Dienstag, 19. März 2024

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Martin Fuchs vs. Heribert Prantl
Tschüss Twitter – ist ein Leben ohne soziale Medien sinnvoll?

Robert Habeck hat's getan und damit eine lebhafte Debatte ausgelöst: Der Co-Vorsitzende der Grünen hat sich von Twitter und Facebook verabschiedet. Ein kluger Schritt? Oder doch ein kapitaler Fehler? Darüber streiten der Politikberater Martin Fuchs und der Journalist Heribert Prantl.

Moderation: Bettina Schmieding | 02.03.2019
Auf einem Smartphone-Display sind die Logos von Twitter, Instagram und Snapchat zu sehen.
Was heißt es für einen Politiker, im Kampf um Aufmerksamkeit auf die sozialen Medien zu verzichten? (pa/dpa/Vennenbernd)
Twitter mache ihn "aggressiver, lauter, polemischer und zugespitzter", bekannte Robert Habeck nach einem missglückten Tweet Anfang des Jahres. Der Co-Vorsitzende der Grünen zog die Konsequenzen und stieg medienwirksam aus Twitter und Facebook aus. Sieben Wochen später sagte er in einem Interview mit dem Deutschlandfunk, ohne Twitter lebe er "entspannter und konzentrierter".
Was heißt es für einen Politiker, im Kampf um Aufmerksamkeit auf die sozialen Medien zu verzichten? Taugt Robert Habeck zum Vorbild? Oder hat er sich selbst eines wichtigen Werkzeugs beraubt?
Porträt von Heribert Prantl.
Heribert Prantl, Journalist der "Süddeutschen Zeitung"
"Wenn man die Wahl hat zwischen einem Politiker, der jeden Tag ein halbes Dutzend Twitterbotschaften hinaushaut, und einem Politiker, der twitterabstinent ist, wen würden Sie bevorzugen? Ich würde den nehmen, der twitterabstinent ist. Das hat natürlich mit Donald Trump zu tun. Beim twitterorgiastischen US-Präsidenten ist die Twitterei, das muss man so deutlich sagen, ein Instrument für Lug, Trug, Skandal und Unverschämtheit. Es ist ein Tatwerkzeug. Dann lieber gar nicht. Um es noch einmal pointiert zu sagen: Dreimal nachdenken ist besser als einmal twittern. Und ich glaube nicht, dass sich ein Politiker einen Tort antut, wenn er nicht twittert. Ich glaube auch nicht, dass er sich einen Kommunikationskanal zuschüttet. (…) Ich glaube, ein Politiker, eine Politikerin muss den sich immer mehr verschärfenden Kampf um Aufmerksamkeit nicht mitmachen, jedenfalls nicht alles mitmachen. Die Erregungskreisläufe, die ohnehin schnell genug sind, müssen nicht noch angeheizt werden und der Kampf um Aufmerksamkeit sollte nicht in Lächerlichkeit ausarten."
Der Politikberater und Blogger Martin Fuchs
Martin Fuchs, Politikberater, Blogger und Autor "Für Robert Habeck war das ein weiser Schritt, weil er sich damit einiger Probleme entledigt hat. Ich glaube, auch nur kurzfristig und nicht langfristig. Selbstverständlich kann jeder Politiker und jede Politikerin in diesem Land entscheiden, ob das sinnvoll ist oder nicht. Wenn man sich den Bundestag anschaut, da sind über 99 Prozent der Parlamentarier auf Social Media, haben also diese individuelle Entscheidung für sich getroffen. Und auch ich glaube, dass für über 90 Prozent aller Politiker und Politikerinnen in diesem Lande es extrem sinnvoll ist, Social Media zu nutzen. Ich glaube, wir sollen uns allerdings von der Idee trennen, das Social Media Facebook und Twitter ist. Wir haben über 150 verschiedene Apps und Netzwerke, die sehr virulent auch genutzt werden in der deutschen Bevölkerung. Und da sind viel, viel spannende Sachen dabei, spannender als die beiden größten Netzwerke, die auch Politiker und Politikerinnen nutzen."