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Eine moderne Großfabrik ist nicht leicht aufzubauen. Gerne würden Ingenieure die Abläufe zunächst virtuell durchspielen, um mögliche Schwachstellen frühzeitig zu erkennen. Was bislang als unmöglich, weil zu komplex, galt, bietet jetzt die so genannte ''Digitale Fabrik'', die Fachleute am Fraunhofer Institut für Produktionstechnik und Automatisierung in Stuttgart entwickelten. Sie entwarfen leistungsfähige Software-Systeme für die Planung, Entwicklung und Produktion industrieller Anlagen. Damit lässt sich die Fabrik bequem am Bildschirm optimieren und später aus der Ferne steuern.

    Von Exdoxia Tsakiridou

    Fertigungseinheit 241 an Steuerzentrale: Pumpe in Sektor 10 defekt. Fahrzeugproduktion kommt voraussichtlich in drei Minuten zum Stillstand. Wartungsroboter alarmiert.

    Solche smarten Industrieanlagen gibt es heute noch nicht. Mit dem Konzept der "Digitalen Fabrik" wollen Forscher diese Vision verwirklichen. Dahinter verbirgt sich nichts anderes als ein komplexes Computerprogramm, mit dem sich alle technischen Bereiche mathematisch erfassen lassen. Aus den berechneten Daten soll ein virtuelles, dreidimensionales Abbild der Fabrik entstehen. Ein Mausklick genügt, und schon können Informationen wie Maschinensteuerung, Dokumentation oder Anlagenstatus abgerufen werden. In dieser digitalen Umgebung kann nach Belieben analysiert, simuliert und getestet werden, lange bevor eine Produktionsstätte gebaut oder Ware hergestellt ist. Engelbert Westkämper, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung in Stuttgart, erläutert die Idee dahinter:

    Wenn wir die Fabrik als technisches System verstehen, an dem man stets arbeitet, an dem man stets Veränderungen vornimmt, dann wird deutlich, dass es sich um etwas Neues handelt, um ein Werkzeug für Planer, für Manager, diese Fabrik zu optimieren.

    Westkämper möchte darüber hinaus, das aktuelle Geschehen jederzeit abrufen und darstellen und als Krönung des Ganzen verfahrenstechnische Prozesse simulieren und modellieren.

    Wir gehen davon aus, dass es nicht gelingen wird, eine komplette, große Fabrik in einem Rechner und mit einer Datenbank abzubilden. Wir glauben, dass die Zukunft in vernetzten und verteilten Systemen liegt. Sehr leistungsfähige Rechnernetze, Datenbanken, graphische Systeme. Wir brauchen selbstverständlich eine Reihe von Werkzeugen, mit denen wir diese Daten verändern können.

    Damit die technischen Anlagen sich selbst organisieren, müssen allerdings Maschinen und Geräte intelligenter werden und miteinander kommunizieren. Dabei setzen die Fachleute auf Prozessoren, die beliebige Steueraufgaben übernehmen und bereits heute in vielen technischen Anlagen stecken. Neben modernen Maschinen, die aufgrund von CAD-Modellen bereits digital erfasst sind, müssen auch Altgeräte eingebunden werden. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die Umsetzung der "Digitalen Fabrik", so Prof. Westkämper, wird sein, wie lange die Forscher brauchen werden, um die Geräte mit der notwendigen Intelligenz auszustatten.

    Wir forschen auch daran, dass nicht nur ein Mensch mit dieser Digitalen Fabrik operieren kann, sondern, dass wir in so genannte partizipative Planungsprozesse hineinkommen. Partizipativ bedeutet, alles dieses würde von allen Beteiligten an einen Tisch passieren, wo man die Veränderungen gemeinsam macht.

    Westkämper geht in seinen Überlegungen sogar noch weiter. Er ist überzeugt, dass virtuelle Arbeitsplätze mit Hilfe von "Virtual Reality" entstehen werden. Diese Technologie erlaubt es, Bewegungen und Abläufe dreidimensional darzustellen und sich in der Fabrikwelt zu bewegen. Damit lassen sich auch Details, wie der aktuelle Produktionsstand oder auch Messwerte, auf eine große Fläche projizieren. Experten können so, die Fabrik aus der Ferne steuern und in Echtzeit Fertigungsprozesse korrigieren und optimieren - was eine drastische Zeit- und Kostenersparnis bringt.

    Zur Zeit macht der Automobilbau große Anstrengungen Digitale Fabrikmodelle zu realisieren. In 5-10 Jahren sind solche Fabriken Realität.