"Warum wird Griechenland eigentlich nie nach seinem Erbe bemessen? Warum wird unser Land als so unglaublich nackt wahrgenommen? Das ist doch deprimierend!"
Sagt Helena Theofil, freischaffende Künstlerin und Gymnasiallehrerin für Kunst in Thessaloniki. Über das Verhalten der Europäer ist sie entsetzt. Auslöser dafür ist ein Artikel von Christos Yiannaras, griechischer Vorzeigephilosoph, Soziologe und Autor von unzähligen politischen Büchern über Griechenland und den griechischen Bürger. Darin fordert Yiannaras Europa zu einem, wie er sagt, "griechischen Nürnberg" auf. Außerdem: So wie die Siegermächte einst Deutschland einen Großteil seiner Schulden erlassen hätten, so wäre es die Pflicht und Aufgabe des Westens, Griechenland zu einem Neuanfang zu verhelfen. Und nicht tatenlos zuzusehen, wie das Land noch tiefer in die Schuldenfalle gerät. Zitat Yiannaras: "Schließlich muss der Westen gewusst haben, an wen er Geld verleiht". Zitat Ende. Vor allem aber hat der Westen niemals die klugen Köpfe des Landes gefragt, beklagt der Philosoph. Und es bestünde a priori eine Verpflichtung, zu helfen, aufgrund des griechisch-antiken Erbes. Auch die europäischen Künstler hätten sich zu wenig mit Griechenland auseinandergesetzt. Dabei würde das Land eine größere intellektuelle Philosophengemeinschaft besitzen, als jedes anderen Land Europas, was die Künstlerin Helena Theofil nur bestätigen kann.
"Wir haben aufgrund unseres geistigen Erbes immer eine hohe Verpflichtung gegenüber anderen Ländern empfunden. Aber wir wurden vom Westen niemals über die Krise befragt. Und jetzt soll unser Volk den Kopf hinhalten für etwas, das ein verdorbener Politerklan und Finanzspekulanten verursacht haben? Nein, es besteht definitiv eine moralische Verpflichtung für Europa, auch die klugen Köpfe des Landes um Lösungen aus der Krise zu bitten. Das unerschöpfliche Waffenlager griechischen Denkens wird für alle Zeiten unentgeltlich über die gesamte Menschheit ausgestreut und speist bis heute die zeitgenössische Philosophie. Und da frage ich sie, ist eigentlich vergessen worden, dass unsere höchste Aufgabe lauten müsste: Wie können wir die geistige Weiterentwicklung der Menschheit vorantreiben? Und welchen Stellenwert nehmen Wissen und Weisheit in einer finanzgesteuerten Welt ein?"
Dass auch die Intellektuellen des Landes im Augenblick ums Überleben kämpfen und Opfer einer falschen Politik geworden sind, das sieht auch der Dichter Sakis Serefas. Der 53-Jährige hat 47 Bücher veröffentlicht, 17 seiner Theaterstücke wurden aufgeführt. Doch leben kann er davon nicht. Die griechische Verlagswelt will kaum mehr Lyrikbände drucken und auf griechischen Bühnen spielen sich ungeahnte Dramen ab.
"Was ich täglich erlebe, ist, dass eine fremde Hand in meiner Tasche nach meinem Portemonnaie greift. Wenn das auf der Straße passieren würde, dann würde die Polizei kommen und einen Dieb festnehmen. In diesem Fall ist der Dieb das politische System und ich bin nicht der alleinige Bestohlene, sondern das ganze griechische Volk. Aber Yiannaras hat recht, wenn er sagt, dass unsere Politiker zu nichts nutze sind. Die Europäer wussten das. Sie wussten, dass unsere Landesführer nicht da Know-How haben, um mit ihnen über bessere Rückzahlungskonditionen zu verhandeln. Die EU hat diese Schwäche ausgenutzt. Gibt es eigentlich keine moralische Verpflichtung Europas zu gerechtem Handeln?"
Doch wirklich in Rage gerät Serefas, wenn er das Ausland über die Krise in Griechenland philosophieren hört.
"Ich höre seit einiger Zeit immer wieder das Argument, dass die Krise uns zu besseren Menschen machen wird. Das macht mich wütend. Ich werde kein besserer Mensch, wenn man mir die rechte Hand abhackt, weil dann meine linke stärker wird. Ich werde kein besserer Schriftsteller, wenn meine Stücke nicht mehr aufgeführt werden können. Und kein besserer Dichter, nur weil man meine Bücher nicht mehr herausbringt. Was sind wir denn für euch gewesen, als wir noch in Würde lebten? Glaubt ihr, das hat unserer Kunst geschadet?"
Im Café des Königlichen Theaters von Thessaloniki sitzt Schauspielerin Nepheli Anthopoulou und versteht die Welt nicht mehr. Ein paar Minuten ist es her, dass der Theaterdirektor verkündet hat, das Theater werde für lange Zeit kein Fördergeld mehr vom Staat erhalten. Die Arbeitsverträge der Schauspieler sind damit für null und nichtig erklärt.
"Ich nenne den Zustand "Diktatur der Arbeitslosigkeit". Die Europäer verleihen ihre Gelder an Griechenland, aber die Bürger haben nichts davon. Alle haben inzwischen begriffen, dass kein Geld der Welt uns aus diesem Tal herausholen kann. Auch Deutschland hätte den wirtschaftlichen Aufschwung nach dem Krieg niemals geschafft, ohne den Schuldenerlass, den die Siegermächte gewährt haben. Uns nehmen sie nicht allein die Luft zum Atmen mit den Kürzungen, sie geben auch unwillig Kredite. Ich bin der Ansicht, sie müssten Kredite geben und uns von den Schulden komplett befreien. Da sie es selbst erlebt haben, wissen sie auch am besten, wie sich das anfühlt."
