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Maschine, Mensch, Musik

Das internationale Festival für zeitgenössische Kunst wird dieses Jahr mit einer Uraufführung von Bernhard Lang eröffnet. Die spartenübergreifende Künstlergruppe um Lang erzeugte eine Klanginstallation zum Thema "Instrument und Spielzeug."

Von Frieder Reininghaus |
    Der Steirische Herbst funktioniert wie ein Designer-Hotel: Er muss eine Dienstleistung, um derentwillen er oder es aufgesucht wird, unverwechselbar gestalten und präsentiert sie wie eine Preziose. Im Fall der von einem Dutzend menschlicher Körper animierten Klang-Installation, die die Künstlergruppe um Bernhard Lang entwickelte, ist dies frappierend gelungen. Das Team dokumentierte das Resultat eines Gruppenlernprozesses (dergleichen ist für die Teilnehmer in der Regel interessanter als für Beobachter, in diesem Fall aber auch für Letztere). Es präsentierte eine Versuchsanordnung zum Thema "Instrument und Spielzeug" (derart doppelfunktional war das Klavier ja von seinen Anfangstagen an). Demonstriert wurde spielerischer Umgang mit Maschinenmusik - ohnedies ist die Beackerung von "Spielfeldern" die Hauptschiene des Steirischen Festivals im Herbst 2010. Wobei sich die ästhetisierte Spielsucht dramaturgisch ambitioniert in "Strategien zur Unglücksvermeidung oder in der Fragestellung nach Maßstäben und Wertebildung" einbindet.

    Mehrwert oder gar Profite wurden erkennbar nicht geschöpft mit der Arbeitsanordnung der Eröffnungsveranstaltung, allerdings Arbeitsunglücke vermieden. Sechs Arbeitsflächen, jede etwa vier mal acht Meter groß, fanden sich entlang der rechten Wand durch gelb-schwarze Plastikbänder auf dem Boden abgegrenzt. Sechs warteten in der der unbestuhlten Helmut-
    List-Halle zur Linken. Jede dieser "Stationen" hatten Winfried Ritsch und Philipp Harnoncourt mit einem Podest ausgerüstet, auf dem eine rechteckige Metallplatte beschritten, besprungen und betanzt werden kann. Diese Aktionsfelder, die "Primärinstrumente", leiten Impulse an einen Mechanismus weiter, der die Tasten eines Klaviers wie mit unsichtbaren Händen anschlägt. Gesteuert (und bei dieser Gelegenheit vielleicht auch "manipuliert") wird die Übermittlung von einem Vorstandstisch aus, an dem der Komponist mit einigen Getreuen lauert. Sichtlich weisungsberechtigt agieren die Hochleistungsuhren, die ein Dutzend Bewegungskünstler(innen) in Aktion versetzen oder diesen Stillstand verordnen. Durch das Heben und Senken der Zehen und Fußballen, das Auftreten und Schleichen der TänzerInnen, das Hüpfen und Stampfen, Wiegen, Wippen und gelegentlichen Ganzkörpereinsatz entstehen die Klang-Strukturen und musikalischen Formen.

    Die TänzerInnen auf den kühlen Blechen, von Scheinwerfer-Kegeln aus dem Dunkel hervorgehoben, agieren solistisch, als Duos, in unterschiedlichen Ensemble-Formationen mit wechselnden Grundtempi. Oder im Tutti - und erzielen dabei sogar bolerohafte Effekte. Unüberhörbar bleibt der Wechsel von Episoden, die von Repetitionen der Körperbewegungen (und mithin auch im Klangresultat) bestimmt sind, und Partien, in denen einzelne Zuckungen vereinzelte Klänge kreieren.

    Obwohl die Akteure den herumstehenden Hörern nahe sind, bietet Lang & Co. keine "Kunst zum Anfassen" an, gar zum Mitmachen. Das unterscheidet ihn von Populisten wie Simon Rattle, der mit dem Orchester der Deutschen Bank in Berlin ja vorzugsweise zeitgenössische Musik zweiten Frischegrades, aber eben medial-kommunikativ auf den Markt und ans Kind bringt. Nein, im Unterschied zu den längs und breit sich plusternden Repräsentanten einer neuen Rechten im Musikbetrieb tendiert Bernhard Lang links: Die Hierarchien zwischen Komposition, Choreografie, mehr oder weniger virtuos agierenden Protagonisten und behände spielenden Automatenklavieren sowie theatraler Installation sollen nach seinem Willen und Wirken aufgelöst, zumindest in Bewegung gebracht werden. Langs "Klangarbeitswelt" korrespondiert wenig mit der Sphäre mehrwertschöpfenden Treibens in Großunternehmen, mittelständischen oder Handwerksbetrieben. Sie erscheint mit einer gewissen anarchischen Lust als querständig.