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Maschinenrennen in der Wüste

Technik. – Auch in diesem Jahr hat die Forschungsagentur der US-Streitkräfte wieder US-Forscher eingeladen, autonome Fahrzeuge durch den Sand der kalifornischen Wüste fahren zu lassen. Mit dabei sind diesmal Forscher der Universität Karlsruhe. Sie verleihen einem Fahrzeug aus Ohio den Gesichtssinn, damit das Roboterfahrzeug erkennt, wie es über den Parcours steuern kann. Am Samstag startet die .

Von Klaus Herbst |
    "Es ist schon sehr amüsant zu sehen, dass von den Teilnehmern wirklich keiner wirklich weit gekommen ist, die meisten nicht mal aus der Startkurve rausgekommen sind."

    ... sagt Doktor Sören Kammel, Projektleiter am Karlsruher Institut für Mess- und Regeltechnik. Er steht am Rande einer Staubpiste, in der dürren, heißen, kalifornischen Wüste zwischen Los Angeles und Las Vegas. Er sagt, was ihn in Vorläufen an Konkurrenzteams am meisten amüsiert hat:

    "Die konnten den nächstbesten Baum nicht erkennen, sind direkt dagegen gefahren. Manche hatten Sensoren an Bord, sind dann trotzdem nicht aus der Startkurve rausgekommen. Es war ein Motorrad am Start, das war sehr interessant. Das ist leider direkt beim Start umgefallen und liegengeblieben. Das Schlimmste wäre, wenn wir drei Meter losfahren und dann die Hardware komplett versagt, dass der Generator kaputtgeht, die Rechner keinen Strom mehr haben und kein Ersatz anläuft und dass wir dann einfach dastehen."

    Für die Karlsruher Forscher wird dieser Worst Case - der schlimmste aller Fälle - nicht eintreten können. Denn ihr unbemanntes Fahrzeug sieht besser. Kammel und die deutsch-amerikanische Wettbewerbsmannschaft haben es mit Maschinellem Sehen bestückt, das heißt mit Laserscanner, Radar, GPS-Antenne und Stereokameras - diese innovative Stereo-Kamera-Plattform soll verhindern, dass der unbemannte Sechsradantrieb-Polaris frühzeitig abrupt stehen bleibt. Kammel:

    "Autonom durch die Wüste zu fahren - autonom heißt, es ist kein Fahrer an Bord, und vor allem es darf auch nicht ferngesteuert werden. Wir müssen irgendeine Sensorik schaffen, die das Auto befähigt, irgendwie alleine seinen Weg zu finden auf einer Strecke, die zwei Stunden vor Beginn des Wettbewerbs erst bekanntgegeben wird. Es werden künstliche Hindernisse eingebaut werden. Es wird Unwägbarkeiten im Gelände geben. Es ist eine Wüstenregion, da wird es Büsche haben, Steine, Felsen, Abhänge, Wasserpfützen, alles mögliche. Also generell es ist schon mal eine nicht so gerade freundliche Landschaft insofern, dass es sehr hell dort ist, was die Kameras stören könnte. Zusätzlich werden noch künstliche Hindernisse wie Sperren eingebaut oder Stacheldrahtzäune, die man also mit normalen Sensoren eigentlich kaum erkennen kann."

    Konzipiert und ausgestattet haben das Wettbewerbs-Vehikel Studenten der Ohio State University; genannt wird das Team "Desert Buckeyes", "Buckeyes" ist Name eines Nationalgebäcks und Spitzname für die als scharfsichtig geltenden Bürger von Ohio. Gut sehen lernt der Polaris aber erst durch das Kamerapaar der Karlsruher Stereo-Kamera-Plattform. Kammel:

    "Wir nehmen mit zwei Kameras ein Stereobild auf, ähnlich wie der Mensch eben auch seine Umwelt erfassen würde. Daraus berechnen wir erst einmal eine 3D-Information, eine Tiefenkarte, damit wir wirklich die Umgebung schon mal so grob als Tiefeninformation vorliegen haben. Und dann versuchen wir, in dieser Tiefenkarte ein bisschen zu schauen, ob wir da nicht irgendeinen Weg durchplanen können. Wenn wir zum Beispiel ein Gebüsch hätten, dann würden wir versuchen, wenn es geht, wenn es nicht zu groß ist, einfach drüberzufahren. Und ansonsten würden wir eben versuchen, den möglichst glatten Weg irgendwie durch das Gelände zu planen."

    Hauptakteur ist das Auto, ION, der Intelligent Offroad Navigator. In mehreren Forschungsprojekten haben die Karlsruher dafür Systeme und Verfahren zur Umweltwahrnehmung entwickelt. Deren Algorithmen weisen beträchtliche Ähnlichkeiten auf mit den beim Menschen nachgewiesenen neuronalen Verarbeitungsstufen im Visuellen Cortex. Projektleiter Kammel sagt, worauf es ankommt:

    "Dass man wirklich versucht zu erkennen: Das ist eine Kreuzung mit allen symbolartigen Sachen, die ein Mensch vielleicht auch drin sehen würde. OK, ich habe jetzt eine Kreuzung mit vier Abzweigungen. Da muss man wissen, was ist eine Abzweigung. Das sind ja nicht nur einfach Messwerte, sondern es ist wirklich der Begriff Abzweigung, der da vielleicht definiert werden muss. Zusätzlich werden eben noch andere Merkmale gesucht. Man hat 3D-Informationen, man hat eine Häuserfront erkannt. Man sieht: Eine Seite ist massiv, da kann ich nicht durchfahren. Und auf einmal ist da eine Lücke zwischen den Häusern, da ist auf einmal Luft, wo man theoretisch vielleicht fahren könnte. Und da kommt jetzt wieder auch eine Neuerung, die Rückkoppelung. Wenn man weiß, dass da eine Lücke ist, dann kann man das Kamerasystem eine Ebene tiefer ja schon einmal darauf vorbereiten, dass da jetzt was kommen könnte. Und man schwenkt das gesamte Kamerasystem in die Richtung, um schon mal dort hinzuschauen, um bessere neue Informationen zu kriegen."

    Eine Tiefenkarte der Umgebung hilft dem Fahrzeug also, zwischen Fahrbahn und Hindernissen zu unterscheiden. So soll die Fahrsicherheit erhöht werden. Diese Aufgabe kann dann ein Fahrerassistenzsysteme erledigen, ein elektronisches System, das auch im normalen Straßenverkehr in Zukunft dafür sorgen soll, dass ein Hindernis umfahren wird, der optimale Abstand zum Vordermann eingehalten und ein Fußgänger frühzeitig erkannt wird. Weiterer Forschungsbedarf besteht auch beim sogenannten kooperativen Fahren. Fremde Fahrzeuge kommunizieren miteinander, stimmen automatisch ihr Fahrverhalten ab und schützen sich gegenseitig vor Gefahrensituationen. Kammel:

    "Wir haben jetzt die Algorithmen, die wir hier für unser normales Testfahrzeug entwickeln, die nehmen wir jetzt letztendlich mal und trimmen die soweit, dass sie jetzt direkt für uns einsetzbar sind."

    Unabhängig vom Ausgang des Rennens: International besetzen die Karlsruher mit Stereokameraplattform und den eigens entwickelten Algorithmen bereits jetzt eine Spitzenposition. Nach dem Rennen werden die Forschungsergebnisse auf internationalen Fachtagungen diskutiert.