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Master-Studium Digitale Forensik
Die Cyber-Kriminalisten von morgen

Datendiebstahl, Erpressung, Sabotage von Netzwerken: Verbrechen im Netz nehmen seit Jahren drastisch zu. Im Studiengang "Digitale Forensik" der Hochschule Albstadt-Sigmaringen lernen Polizeibeamte und Quereinsteiger, wie man gegen Straftäter im Internet ermittelt. Der Bedarf an Fachkräften ist immens.

Von Ulrike Mix | 09.10.2017
    Kriminellen Machenschaften im Netz auf den Grund kommen: Forensiker haben neue Wege entwickelt.
    Kriminellen Machenschaften im Netz auf den Grund kommen: Forensiker haben neue Wege entwickelt. (imago/epd)
    16 Männer und Frauen sitzen in einem hellen Raum mit Parkettboden vor ihren aufgeklappten Laptops und blicken konzentriert auf ihre Bildschirme. Die diesjährigen Erstsemester im Masterstudiengang Digitale Forensik. Sie schreiben an einem kleinen Computerprogramm für Anfänger. Es soll in der Lage sein, Dateien nach einem bestimmten System zu ordnen.
    "Das hier, den Aufruf nach da unten setzen – und dann funktioniert’s. Bei mir funktioniert’s aber in der Reihenfolge!"
    "Ja, ja."
    "Das heißt: Ihr Programm tut grade nicht?"
    "Ja, genau."
    "Es ist noch nicht ganz fertig!"
    Sich eigene Programme schreiben zu können ist eine zentrale Voraussetzung für einen erfolgreichen Ermittler im Bereich digitale Forensik. Denn nicht für jedes Problem gibt es eine Software.
    Digitale Forensiker versuchen, Passwörter zu knacken, um an die Computer- oder Handydaten eines Verdächtigen oder etwa eines Mordopfers zu gelangen. Sie werden eingeschaltet, wenn große Firmen via Internet lahm gelegt und vielleicht erpresst werden – in der Hoffnung, dass sie herausfinden können, woher eine Schadsoftware stammt oder wer sie ins System eingeschleust hat.
    Spurensuche in den Daten
    Im Studiengang Digitale Forensik lernen sie, wie sie bei ihren Ermittlungen vorgehen können, erzählt Professor Martin Rieger, der den Studiengang an der Hochschule Albstadt-Sigmaringen betreut.
    "Es wird strukturiert analysiert: Was gibt es für Dateien, für Verzeichnisse? Gibt es gelöschte Dateien? Gibt es Hinweise auf weitere externe Datenträger? USB-Sticks? Dann werden Zusammenhänge gesucht zwischen den Dokumenten. Gibt es Querbezüge? Kann man feststellen, woher diese Daten kamen? Kann man feststellen, wann diese Daten geschrieben wurden? Kann man feststellen – das ist dann sehr schwer – wer drauf zugegriffen hat?"
    Schwierigkeiten gibt es zum Beispiel, wenn Spuren in einem Cloud-Speicher enden – also auf einem Server, der irgendwo auf der Welt steht. Vielleicht in einem Land, das mit den Ermittlern nicht kooperieren will.
    Neben Informatik lernen die digitalen Forensiker in ihrem Fernstudium auch noch etwas Jura. Sie müssen den Datenschutz einhalten – und wissen, für welche Ermittlungen sie eine richterliche Anordnung brauchen.
    "Mich faszinieren die technologischen Möglichkeiten"
    Manuela Fux ist weit gereist, um diese Ausbildung zu bekommen: Die Frau mit dunkler Brille und kurzen, wasserstoffblonden Haaren arbeitet in der IT-Abteilung der Kantonspolizei Zürich – und will im nächsten Frühjahr zu den Kollegen von der digitalen Forensik wechseln.
    "Also mich faszinieren die ganzen technologischen Möglichkeiten, die man da hat. Echt an der Materie dran zu sein – und dann, was man alles wieder hervorholen kann aus den Geräten, was man auch zurückverfolgen kann, wo das herkommt. Mich interessiert das extrem, diese ganze Technologie, und ich weiß auch, dass das eine ganz große Zukunft hat."
    Der Bedarf an Fachkräften ist in Deutschland wie in der Schweiz immens. Denn Internetverbrechen nehmen seit Jahren drastisch zu.
    Inzwischen versucht die Polizei, Quereinsteiger zu gewinnen, erzählt Bernhard Lacker. Er arbeitet beim Landeskriminalamt Baden-Württemberg im Bereich Cybercrime – und studiert im Fernstudium Digitale Forensik.
    Wochenendseminare, Abendvorlesungen via Internet und Übungsaufgaben
    "Das ist natürlich eine Schwierigkeit, die technischen Fachkenntnisse in die Polizei reinzukriegen. Wir haben da verschiedene Möglichkeiten. Wir haben natürlich die Möglichkeit, Informatiker einzustellen. Wir haben auch eine Möglichkeit geschaffen für Informatiker, als Cyberkriminalisten in die Polizei einzusteigen, also als Ermittler."
    Interne Schulungen und das Fernstudium an der Hochschule Albstadt-Sigmaringen sind weitere Möglichkeit, sich fit zu machen.
    Das Studium ist ein Kooperationsprojekt der Hochschule Albstadt-Sigmaringen mit den Universitäten Erlangen-Nürnberg und Frankfurt am Main. Es gibt Wochenendseminare, Abendvorlesungen via Internet und Übungsaufgaben für zuhause. Arbeitspensum: 20 Stunden pro Woche. Die leisten die meisten Studierenden zusätzlich zum Job.
    Noch hält Manuela Fux aus Zürich diese Belastung aus. Mittelfristig will sie aber auf 80 Prozent reduzieren, um das Fernstudium neben dem Beruf zu schultern. Sie ist von ihrem Studium in digitaler Forensik überzeugt, weiß aber:
    "Es braucht eine gewisse Leidenschaft dafür, sonst schafft man das nicht. Meiner Meinung nach."