Sagt Helena Theofil, freischaffende Künstlerin und Gymnasiallehrerin für Kunst in Thessaloniki. Über das Verhalten der Europäer ist sie entsetzt. Auslöser dafür ist ein Artikel von Christos Yiannaras, griechischer Vorzeigephilosoph, Soziologe und Autor von unzähligen politischen Büchern über Griechenland und den griechischen Bürger. Darin fordert Yiannaras Europa zu einem, wie er sagt, "griechischen Nürnberg" auf. Außerdem: So wie die Siegermächte einst Deutschland einen Großteil seiner Schulden erlassen hätten, so wäre es die Pflicht und Aufgabe des Westens, Griechenland zu einem Neuanfang zu verhelfen. Und nicht tatenlos zuzusehen, wie das Land noch tiefer in die Schuldenfalle gerät. Zitat Yiannaras: "Schließlich muss der Westen gewusst haben, an wen er Geld verleiht". Zitat Ende. Vor allem aber hat der Westen niemals die klugen Köpfe des Landes gefragt, beklagt der Philosoph. Und es bestünde a priori eine Verpflichtung, zu helfen, aufgrund des griechisch-antiken Erbes. Auch die europäischen Künstler hätten sich zu wenig mit Griechenland auseinandergesetzt. Dabei würde das Land eine größere intellektuelle Philosophengemeinschaft besitzen, als jedes anderen Land Europas, was die Künstlerin Helena Theofil nur bestätigen kann.
"Wir haben aufgrund unseres geistigen Erbes immer eine hohe Verpflichtung gegenüber anderen Ländern empfunden. Aber wir wurden vom Westen niemals über die Krise befragt. Und jetzt soll unser Volk den Kopf hinhalten für etwas, das ein verdorbener Politerklan und Finanzspekulanten verursacht haben? Nein, es besteht definitiv eine moralische Verpflichtung für Europa, auch die klugen Köpfe des Landes um Lösungen aus der Krise zu bitten. Das unerschöpfliche Waffenlager griechischen Denkens wird für alle Zeiten unentgeltlich über die gesamte Menschheit ausgestreut und speist bis heute die zeitgenössische Philosophie. Und da frage ich sie, ist eigentlich vergessen worden, dass unsere höchste Aufgabe lauten müsste: Wie können wir die geistige Weiterentwicklung der Menschheit vorantreiben? Und welchen Stellenwert nehmen Wissen und Weisheit in einer finanzgesteuerten Welt ein?"
Dass auch die Intellektuellen des Landes im Augenblick ums Überleben kämpfen und Opfer einer falschen Politik geworden sind, das sieht auch der Dichter Sakis Serefas. Der 53-Jährige hat 47 Bücher veröffentlicht, 17 seiner Theaterstücke wurden aufgeführt. Doch leben kann er davon nicht. Die griechische Verlagswelt will kaum mehr Lyrikbände drucken und auf griechischen Bühnen spielen sich ungeahnte Dramen ab.
"Was ich täglich erlebe, ist, dass eine fremde Hand in meiner Tasche nach meinem Portemonnaie greift. Wenn das auf der Straße passieren würde, dann würde die Polizei kommen und einen Dieb festnehmen. In diesem Fall ist der Dieb das politische System und ich bin nicht der alleinige Bestohlene, sondern das ganze griechische Volk. Aber Yiannaras hat recht, wenn er sagt, dass unsere Politiker zu nichts nutze sind. Die Europäer wussten das. Sie wussten, dass unsere Landesführer nicht da Know-How haben, um mit ihnen über bessere Rückzahlungskonditionen zu verhandeln. Die EU hat diese Schwäche ausgenutzt. Gibt es eigentlich keine moralische Verpflichtung Europas zu gerechtem Handeln?"
Doch wirklich in Rage gerät Serefas, wenn er das Ausland über die Krise in Griechenland philosophieren hört.
"Ich höre seit einiger Zeit immer wieder das Argument, dass die Krise uns zu besseren Menschen machen wird. Das macht mich wütend. Ich werde kein besserer Mensch, wenn man mir die rechte Hand abhackt, weil dann meine linke stärker wird. Ich werde kein besserer Schriftsteller, wenn meine Stücke nicht mehr aufgeführt werden können. Und kein besserer Dichter, nur weil man meine Bücher nicht mehr herausbringt. Was sind wir denn für euch gewesen, als wir noch in Würde lebten? Glaubt ihr, das hat unserer Kunst geschadet?"
Im Café des Königlichen Theaters von Thessaloniki sitzt Schauspielerin Nepheli Anthopoulou und versteht die Welt nicht mehr. Ein paar Minuten ist es her, dass der Theaterdirektor verkündet hat, das Theater werde für lange Zeit kein Fördergeld mehr vom Staat erhalten. Die Arbeitsverträge der Schauspieler sind damit für null und nichtig erklärt.
"Ich nenne den Zustand "Diktatur der Arbeitslosigkeit". Die Europäer verleihen ihre Gelder an Griechenland, aber die Bürger haben nichts davon. Alle haben inzwischen begriffen, dass kein Geld der Welt uns aus diesem Tal herausholen kann. Auch Deutschland hätte den wirtschaftlichen Aufschwung nach dem Krieg niemals geschafft, ohne den Schuldenerlass, den die Siegermächte gewährt haben. Uns nehmen sie nicht allein die Luft zum Atmen mit den Kürzungen, sie geben auch unwillig Kredite. Ich bin der Ansicht, sie müssten Kredite geben und uns von den Schulden komplett befreien. Da sie es selbst erlebt haben, wissen sie auch am besten, wie sich das anfühlt."