Er kam, kommentierte und verfehlte manchen Sieg auf denkwürdige Art: Mauricio Kagel. Als der polyglotte junge Mann 1957 zusammen mit seiner Frau, der Bildhauerin Ursula Burghardt, in Köln eintraf, brachte er nicht nur die ersten Erfahrungen eines auch literarisch gebildeten Komponisten und Kapellmeisters mit aus Buenos Aires, sondern auch die eines alternativen Filmemachers und Aufbruchsstimmung.
Nachdem er sich 1949 an der "Agrupación Nueva Música" beteiligt, erste Arbeiten für Chor und Orchester geschrieben hatte, gehörte er zu den Gründern der argentinischen Cinémathèque. Sein Debüt-Film fiel dann allerdings der peronistischen Zensur zum Opfer, was die Idee der Luftveränderung beflügelte.
Mit großer Dynamik und ebenso großer Skepsis, undogmatisch und scharfzüngig, allemal Traditionelles kritisch wendend und dabei entschieden auf Neues erpicht, gewitzt durch die Erfahrungen in einer lateinamerikanischen Diktatur und getrieben vom Willen zu Grenzüberschreitungen - so mischte sich Kagel in die Szene der Neuen Musik der Bundesrepublik ein, die damals in Köln ihr Zentrum gefunden hatte: so unterschiedliche Werke wie "Anagrama" für Soli, Sprechchor und Ensemble, die höchst theatralische kleine musikalische Bataille Match, die Vokalkomposition "Hallelujah" oder "Sonant" für Gitarre, Harfe, Kontrabass und Fellinstrumente von 1960 wurden als Pioniertaten empfunden.
Mauricio Kagels Blick von außen auf mitteleuropäische Kulturgepflogenheiten und seine in rascher Folge auf den Markt geworfenen Arbeiten wurden zunächst als exotische Bereicherung wahrgenommen - nicht erst Exotica für außereuropäische Instrumente von 1972 oder die den Himmelsrichtungen der südlichen Hemisphäre gewidmeten Salonorchesterstücke der 80er Jahre.
Zu den bedeutsamen ästhetischen Entdeckungen des 20. Jahrhunderts gehört, dass fast alle Musik 'theatral' ist - keineswegs nur die dem Opern- und Operettenhaus zugedachte oder die Schauspielmusik, sondern die meisten Formen der autonom konzipierten oder funktional entstehenden Klanggebilde. Wie wenig andere hat Kagel aus dieser Erkenntnis geschöpft und sie auf vielfältige Weise vertieft - durchaus mit parodistischer Lust und als Kommentar zu einer nicht nur ihm suspekten Musikgeschichtsschreibung (exemplarisch 1969 mit dem Film "Ludwig van ...").
Mit "Staatstheater", das 1971 in Hamburg Skandal und Furore machte, emanzipierten sich Requisiten und Kulissen zu selbständigen Akteuren. Alle Orchester-Musiker stiegen aus dem tiefen Graben ins Rampenlicht und wurden - freie Bürger erhielten freie Fahrt - auf Schienen über die Bühne hin- und herrangiert. Auch so kam Bewegung in verkrustete Verhältnisse.
Früh hatte Mauricio Kagel mit "Sonant" und "Sur Scène" die Keimformen dessen entwickelt, was er dann als "Instrumentales Theater" bekannt machte. Er ließ die Musiker die zum Spiel des Musiktextes notwendigen Bewegungen nachahmen beziehungsweise die Akteure das Spiel von Instrumenten mit einer schauspielerischen Darstellung auf der Bühne eins werden. Das große Solo "Der Tribun" für einen politischen Redner, der seine demagogischen Auftritte probt, rieb sich noch einmal an der Sprache der Diktatoren. Das Gegenbild zum enthemmten Politiker blieb der Künstler: Die "Sankt-Bach-Passion" von 1985 gedachte in säkularer Frömmigkeit des irdischen Leidens eines der universellsten Musiker und ironisierte nur am Rande einige Aspekte einer allzu gläubigen Bach-Rezeption.
Zu den polarisierenden Pionierwerken der alten Bundesrepublik gehört "Aus Deutschland", inszeniert vom Komponisten 1981 an der Deutschen Oper Berlin: Kagel hatte die Texte bekannter Kunstlieder und einzelne musikalische Motive isoliert, aus dem zertrümmerten Material und frischen Gewürzen seinen neuen Tonsatz und Theaterkontext entwickelt. Die einen sahen in dieser "Liederoper" eine "Verhunzung" von deutschem Bildungsgut, die anderen befanden das Dekompositionsmodell für diskussionswürdig oder gar richtungweisend.
Dann aber rückte Kagel selbst in die Nähe der Klassiker, deren Nimbus er einst durchkreuzte, und konzentrierte sich ausschließlich auf die Erschaffung dessen, was er "vollgültige Konzertmusik" nannte. Möglicherweise aber gab er mit dem späten "neuen Weg" ein Terrain preis, auf dem gerade er noch eine Menge hätte leisten können.
