen wir in das Labor für quantitative Ultraschallmikroskopie."

    Der Medizinphysiker will Festigkeit und Elastizität von Knochen bestimmen. Im Laborschrank lagern mehr als 100 Knochenstücke von Schafen und von Mäusen. Kai Raum untersucht, wie gut verschiedene Medikamente die Heilung unterstützt haben. Die etwa streichholzlangen Knochenstücke von Schafen wurden in Längsrichtung in Scheiben geschnitten. Die Assistentin schleift die Oberfläche. Der Ultraschallscanner, ein fingerdicker Zylinder fährt danach Punkt für Punkt die Oberfläche ab, strahlt die Wellen ein und misst die Reflexion. Die Aufnahmen zeigen: Der eine Bruch ist nahezu durch eine homogene Masse verheilt. Das Bild des anderen Knochen zeigt viele Mikrorisse. Das bedeutet Bruchgefahr. Auf Röntgenbildern sind die Unterschiede dagegen nicht zu erkennen. Anders als Röntgenstrahlung erzeugt Ultraschall Druckschwankungen in der Luft und im Gewebe, genauso wie tiefe Bässe in der Nähe von Lautsprechern.

    "Die Moleküle wackeln, sie schwingen, sie können sich deformieren, je nachdem, welche Art der Ausbreitung gerade vorliegt. Es gibt die so genannten Kompressionswellen. Aber gerade für die Knochenuntersuchungen von großer Relevanz sind eben auch die Scherwellen, Biegewellen."

    Das Gewebe deformiert sich im Rhythmus des Ultraschalls in alle Richtungen, allerdings nur so leicht, dass es keinen Schaden nimmt.

    "All diese unterschiedlichen Ausbreitungsformen haben unterschiedliche Charakteristika in Bezug auf Struktur und Elastizität. Durch separate Auswertung dieser verschiedenen Wellenmoden ist es dann möglich, verschiedene Informationen wie zum Beispiel Knochendicke, Porosität oder Elastizität des Gewebes abzuleiten."

    Diese Information soll aussagekräftiger sein als die Messung der Knochendichte mit Röntgenuntersuchungen, so die Erwartung der Wissenschaftler. Bisher eignet sich Ultraschall aber nur zu Studien an Knochenstücken im Labor oder Messungen dort, wo wenig Fettgewebe zwischen Haut und Knochen liegt, beispielsweise am Finger. Das nächste Projekt soll der Methode nun zum lang ersehnten Durchbruch verhelfen. Die Wissenschaftler haben in einem europäischen Verbundprojekt einen neuen Ultraschallscanner entwickelt. Er misst direkt am bruchgefährdeten Oberschenkel, dem Femur. Zwei Membranen werden dazu gegen das Bein gepresst, eine von oben, eine von unten. Dahinter befindet sich jeweils ein Wassertank, in denen Ultraschallsender und -empfänger untergebracht sind. Wenn es gelingt, das Knochenbruchrisiko genauer zu bestimmen, lassen sich Gefährdungen früher erkennen, erklärt Kai Raum, der an der Datenauswertung mitarbeitet. Oberarzt David Wohlrab:

    "Wenn ich ein Frakturrisiko zeitiger abschätzen kann, kann ich eher therapeutisch wirksam werden. Es gibt verschiedene Medikamente, die die Knochenstabilität und die Knochendichte erhöhen. Und solche Patienten könnten dann frühzeitiger therapeutisch versorgt werden."

    Eine Studie, ob das mit Ultraschalluntersuchungen funktioniert, existiert allerdings noch nicht. Skeptiker der Methode führen außerdem genau das dagegen an, was Befürworter als Vorteil anpreisen: Mit Ultraschall würde anders als mit Röntgen nicht die Knochendichte bestimmt, deren Einfluss auf die Knochenstabilität bekannt sei. Stattdessen erhielte man zwar Informationen über die Materialeigenschaften des Knochens. Wie diese das Knochenbruchrisiko beeinflussen, sei aber noch unklar. So darf man auf die Ergebnisse mit dem neuen Ultraschallgerät in zwei bis drei Jahren gespannt sein.