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Mathematik für Physiker

An deutschen Universitäten bricht rund jeder dritte Physikstudent sein Studium ab. Ein häufiger Grund ist die Mathematik: Weil Physikstudenten ihre Kenntnisse schnell praktisch anwenden müssen, sind die Anforderungen zu Beginn mitunter höher als im mathematischen Studiengang selbst. Die Uni Augsburg versucht mit einem zweiwöchigen Vorkurs gegenzusteuern, Wissen aufzufrischen und Lücken zu schließen.

Von Kilian Geiser | 02.10.2008
    " Wir werden jetzt wieder etwas angewandter und kommen zu den Regeln von L'Hôpital, und da gehe ich dann gleich mal an die Tafel. Diese Regeln werden sie aus der Schule wahrscheinlich nicht kennen, die werden in der Schule üblicherweise nicht gemacht, die sind aber von sehr großer Tragweite, weil sie ein sehr großes Anwendungspotenzial haben. "

    Nach einigen Minuten Pause um kurz vor elf kehrt schnell wieder Ruhe ein in Dr. Eyerts Vorbereitungskurs Mathematik. Zwei Wochen lang bis zum eigentlichen Semesterbeginn soll hier das fürs Physikstudium nötige mathematische Handwerkszeug aufgefrischt werden. Auf dem Programm stehen unter anderem Integralrechnung, komplexe Zahlen und spezielle Koordinatensysteme. Täglich sind dafür drei Stunden Vorlesung vorgesehen. Nachmittags wird der Stoff weitere drei Stunden lang in Übungsgruppen vertieft. Dass es sich für ihn lohnt dabei zu sein, wurde Benjamin Allaka bereits beim ersten kurzen Test klar:

    " Das war eigentlich ein Sprung ins kalte Wasser. Das allererste Übungsblatt, ich hatte jetzt eben auch ein Jahr Pause quasi durch den Zivildienst, und dann wieder das ganze Schulwissen hervorkramen, wie Ableitung oder so was in der Art. Da ist man dann erst mal ins Schwitzen gekommen. Aber wenn man dann erst mal sieht, wie's läuft, dann funktioniert es eigentlich wieder. "

    Einer Studie zufolge bricht mindestens jeder dritte Physikstudent ab - die überwiegende Mehrheit bereits im ersten Studienjahr. Dass die Abbrecherquote in ihrem Fach ungewöhnlich hoch ist, ist den meisten Studienanfängern wie Katharina Hase durchaus bekannt:

    " Also eine Freundin von mir, die studiert jetzt auch schon ein Jahr Physik in München und die hat jetzt gesagt, die sind jetzt gut auf ein Drittel geschrumpft. "

    Dennoch steigt die Zahl der Neuanfänger stetig. Bei Katharina Hase war neben dem Interesse an der Physik gerade auch der Ehrgeiz, in diesem Fach zu bestehen, ein Grund für die Studienwahl. Benjamin Allaka hingegen treibt der sprichwörtliche Forscherdrang:

    " Ich finde eigentlich dieses ganze Themengebiet faszinierend, allein jetzt in der Kernphysik oder auch in anderen Bereichen, einfach diese Möglichkeiten neue Dinge zu beschreiben, neue Dinge zu entdecken, vielleicht auch an einem größeren internationalen Projekt später mal mitzuarbeiten. Also ich glaube, diese Faszination doch irgendwo international irgendwie voranzukommen, vielleicht auch ein Stück weit neues Land zu entdecken. "

    Damit seine Studenten diesen Forscherdrang in die Tat umsetzen können, möchte Dr. Eyert vor allem die unterschiedlichen Mathematik-Kenntnisse angleichen, die die Studenten aus der Schule mitbringen. Insgesamt ist Eyert mit dem Kursniveau in diesem Jahr sehr zufrieden. Die in den ersten Tagen angesprochenen Themen seien den Studenten überwiegend geläufig gewesen. Neben der Stoffvermittlung erfüllt der Vorbereitungskurs einen weiteren Zweck. Die Studenten sollen eine zusätzliche Eingewöhnungsphase bekommen. Volker Eyert:

    " Dieser Vorbereitungskurs fängt natürlich die erste Schocksituation des Studiums sehr gut ab. Die Studenten werden also vor dem eigentlichen Studium schon mal ins kalte Wasser geworfen, können sich ein Bisschen daran gewöhnen, dass der Stoff ein anderes Niveau hat, dass er anders präsentiert wird, dass er sehr viel kompakter präsentiert wird, dass die Stoffmenge wesentlich größer wird und in sofern mildert das so ein Bisschen den Schock des ersten Semesters, der ersten Wochen ab, und das ist auch genau das, was wir auch erreichen wollen. "
    Dr. Eyert ist fest überzeugt die Abbrecherquote mit dem Vorbereitungskurs insgesamt zu senken. Gleichzeitig rechnet er aber damit, dass der eine oder andere nun bereits vor dem eigentlichen Vorlesungsbeginn in knapp zwei Wochen das Handtuch wirft:

    " Solche Leute wird es unter Umständen geben, weil wir natürlich auch im Laufe der zwei Wochen jetzt etwas anziehen werden, aber wir versuchen den Studenten auch Mut zu machen, und ihnen zu sagen, dass sie durchhalten sollen, dass sie uns persönlich ansprechen sollen, wenn sie irgendwelche Probleme haben. So dass man persönlich auch wirklich dann im Einzelfall beraten kann und weitersehen kann und Lösungen finden kann. "