"Irren ist menschlich", sagt der Lateiner. Der Umkehrschluss gilt vermutlich ebenfalls: Unfehlbarkeit mutet unmenschlich an – wohl auch ein Grund, weshalb Mathematik, die ja doch ewige Wahrheiten reklamiert und anstrebt, vielen nicht geheuer ist. Dabei geht es auch in dieser strengen Disziplin sehr menschlich zu, versichert Matthias Kreck, Direktor des renommierten Hausdorff Research Institute for Mathematics in Bonn:
"Wir sagen zum Beispiel, wenn uns einer einen komplizierten Beweis vorführt, am Ende häufig, ohne dass wir an einer Stelle zeigen können, wo der Beweis falsch ist, das glaube ich nicht. Irgendwie überzeugt mich das nicht, das glaube ich nicht, und dann muss der Kollege noch einmal ansetzen. Oder, wenn wir sagen, nee, das sieht gut aus, dann sagen wir, das glaube ich. Eine andere Art von Bedeutung hat es, wenn wir sagen, ich glaube, dass folgende große Vermutung gilt."
Wie die Riemannsche Vermutung, dass alle Nullstellen seiner so genannten Zeta-Funktion auf einer Geraden liegen. Obwohl Computer das mittlerweile für eine Billion Fälle bestätigt haben, gilt das noch nicht als Beweis, daran glauben aber darf man schon. Und wie viele Mathematiker sind eigentlich nötig, um aus einem behaupteten Beweis einen felsenfesten zu machen? Die meisten bedeutenden Sätze, sagt Kreck, werden von Generationen von Mathematikern – häufig mit ganz unterschiedlichen Beweisen – nachvollzogen, Aber es gibt auch Sätze, wo das anders ist. Wenn man etwa das Beispiel der vierdimensionalen Poincaré-Vermutung nimmt, die von dem Amerikaner Michael Freedman bewiesen wurde, der dafür die Fields-Medaille, den mathematischen Nobelpreis, bekam:
"Das ist eine Hundert-Seiten-Arbeit, die sicher einige Leute, ich auch, sehr intensiv studiert haben, weil das ein so fundamentales Resultat ist und er hat dafür ja auch diesen Preis bekommen, aber ich weiß, dass es den meisten so gegangen ist wie mir, dass die letzten Teile dieser Arbeit für uns nicht wirklich nachvollziehbar waren. Und da gibt es eine nach meiner Kenntnis ganz kleine Gruppe von Mathematikern, die diese letzten Teile auch haben nachvollziehen können. Das sind vielleicht nur zehn Leute. Und trotzdem sind wir völlig überzeugt davon, dass diese berühmte Vermutung bewiesen wurde von Freedman."
Der Prozess des Beweisens enthält ebenfalls unerwartet Menschliches:
"Wenn man ganz kritisch zurückfragt, dann muss man sagen, es ist gar nicht soviel anders wie wenn wir uns im täglichen Leben über etwas einigen, es ist ein Einigungsprozess. Man muss versuchen, den anderen Mathematiker davon zu überzeugen, dass die Aussage richtig ist, indem man gewisse Blöcke von Aussagen zusammenstellt und hofft, dass der Mathematiker, der das liest, sagt: Jeder dieser Blöcke überzeugt mich und damit stimmt man mit der Aussage überein. Ja, diese Aussage ist bewiesen."
Oder eben nicht. Wie lange hält so ein Beweis? Die Logik, sagt Kreck, verleihe der Mathematik eine unvergleichliche Sicherheit. Dennoch muss ein Beweis nicht ewig halten; in der Praxis wird ein Beweis geglaubt ...
"... solange nicht irgendeiner kommt und den Finger in die Wunde legt und sagt – das passiert natürlich manchmal, dass Sätze, die lange als bewiesen gegolten haben, dann kommt einer und sagt, hier ist eine Wackelstelle, und dann geht man dem nach und manchmal zerfällt der Beweis in Nichts."
