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Marsstation auf der Erde

Raumfahrt. - Drei Monate lange haben sechs Astronauten in Moskau an einem Isolationsexperiment teilgenommen, das einen zukünftigen Marsflug simuliert. Die Forscher wollen dabei besser verstehen, wie Langzeitflüge auf den Menschen wirken.

Von Erik Albrecht |
    Nur schwer öffnet sich die versiegelte Eisentür und entlässt die sechs Marsfahrer nach 105 Tagen in den Moskauer Sommer. Blitzlichtgewitter und Applaus für die vier Russen, einen Franzosen und den Deutschen Oliver Knickel. Anschließend Rapport beim Leiter des Moskauer Instituts für biomedizinische Probleme.

    "Die Mannschaft von Mars 500 hat das 105-tägige Isolationsprojekt erfolgreich beendet."

    Drei enge, holzvertäfelte Röhren. Das ist alles, was die sechs Marsfahrer die vergangenen dreieinhalb Monate gesehen haben. Es ist schwül in der großen Halle des Moskauer Instituts. Als sie am 31. März zu ihrer Mission aufbrachen, lag in Moskau noch Schnee. Mars 500 ist ein Gemeinschaftsprojekt der russischen Raumfahrtagentur Roskosmos, der europäischen Esa und des Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrums DLR. Dabei wollen die Forscher vor allem verstehen, wie die Isolation bei Langzeitmissionen wie einem Marsflug auf die Mannschaft wirkt. Johann-Dietrich Wörner, Vorstandsvorsitzender des DLR

    "Ein ganz wesentlicher Punkt ist die internationale Zusammenarbeit in einem kleinen Team auf kleinstem Raum. Das ist anstrengend. 105 Tage ist jetzt nicht die riesenlange Zeit, das sind etwas mehr als drei Monate. Aber dann immer mit demselben Team zusammen zu sein. Eben nicht nach Hause zu können zwischendurch, oder auch mal weglaufen zu können an die frische Luft. Das ist sicherlich eine Belastung."

    Eine Belastung, auf die die Mannschaft im Vorfeld intensiv vorbereitet wurde. Für die Forscher vom Moskauer Institut für biomedizinische Probleme ist ein Ziel des Experiments, Methoden zu entwickeln, die es künftigen Raumfahrern ermöglichen Stimmungsschwankungen nicht eskalieren zu lassen. Sergej Rjasanski, Leiter der Marscrew:

    "Das psychologische Training, das wir vor dem Experiment erhalten haben, hat es uns ermöglicht, Konflikte zu vermeiden. Klar gibt es bei jedem emotionale Reaktionen. Aber die Crew hat darauf sehr respektvoll und mit viel Rücksicht reagiert."

    Doch ein echter Marsflug ist deutlich länger. 490 Tage, so schätzen die Forscher, werden Astronauten auf dem Flug zum Roten Planeten in einem kleinen, engen Raumschiff verbringen. 30 weitere Tage auf der Marsoberfläche. Ein Funkspruch zur Erde wird wegen der großen Entfernung 20 Minuten brauchen. Die Raumfahrer werden in den Weiten des Weltraums also praktisch auf sich gestellt sein. In einem halben Jahr wollen die Wissenschaftler den gesamten Marsflug in Moskau simulieren - auch wenn sich die Bedingungen im Experiment deutlich unterscheiden. Johann-Dietrich Wörner:

    "Die Psychologie sagt hier ja, ich kann einfach rausgehen und dann bin ich wieder daheim. Das ist etwas ganz anders. Es gibt einen weiteren Punkt. Wenn sie tatsächlich zum Mars fliegen, ist die Erde am Horizont nur ein ganz kleiner Punkt. Das ist psychologisch sicherlich eine besondere Bedrückung. Also es gibt viele Punkte, die nicht vergleichbar sind. Aber wie bei Flugzeugsimulatoren, gibt es auch viele Punkte, die sehr ähnlich sind."

    Jetzt gilt es für die Forscher, die Ergebnisse der Studie auswerten, um den Versuchsaufbau für das 520-tägige Experiment zu optimieren. Die sechs Astronauten sind erleichtert, wieder draußen zu sein. Tag für Tag haben sie dreieinhalb Monate lange abgeschottet von der Außenwelt ihre Experimente durchgeführt. Oliver Knickel:

    "So hat dann ein bisschen täglich das Murmeltier gegrüßt. Also die Tage - ob das ein Montag, ein Mittwoch, ein Sonntag, gegen Ende, gegen Anfang oder in der Mitte des Experimentes war - waren doch sehr identisch. Dementsprechend war auch die Monotonie einfach vorhanden."

    Insgesamt deckt die Studie nur einen kleinen Teil aller Probleme eines zukünftigen Marsflugs ab. Seit Langem erforscht man auf der Internationalen Raumstation ISS die Auswirkungen der Schwerelosigkeit auf den Menschen. Zudem gilt es, eine Technologie zu entwickeln, die die Marsfahrer nicht nur zum Roten Planeten hin, sondern sie auch wieder aus dessen Schwerefeld heraus und zurück zur Erde bringt. Außerdem müssen die Astronauten auf einem so langen Flug vor kosmischer Strahlung geschützt werden. Mars 500 ist nur ein kleiner Schritt auf dem Weg zu einem Marsflug, so Martin Zell von der Europäischen Raumfahrtagentur Esa:

    "Wir müssen vielleicht eine ähnliche Studie in ein paar Jahren mal auf der Raumstation machen, wo man ein ähnliches Isolationsmodul hat, ohne Besuch, mit sehr beschränkter Kommunikation. Ich denke, das wird dann gegebenenfalls der nächste Schritt sein."

    Bis die Menschheit dann wirklich zum Mars fliegt, wird es aber noch mindestens 25 Jahre dauern.