Mauricio Kagel, dieser weit hinausgreifende Ton-Künstler, gehörte dezidiert jenem kurzen 20. Jahrhundert an, das in politischer wie in künstlerischer Hinsicht bereits 1989 zu Ende gegangen sein dürfte.
Nachdem er sich 1949 an der "Agrupación Nueva Música" beteiligt, erste Arbeiten für Chor und Orchester geschrieben hatte, gehörte er zu den Gründern der argentinischen Cinémathèque. Sein Debüt-Film fiel dann allerdings der peronistischen Zensur zum Opfer, was die Idee der Luftveränderung beflügelte.
Mit großer Dynamik und ebenso großer Skepsis, undogmatisch und scharfzüngig, allemal Traditionelles kritisch wendend und dabei entschieden auf Neues erpicht, gewitzt durch die Erfahrungen in einer lateinamerikanischen Diktatur und getrieben vom Willen zu Grenzüberschreitungen - so mischte sich Kagel in die Szene der Neuen Musik der Bundesrepublik ein, die damals in Köln ihr Zentrum gefunden hatte: so unterschiedliche Werke wie "Anagrama" für Soli, Sprechchor und Ensemble, die höchst theatralische kleine musikalische Bataille Match, die Vokalkomposition "Hallelujah" oder "Sonant" für Gitarre, Harfe, Kontrabass und Fellinstrumente von 1960 wurden als Pioniertaten empfunden.
Mauricio Kagels Blick von außen auf mitteleuropäische Kulturgepflogenheiten und seine in rascher Folge auf den Markt geworfenen Arbeiten wurden zunächst als exotische Bereicherung wahrgenommen - nicht erst Exotica für außereuropäische Instrumente von 1972 oder die den Himmelsrichtungen der südlichen Hemisphäre gewidmeten Salonorchesterstücke der 80er Jahre.
Zu den bedeutsamen ästhetischen Entdeckungen des 20. Jahrhunderts gehört, dass fast alle Musik 'theatral' ist - keineswegs nur die dem Opern- und Operettenhaus zugedachte oder die Schauspielmusik, sondern die meisten Formen der autonom konzipierten oder funktional entstehenden Klanggebilde. Wie wenig andere hat Kagel aus dieser Erkenntnis geschöpft und sie auf vielfältige Weise vertieft - durchaus mit parodistischer Lust und als Kommentar zu einer nicht nur ihm suspekten Musikgeschichtsschreibung (exemplarisch 1969 mit dem Film "Ludwig van ...").
Mit "Staatstheater", das 1971 in Hamburg Skandal und Furore machte, emanzipierten sich Requisiten und Kulissen zu selbständigen Akteuren. Alle Orchester-Musiker stiegen aus dem tiefen Graben ins Rampenlicht und wurden - freie Bürger erhielten freie Fahrt - auf Schienen über die Bühne hin- und herrangiert. Auch so kam Bewegung in verkrustete Verhältnisse.
Früh hatte Mauricio Kagel mit "Sonant" und "Sur Scène" die Keimformen dessen entwickelt, was er dann als "Instrumentales Theater" bekannt machte. Er ließ die Musiker die zum Spiel des Musiktextes notwendigen Bewegungen nachahmen beziehungsweise die Akteure das Spiel von Instrumenten mit einer schauspielerischen Darstellung auf der Bühne eins werden. Das große Solo "Der Tribun" für einen politischen Redner, der seine demagogischen Auftritte probt, rieb sich noch einmal an der Sprache der Diktatoren. Das Gegenbild zum enthemmten Politiker blieb der Künstler: Die "Sankt-Bach-Passion" von 1985 gedachte in säkularer Frömmigkeit des irdischen Leidens eines der universellsten Musiker und ironisierte nur am Rande einige Aspekte einer allzu gläubigen Bach-Rezeption.
Zu den polarisierenden Pionierwerken der alten Bundesrepublik gehört "Aus Deutschland", inszeniert vom Komponisten 1981 an der Deutschen Oper Berlin: Kagel hatte die Texte bekannter Kunstlieder und einzelne musikalische Motive isoliert, aus dem zertrümmerten Material und frischen Gewürzen seinen neuen Tonsatz und Theaterkontext entwickelt. Die einen sahen in dieser "Liederoper" eine "Verhunzung" von deutschem Bildungsgut, die anderen befanden das Dekompositionsmodell für diskussionswürdig oder gar richtungweisend.
Dann aber rückte Kagel selbst in die Nähe der Klassiker, deren Nimbus er einst durchkreuzte, und konzentrierte sich ausschließlich auf die Erschaffung dessen, was er "vollgültige Konzertmusik" nannte. Möglicherweise aber gab er mit dem späten "neuen Weg" ein Terrain preis, auf dem gerade er noch eine Menge hätte leisten können.
Mauricio Kagel, dieser weit hinausgreifende Ton-Künstler, gehörte dezidiert jenem kurzen 20. Jahrhundert an, das in politischer wie in künstlerischer Hinsicht bereits 1989 zu Ende gegangen sein dürfte.