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Materialwissenschaft
Blaualgen als Solarzellen

Cyanobakterien – auch als Blaualgen bekannt – bilden im Sommer oft einen blau-grünen Teppich auf Gewässern. Die Fähigkeit der Bakterien, Licht in Energie umzuwandeln, wollen Bochumer Wissenschaftler bald nutzen, um neuartige Solarzellen herzustellen: halb künstlich, halb biologisch.

Von Bernd Schlupeck | 23.12.2014
    "So, dann gehen wir vielleicht gleich bei den Biologen vorbei."
    Den Flur entlang, Fahrstuhl nach unten, raus aus Gebäude NC über den Hof, rein in Gebäude ND, Fahrstuhl nach oben, den Flur runter. Es ist ein verwirrender Weg über den Campus der Ruhr-Universität Bochum bis Nicholas Plumeré schließlich vor der Tür zum Messlabor der Biologen steht. Hier testet der Leiter der Nachwuchsgruppe Molecular Nanostructures gemeinsam mit Biologen und Chemikern, wie gut sich Natur und Technik verbinden lassen. Ziel der Forscher ist, eine biologisch basierte Solarzelle.
    "Wir würden uns gerne die Messung anschauen. Klar komm rein mach die Tür zu. Türknarzen",
    sagt Nicholas Plumeré. Dazu isolieren die Biologen zu aller erst die sogenannten Photosystem-I-Proteine aus der Zellmembran von Thermosynechococcus elongatus, einem Cyanobakterium, das in den heißen Quellen Japans lebt. Und tropfen sie auf eine Elektrode. Das Bakterium wird zuvor in riesigen Wassersäulen angezüchtet, 20 Liter Bakterienmasse ergeben am Schluss zehn Milligramm Protein. Nur wenige Mikrogramm davon werden auf die Elektrode gegeben. Für die Messung ist Volker Hartmann zuständig.
    Bevor es losgeht, kontrolliert der Biologe noch einmal den Aufbau. Eine daumengroße Glaskammer ist zu sehen, gefüllt mit klarer Flüssigkeit. Darin stecken Elektroden, die über Kabel mit dem Computer verbunden sind. Das Licht wird ausgeschaltet. Nur der Computer-Bildschirm beleuchtet noch die Gesichter der beiden Wissenschaftler. Wenig später leuchtet ein grelles rotes Licht unterhalb der Glaskammer auf, zeitgleich schnellen die Zahlen auf dem Bildschirm in die Höhe.
    "Was wir hier testen, ist die Photosynthese unseres Proteins, das wir in diesem künstlichen Blatt eingebaut haben. Und wenn man dann Licht anschaltet, hier rotes Licht, dann kann man sehen wie Photostrom erzeugt wird auf dem Rechner",
    erläutert Nicholas Plumeré. Das Protein, von dem der Wissenschaftler spricht, ist das Photosystem I. Dieses ist Teil des Photosynthese-Apparats, mit dem Pflanzen, Algen und Cyanobakterien in der Lage sind, Lichtenergie in Biomasse, also Kohlenhydrate umzuwandeln. Das Photosystem I dient dabei als Elektronen-Überträger der geernteten Lichtenergie. Die Bochumer wollen diese Elektronen nun nutzen, um Strom zu erzeugen. Die Schwierigkeit ist, so Nicolas Plumeré
    "die Effizienz der Photosynthese zu erreichen oder zu verbessern."
    Dazu haben die Bochumer eigens ein Hydrogel entwickelt, das große Mengen Wasser speichern kann und dessen pH-Wert sich verändern lässt. Das schafft zum einen eine Wohlfühlatmosphäre für die isolierten Proteine. Und sorgt zum anderen dafür, dass sie in engem Kontakt zur Elektrode bleiben und so die Elektronen effektiv übertragen.
    "So alles was wir machen müssen, ist das Protein und unser leitfähiges Polymer zu mischen und auf die Oberfläche einer Elektrode zu tropfen. Dann lassen wird das Ganze trocknen",
    sagt Nicholas Plumeré. Fertig ist das halb-künstliche Blatt. Und tatsächlich konnten die Wissenschaftler damit die Übertragungsrate des Photosystem-I-Proteins auf 335 Elektronen pro Sekunde steigern. Etwa 50 Elektronen pro Sekunde überträgt das Algenprotein in seiner natürlichen Umgebung. Das bedeutet einen Sprung der Energieausbeute aus Licht von wenigen Nanowatt auf Mikrowatt pro Quadratzentimeter. Kombiniert mit einer zweiten Elektrode, haben die Bochumer auch schon Milliwatt pro Quadratzentimeter produziert.
    "Damit haben wir genug Energie, um zum Beispiel Sensoren, die man in Kontaktlinsen einbaut, zu steuern. Und wenn man damit Quadratmeter beschichtet, kann man sich vorstellen, ein Kleingerät zu benutzen, ein Smartphone mit einem Quadratmeter wäre machbar",
    so Nicholas Plumeré. An die Energieausbeute von kommerziellen Solarzellen mit Silizium-Halbleiter, die über 100 Watt pro Quadratmeter erreichen, kommt das halb-künstliche Blatt damit nicht heran. Auch die Stabilität des Systems ist verbesserungswürdig. Derzeit überlebt das halb-künstliche Blatt einen Tag. Aber das Ziel der Bochumer Forscher bleibt: Eine effiziente biobasierte Solarzelle. Und ein neuer Prototyp ist gerade in Arbeit.