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Maschine statt Muskel

Rund 1,3 Millionen Menschen in Deutschland leiden unter einer chronischen Herzschwäche. Die medikamentöse Behandlung zählt zu den Standardtherapien, reicht aber nicht immer aus. Dann muss den Patienten ein Kunstherz implantiert werden. Welche neuen Entwicklungen es im Bereich der Kunstherzen gibt, diskutierten Mediziner auf dem dritten Kongress der Kunstherzspezialisten in Bad Oeynhausen.

Von Peter Kolakowski | 09.12.2008
    In den Industrieländern zählt die chronische Herzschwäche, die Herzinsuffizienz, zu den häufigsten Todesursachen. Unter Herzinsuffizienz verstehen Ärzte eine Schwäche des Herzmuskels. Das Blut wird nicht mehr in ausreichender Menge in die Gefäße, zu den Organen und in die Muskulatur gepumpt. Wenn eine Behandlung mit Medikamenten wie Digitalis nicht mehr ausreicht und auch kein Spenderherz zur Verfügung steht, sind sogenannte mechanische Kreislaufunterstützungssysteme und Kunstherzen die letzte Behandlungsmöglichkeit und Überlebenschance. So Dr. Hendrik Milting, Molekularbiologe am Herz –und Diabeteszentrum in Bad Oeynhausen:

    "Das sind wirklich ausgebrannte Patienten, mit schwersten Herzerkrankungen, mit einem hohen Leidensdruck, bei diesen Patienten muss eine Intervention vorgenommen werden. Für die Patienten, die zum Beispiel einen Teil der Muskulatur, der Herzmuskulatur verloren haben, durch einen Infarkt zum Beispiel. Es gibt Patienten, die über einen Entzündungsprozess dorthin kommen, mit einer sehr kurzen Krankengeschichte, diese Patienten haben natürlich noch eine ganze Menge an Muskelmasse, bei diesen Patienten überlegen wir, ob es nicht andere Optionen gibt, pharmakologische Optionen, diese Patienten, wenn sie stabilisiert sind über ein solches Unterstützungssystem."

    Das nordrhein-westfälische Herz- und Diabeteszentrum in Bad Oeynhausen ist weltweit führend beim Implantieren von Kreislaufuntersützungssystemen und Kunstherzen. Die unterstützenden Systeme, die meist außerhalb des Körpers arbeiten, übernehmen meist nur einen Teil der Pumpleistung des kranken Herzens. Die meisten Geräte sind relativ groß, damit sie große Mengen Blut transportieren können. Kunstherzen ersetzen das biologische Herz vollständig und werden implantiert, müssen aber von außen durch einen Druckluftkompressor angetrieben werden.

    Seit fünf Jahren gibt es neben den stationären auch mobile Systeme, das heißt der Patient kann sich frei bewegen und muss nicht im Krankenhaus verbleiben. Zwar fehlen noch Langzeiterfahrungen mit den Geräten neuster Generation. Die Experten gehen derzeit davon aus, dass ein Kreislaufuntersützungssystem maximal 10 Jahre, ein Kunstherz höchstens drei Jahre schlägt. Erklärt Oberarzt Dr. Michiel Morshuis, Leiter des weltweiten Kunstherzprogramms und Programmdirektor des Herzkongresses

    "Das ist schon viel länger als wie es war. Also die Pumpen haben sich deutlich gebessert. Früher gab es da Lager und Motoren, die verschleißen sehr stark. Jetzt sind die Pumpen so aufgebaut, dass Verschleiß kein Problem mehr ist. Wir wissen eigentlich nicht, wie lange die Unterstützungssysteme halten werden. Die Erfahrung ist einfach noch nicht so lange, so dass wir das jetzt endgültig sagen können."

    Weil die Zahl der verfügbaren Spenderherzen von Jahr zu Jahr immer weiter zurückgeht, müssen Kunstherzspezialisten die Systeme immer weiter verbessern, sprich: immer kleiner und damit implantierbar machen und gleichzeitig deren Lebensdauer verlängern. Da jedes Jahr die Zahl der von Herzinsuffizienz betroffenen Patienten in Deutschland um über 100.000 ansteigt, komme daher neben einer besseren medizinischen Versorgung auch der Vorsorge und einer gesunden herzfreundlichen Lebensweise eine große Bedeutung zu. Betonten die Experten, wie der Wiener Herzchirurg Professor Georg Wieselthaler auf dem Bad Oeynhausener Kunstherzkongress:

    "Nicht rauchen, viel Bewegung machen, schauen auf den Blutdruck, schauen auf die Blutfettwerte, schauen auf den Blutzucker, alles das sind Risikofaktoren, die eine Herzinsuffizienz vorantreiben können."