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Matsch im All

Wie kam das Wasser auf die Erde? Die gängige Annahme ist, dass fremde Himmelskörper wie Kometen den ursprünglich trockenen Planeten bewässert haben. Dem widerspricht nun ein europäisch-amerikanisches Planetologenteam mit der Theorie, die Erde habe von Beginn an über das Wasser verfügt, aus dem die Ozeane entstanden sind.

Von Guido Meyer |
    Die Oberfläche der Erde besteht zu zwei Dritteln aus Ozeanen. Wasser liegt gefroren an den Polen vor, es durchzieht als Flüsse die Kontinente, es steigt als Wasserdampf empor und fällt als Regen wieder zurück auf den Boden.

    "Offensichtlich haben wir heute Wasser auf der Erde - und das ist auch gleichzeitig das Merkwürdige, denn für Wasser ist es zu Zeiten der Erdentstehung auf dieser viel zu heiß gewesen."

    So bringt der Planetenwissenschaftler Michael Drake das Grundproblem auf den Punkt. Der Amerikaner ist Direktor der Abteilung für Planetenwissenschaften des Labors für lunare und planetare Forschung der Universität von Arizona in Tucson. Die bislang vorherrschende Theorie, wie die Erde zu einem blauen Planeten wurde, besteht in der Annahme, andere Himmelskörper hätten das Wasser auf eine bis dahin trockene Erde gebracht.

    "Die vorherrschende Theorie in den letzten 30, 40, 50 Jahren ging davon aus, dass die Erde anfangs trocken war und erst am Ende ihrer Entwicklung, als sie ihre heutige Größe erreicht hatte und ausgekühlt war, ihr Wasser von Kometen und Asteroiden bekommen hat."

    Kometen gelten als "schmutzige Schneebälle", die außer aus viel Dreck, Staub und Gestein eben auch zu einem Großteil aus Eis bestehen. Dieses Eis soll nach jedem Einschlag eines Kometen oder "feuchten Asteroiden" auf die Erde durch die beim Aufprall frei werdende Hitze geschmolzen sein und so über Millionen von Jahren Ozeane gebildet haben.

    "Das Problem mit dieser Hypothese ist, dass Kometen etwa zur Hälfte Deuterium transportieren, schweren Wasserstoff also, der zusätzlich zu einem Wasserstoffproton noch aus einem Neutron besteht. Somit müssten unsere Ozeane zu etwa 50 Prozent aus diesem Wasserstoffisotop bestehen. Tatsächlich liegt der Anteil von natürlich vorkommendem Deuterium jedoch bei weniger als einem Prozent."

    Eine andere Quelle also für das kostbare Nass muss her. Doch wer sagt überhaupt, dass die Erde trocken entstanden sein muss - fragte sich das Planetologenteam rund um Michael Drake. Schließlich gab es in der Staubwolke, aus der die Planeten unseres Sonnensystems entstanden sind, eben nicht nur Staub, sondern auch Wasserstoff und Sauerstoff.

    "Die Staubwolke war von einer weiteren Wolke aus Gas umgeben, die etwa 10.000-mal größer war. Die drei häufigsten Elemente in ihr waren Wasserstoff, Sauerstoff und Helium. Ab und an dürften sich zwei Wasserstoffatome und ein Sauerstoffatom gefunden und ein Wassermolekül gebildet haben."

    Dieses allererste Wasser unseres Sonnensystems wäre zunächst an die Staubteilchen der protoplanetaren Wolke gebunden gewesen. Computermodelle der Wissenschaftler aus Arizona haben ergeben, dass die Häufigkeit des Auftretens von Wasserstoff und Sauerstoff in diesem Gas-Staub-Gemisch gar zehnmal mehr Wasser ergeben hätte, als heute in den Ozeanen vorhanden ist.

    "Die Staubteilchen finden sich zusammen und formen daraus einen Planeten. Die Erde wird größer und größer. Irgendwann wird sie von einem marsgroßen Objekt getroffen. Der Mond wird aus der Erde herausgeschlagen und lässt einen aufgeheizten Planeten zurück, dessen Oberfläche bis in eine Tiefe von mehreren Tausend Kilometer schmilzt. Irgendwann kühlt diese Magmaschicht ab und das in ihr gelöste Wasser verdunstet zu einer Art Nebel, der irgendwann kondensiert und als heißes Wasser auf die Erde regnet. Über Millionen von Jahren sind so die Ozeane entstanden, wie wir sie heute kennen."

    Während der Einschlag eines großen Objektes und das damit verbundene Schmelzen der Erdoberfläche heute gültige Annahme ist, ist das Kondensieren des Wassers zu solch einem frühen Zeitpunkt derzeit noch ein denkbares Modell.