Dass häufig nur wenige Menschen über wahr und unwahr befinden, ist keine Eigenart der Mathematik allein, das gibt es auch in der Physik. Einer der ersten Verfechter der Relativitätstheorie Einsteins war der britische Astronom Sir Arthur Eddington. Der antwortete auf die Bemerkung eines englischen Reporters, dass wohl nur drei Menschen auf der Welt die Theorie verstünden, "Oh. Und wer ist der Dritte?"
"Wir sagen zum Beispiel, wenn uns einer einen komplizierten Beweis vorführt, am Ende häufig, ohne dass wir an einer Stelle zeigen können, wo der Beweis falsch ist, das glaube ich nicht. Irgendwie überzeugt mich das nicht, das glaube ich nicht, und dann muss der Kollege noch einmal ansetzen. Oder, wenn wir sagen, nee, das sieht gut aus, dann sagen wir, das glaube ich. Eine andere Art von Bedeutung hat es, wenn wir sagen, ich glaube, dass folgende große Vermutung gilt."
Wie die Riemannsche Vermutung, dass alle Nullstellen seiner so genannten Zeta-Funktion auf einer Geraden liegen. Obwohl Computer das mittlerweile für eine Billion Fälle bestätigt haben, gilt das noch nicht als Beweis, daran glauben aber darf man schon. Und wie viele Mathematiker sind eigentlich nötig, um aus einem behaupteten Beweis einen felsenfesten zu machen? Die meisten bedeutenden Sätze, sagt Kreck, werden von Generationen von Mathematikern – häufig mit ganz unterschiedlichen Beweisen – nachvollzogen, Aber es gibt auch Sätze, wo das anders ist. Wenn man etwa das Beispiel der vierdimensionalen Poincaré-Vermutung nimmt, die von dem Amerikaner Michael Freedman bewiesen wurde, der dafür die Fields-Medaille, den mathematischen Nobelpreis, bekam:
"Das ist eine Hundert-Seiten-Arbeit, die sicher einige Leute, ich auch, sehr intensiv studiert haben, weil das ein so fundamentales Resultat ist und er hat dafür ja auch diesen Preis bekommen, aber ich weiß, dass es den meisten so gegangen ist wie mir, dass die letzten Teile dieser Arbeit für uns nicht wirklich nachvollziehbar waren. Und da gibt es eine nach meiner Kenntnis ganz kleine Gruppe von Mathematikern, die diese letzten Teile auch haben nachvollziehen können. Das sind vielleicht nur zehn Leute. Und trotzdem sind wir völlig überzeugt davon, dass diese berühmte Vermutung bewiesen wurde von Freedman."
Der Prozess des Beweisens enthält ebenfalls unerwartet Menschliches:
"Wenn man ganz kritisch zurückfragt, dann muss man sagen, es ist gar nicht soviel anders wie wenn wir uns im täglichen Leben über etwas einigen, es ist ein Einigungsprozess. Man muss versuchen, den anderen Mathematiker davon zu überzeugen, dass die Aussage richtig ist, indem man gewisse Blöcke von Aussagen zusammenstellt und hofft, dass der Mathematiker, der das liest, sagt: Jeder dieser Blöcke überzeugt mich und damit stimmt man mit der Aussage überein. Ja, diese Aussage ist bewiesen."
Oder eben nicht. Wie lange hält so ein Beweis? Die Logik, sagt Kreck, verleihe der Mathematik eine unvergleichliche Sicherheit. Dennoch muss ein Beweis nicht ewig halten; in der Praxis wird ein Beweis geglaubt ...
"... solange nicht irgendeiner kommt und den Finger in die Wunde legt und sagt – das passiert natürlich manchmal, dass Sätze, die lange als bewiesen gegolten haben, dann kommt einer und sagt, hier ist eine Wackelstelle, und dann geht man dem nach und manchmal zerfällt der Beweis in Nichts."
Dass häufig nur wenige Menschen über wahr und unwahr befinden, ist keine Eigenart der Mathematik allein, das gibt es auch in der Physik. Einer der ersten Verfechter der Relativitätstheorie Einsteins war der britische Astronom Sir Arthur Eddington. Der antwortete auf die Bemerkung eines englischen Reporters, dass wohl nur drei Menschen auf der Welt die Theorie verstünden, "Oh. Und wer ist der Dritte?"