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Mathematik
Vor 400 Jahren wurde die erste Logarithmentafel veröffentlicht

Es ist ein prosaisches Tabellenwerk, das nichts anderes als nackte Zahlen enthält: Im Jahr 1614 veröffentlichte der Naturgelehrte John Napier die erste Logarithmentafel. Für Jahrhunderte sollten solche Tafeln zum unentbehrlichen Werkzeug von Wissenschaftlern werden.

Von Arndt Reuning | 14.01.2014
    "Nichts ist so lästig in der Kunst der Mathematik, meine werten Kollegen, wie jene Eintönigkeit, die sich einstellt bei der Multiplikation und Division von großen Zahlen, beim Ziehen von Quadrat- und Kubikwurzeln. Nicht nur den damit verbundenen Zeitaufwand möge man bedenken, sondern auch das Ärgernis durch die vielen kleinen Flüchtigkeitsfehler, die hierbei entstehen können. Daher habe ich darüber nachgedacht, wie ich auf schnellem und sicherem Wege hinsichtlich besagter Misslichkeiten für eine Verbesserung sorgen könnte."
    Mit diesen Worten begann der schottische Gelehrte John Napier sein Buch "Mirifici logarithmorum canonis descriptio", zu Deutsch also die Beschreibung des wunderbaren Kanons der Logarithmen. Ein Werkzeug, mit dem sich komplexe Aufgaben des Punktrechnens auf eine simple Strichrechnung reduzieren ließen. Im Jahr 1614 wurden die ersten dieser Logarithmentafeln veröffentlicht. Und schon bald darauf reagierten die Fachleute mit Begeisterung. So schrieb der englische Mathematiker Henry Briggs, der in London als Professor für Geometrie arbeitete, in einem Brief an den späteren Erzbischof James Ussher:
    "Napier hat sowohl meinen Geist als auch meine Hände in Arbeit versetzt durch seine neuen und bewundernswerten Logarithmen. Ich hoffe, ihn im Laufe dieses Sommers zu treffen, so es Gott gefällt. Denn nie habe ich ein Buch gesehen, das mir besser gefiel oder mich mehr in Staunen versetzte."
    Anwendung fanden die Tabellenwerke zum Beispiel in der Astronomie und in der Schifffahrt. Denn die Navigation ließ sich mithilfe der Logarithmen stark vereinfachen. Ein ähnlich nützliches Werkzeug hatte bis dahin nicht existiert, erklärt die Mathematik-Professorin Ina Prinz, Direktorin des Arithmeums in Bonn.
    "Es gab den Abakus, den man kannte, mit dem man bündeln und entbündeln konnte. Sicherlich konnte man mit ihm auch multiplizieren. Das setzte aber voraus, dass man das kleine Einmaleins beherrschte. Das beherrschten damals nur ganz Wenige. Das heißt, letztlich war man noch auf einen Rechenmeister angewiesen, der für einen rechnete. Und die Möglichkeit, sich davon zu lösen und als Kapitän auf einem Schiff dann auch selbst kompliziertere Aufgaben auf einfachem Wege richtig zu lösen, das war natürlich eine großartige Leistung."
    Johannes Kepler rühmte Napiers Erfindung und lobte ihren Nutzen für astronomische Berechnungen. Ein Dankesbrief, den er im Jahr 1619 an John Napier geschrieben hatte, erreichte seinen Adressaten allerdings nicht mehr. Der schottische Mathematiker war nur drei Jahre nach Erscheinen seines "wunderbaren Kanons" an den Folgen der Gicht gestorben. Doch seine Zeitgenossen griffen seine Berechnungen auf und entwickelten sie weiter. Die ersten Rechenhilfen entstanden, bei denen logarithmische Zahlenreihen nicht in Tabellen vermerkt wurden, sondern als Skala auf einem Holzstab aufgetragen.
    "Edmund Gunter zum Beispiel hat die Gunter Scale daraus entwickelt, wo man dann die Ergebnisse der Multiplikation sofort abgreifen konnte mit einem Zirkel, ohne dass man noch die große Logarithmentafel verwenden musste, die selbst natürlich beim Ausrechnen auch fehleranfällig war."
    Um das Jahr 1630 herum erschienen die ersten Rechenhilfen, bei denen zwei solcher Skalen gegeneinander verschoben wurden. Das vereinfachte die Handhabung, denn ein Zirkel wurde nun nicht mehr gebraucht. Und aus diesen Modellen entstanden die ersten Rechenschieber mit einer beweglichen Holzzunge in der Mitte. In ihnen hatten sich die Tabellen des John Napier förmlich materialisiert. Die mathematische Operation, das Addieren von Logarithmen, hatte sich gewandelt zu einer handwerklichen Operation, dem Schieben von Skalen. Je nach Anwendungsgebiet wurde so eine Vielzahl dieser Rechenschieber entwickelt – für das Bauwesen, für die Elektrotechnik, für die Luftfahrt und sogar für die Landwirtschaft. Erst durch die Erfindung der Taschenrechner wurden die verschiebbaren Skalen nahezu überflüssig – bis auf wenige Ausnahmen.
    "So ist es zum Beispiel so, dass jeder Pilot eines Flugzeuges nach wie vor eine Rechenscheibe, die auf den Logarithmen basiert, benutzten können muss und dass er im Notfall, auch wenn alle Computer ausfielen, er damit hoffentlich sicher ans Ziel kommen würde. Im Falle eines Falles ist mit den Logarithmen also noch immer zu rechnen.