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Masern-Impfpflicht
Brandenburg versucht voranzugehen

Nach langen Debatten könnte es bundesweit bald eine Impfpflicht für Masern geben. Brandenburg hat dies bereits vor einigen Wochen beschlossen - als erstes Bundesland. Doch wie genau diese durchgesetzt werden soll, ob über Bußgelder oder Kita-Verbote, ist nach wie vor offen.

Von Amelie Ernst | 06.05.2019
Ein Nachweis ueber eine Impfung gegen Masern, Mumps und Röteln in einem internationalen Impfausweis
Eine Masern-Impfpflicht wurde in Brandenburg bereits beschlossen (picture alliance/ dpa)
Der Spielplatz auf dem Weberplatz in Potsdam-Babelsberg ist ein beliebter Treffpunkt. Die meisten Eltern, die an diesem Nachmittag am Sandkastenrand sitzen und ihre Kinder beim Spielen beobachten, sind für eine verpflichtende Masernimpfung:

"Es ist ne Katastrophe wenn Leute eigentlich schon ausgerottete Krankheiten wieder aufkeimen lassen. Ich bin absolut für ne Impfpflicht."
"So ein kleiner Piks tut dem Kind nicht weh – alles andere ist Blödsinn."
"Wenn es sowas Gutes gibt wie Impfung – warum nicht? Also mein Kind ist gegen alles geimpft."
Auch Christina ist öfter hier, mit ihren drei kleinen Kindern. Das jüngste ist gerade vier Wochen alt – Christina trägt es im blauen Tragetuch eng an ihrer Brust. Als Impfgegnerin würde sie sich nicht bezeichnen, sagt sie. Aber als Impfskeptikerin:
"Manche Regelungen gehen nach hinten los"
"Ich denke, manche Sachen müssen auch durchgearbeitet werden, weil das schafft auch eine gewisse Immunität. Bei Masern ist das natürlich anders, aber ich denke auch, dass man nicht sofort drauf los impfen sollte und für alle das Gleiche gelten sollte. Meistens gehen solche Regelungen auch nach hinten los. Wenn das erstmal so verordnet ist."
Christina ist gegen eine Impfpflicht – keines ihrer drei Kinder sei bisher gegen irgendeine Krankheit geimpft worden. Obwohl die beiden älteren demnächst einen Kindergarten besuchen sollen.
"Wir wurden beraten und haben uns auch gut auseinandergesetzt. Entscheidend ist, dass das mit Masern vor dem Eintritt in die Pubertät passiert, denn danach nimmt das einen schweren Verlauf. Deswegen entscheiden wir uns dafür, aber zu einem Zeitpunkt, den wir auch selber wählen. Ich bin gespannt wie der Kindergarten reagiert."
Impfen: wenn, dann lieber später. Diese Haltung kann Potsdams Amtsärztin Kristina Böhm nur schwer nachvollziehen. Obwohl in Brandenburg mit rund 95 Prozent im bundesweiten Vergleich überdurchschnittlich viele Erstklässler geimpft sind, erlebt sie im Gesundheitsamt auch immer mal wieder das Gegenteil:
"Da sehen wir durchaus dann Kinder, die ein leeres Impfbuch haben, also komplett leeres Impfbuch. Wo wir die Schuleingangsuntersuchung dann nutzen, um zu beraten. Allerdings bleibt es oftmals bei der Beratung - wir hoffen dann aber sehr, dass die Eltern dann doch die Information mitnehmen und es machen lassen."
Bisher kann die Ärztin nur hoffen, dass Eltern mit ihren Kindern nach einer Untersuchung zu Schulbeginn oder im Kindergarten zum Impfen wiederkommen – eine Impfpflicht gibt es auch in Brandenburg frühestens in ein paar Monaten, sagt Gesundheitsstaatsekretär Andreas Büttner:
Zeitpunkt der Umsetzung noch nicht absehbar
"Eine Zeitebene zu nennen ist zum jetzigen Zeitpunkt relativ schwierig. Wir müssen aufgrund des Infektionsschutzgesetzes gucken, ob wir die Verordnung auf der Grundlage umsetzen können oder ob wir eine andere Rechtsgrundlage brauchen. Es wird auch einen Abstimmungsprozess geben müssen mit dem Jugendministerium. Ich denke, dass wir das in den nächsten Monaten auf den Weg bringen, aber eine konkrete Zeitangabe zu nennen wäre jetzt unehrlich."
So bleibt Ärzten wie Kristina Böhm vorerst nur der Appell – dabei hat sie gar nicht vorrangig die Impfgegner im Blick.
"Die harte Gruppe der Impfgegner ist tatsächlich ein kleiner Prozentsatz. Ich finde, wir müssen eher dazu kommen, dass wir da, wo sowieso schon Beratung und Präventionsarbeit erfolgt, dass wir das dann gleich mit dem Angebot verbinden – 'wir können jetzt auch impfen, wenn Sie damit einverstanden sind'. Die meisten machen das dann tatsächlich, wenn ihnen das Angebot aktiv unterbreitet wird."
Nicht nur beim Hausarzt, sondern auch in Rettungsstellen und bei den Untersuchungen zum Schulbeginn und zum Schulabschluss sollten Impfungen gleich mit angeboten werden, findet die Amtsärztin. Denn später in der Ausbildung oder im Studium kämen die meisten junge Leute nur noch selten in Kontakt mit einem Arzt.
"Warum auch – die sind ja gesund. Und wir müssen halt Wege finden, wie wir die doch dazu bekommen, dass da einfach mal drauf geschaut wird. Dass die wissen: Alle zehn Jahre spätestens muss das aufgefrischt werden."
Krankenkassen sollen Impfdaten speichern
Und um das leidige Suchen nach dem Impfpass zu umgehen, sollten die Impfdaten besser gleich durch die Krankenkassen gespeichert werden. All das könnte sich auch Ursula Nonnemacher gut vorstellen. Sie ist Fraktionschefin der Grünen im Brandenburger Landtag und selbst Ärztin. Ähnlich wie Amtsärztin Kristina Böhm hält sie Impfungen für richtig – nicht aber eine Masern-Impfpflicht für alle.
"Ich glaube, es ist eher kontraproduktiv, weil damit bei den Leuten, die skeptisch sind, die Abwehrhaltung noch verstärkt werden könnte. Und auch, dass möglicherweise andere wichtige Impfungen dann als nicht mehr so relevant angesehen werden."
CDU-Gesundheitspolitiker Raik Nowka dagegen plädiert, wie der Bundesgesundheitsminister, weiter für die Impfpflicht für alle, bei denen das möglich ist. Freiwilligkeit und Beratung allein hätten sich nicht bewährt.
"Es geht uns vor allem darum, dass es eben auch Kinder gibt, die noch nicht geimpft werden können – zum Beispiel Säuglinge, die in den Familien leben, die einfach noch nicht das Lebensalter zum Impfen erreicht haben. Es gibt Menschen, die aufgrund von anderen Erkrankungen nicht geimpft werden können. Und für die ist der Ausbruch einer Masernerkrankung eine potentiell große Gefahr."
Doch wie eine Impfpflicht konkret durchgesetzt werden soll, ob Bußgelder oder Kita-Verbote funktionieren, das ist auch in Brandenburg nach wie vor offen. Vorerst setzt man auch hier parteiübergreifend auf die Einsicht der Erwachsenen.