Früher waren Golfbälle glatt. Doch mit der Zeit bemerkten Golfer: Alte Bälle, die schon den ein oder anderen Schlag mit dem Eisen abbekommen hatten und deren Schale etwas kaputt war, flogen weiter als die neuen glatten. Der Grund dafür liegt in der Aerodynamik: Die Dellen verringern den Luftwiderstand, wie Denis Terwagne von der Uni Brüssel erklärt.
"Die Strömung fließt entlang des Objekts und löst sich irgendwann ab. Das hinterlässt einen Windschatten, den der Ball hinter sich herzieht. Der sorgt wiederum für Luftwiderstand. Bei einem glatten Ball löst sich die Strömung recht weit vorn ab und erzeugt einen großen Windschatten. Bei einem Ball mit Dellen jedoch entsteht eine turbulente Schicht um den Ball. Diese turbulente Schicht löst sich erst weit hinten ab, wodurch nur ein kleiner Windschatten entsteht."
Kleiner Windschatten bedeutet kleiner Widerstand: Der Golfball fliegt also dank der Dellen weiter. Die Frage ist jetzt: Warum haben dann nicht auch Autos, Flugzeuge und Schiffe Dellen? Der geringere Widerstand würde Sprit sparen. Das Problem ist, dass die Dellen den Luftwiderstand nur bei bestimmten Geschwindigkeiten verringern. Bei anderen vergrößern sie ihn. Man bräuchte also eine Fahrzeughaut, die zwischen Dellen und glatter Oberfläche hin- und her schalten kann. Genau das hat Denis Terwagne mit einem Team am MIT entwickelt:
"Wir haben eine Halbkugel mit einer steifen Außenhaut und einem weichen Inneren. Ganz innen ist ein Hohlraum. Wenn wir dort den Druck verringern, zieht sich das Innere zusammen und es entsteht ein Muster auf der Kugel."
Auch für Drohnen oder Radarkuppeln denkbar?
Und dieses Muster erinnert an einen Golfball. Das fiel auch Dennis Terwagne und seinem Team auf. Ursprünglich wollten die Wissenschaftler keine aerodynamische Haut entwickeln. Ihre Arbeit war reine Grundlagenforschung. Sie produzierten hunderte der Halbkugeln aus einem Polymer, variierten dabei die Größe der Kugeln und die Wandstärke der steifen Außenhaut. Das Ziel des ganzen Projekts: Lernen, wie man die Rauigkeit eines gekrümmten Objekts kontrollieren kann. Dabei stellten sie fest, dass manche der Kugeln labyrinthartige Falten zeigten, andere erinnerten an Golfbälle. Als die Wissenschaftler die Ähnlichkeit feststellten, packten sie ihr Forschungsobjekt in einen Windkanal.
"Wir nahmen die Halbkugeln, die Golfbällen ähnelten, machten den Wind an, variierten die Rauigkeit der Halbkugeln und ermittelten den Luftwiderstand. Bei einigen Geschwindigkeiten konnten wir den Luftwiderstand halbieren, nur indem wir die Rauigkeit veränderten."
Ein beachtlicher Wert, der das Team angeregt hat, weiter in Richtung Aerodynamik zu forschen. Einen genauen Plan für eine Anwendung gibt es noch nicht. Kotflügel nach Golfballvorbild? Das klingt sehr abenteuerlich. Aber Denis Terwagne hat auch ganz andere Ideen, was man mit seiner Erfindung anstellen könnte: Radarkuppel zum Beispiel, die bei Böen auf Golfball umschalten und sich so vor Wind schützen. Oder neuartige Drohnen:
"Wenn man kleine Fluggeräte hat, ist es vielleicht nicht sehr effizient, sie so zu steuern, wie wir es bei großen Flugzeugen tun. Man könnte also stattdessen die Rauigkeit ihrer Oberfläche verändern. Und wenn die dann auf der einen Seite des Fluggeräts anders ist als auf der anderen, würde es eine Kurve fliegen."
Bevor Drohnen irgendwann über die Rauigkeit ihrer Flügel lenken, müssen die Forscher noch eine Hürde nehmen: Sie müssen komplizierte Flächen dazu bringen, eine Golfballstruktur anzunehmen. Genau daran arbeiten die Kollegen von Denis Terwagne gerade am MIT.