Matthias Helwig vs. Hanns-Georg Rodek Bedroht Streaming das Kino?
Filmfestivals und Kinobetreiber müssen sich fragen, ob sie Filme boykottieren sollen, die von Streamingdiensten produziert wurden, die sich nicht an die üblichen Zeitfenster für die Kinoauswertung halten. Ohne die Filme wie „The Irishman“ oder „Roma“ wahrscheinlich aber gar nicht existieren würden.
Eine zugespitzte Frage, zwei Gäste, zwei konträre Positionen – dazu eine Moderatorin oder ein Moderator und ein weites Themenspektrum, jeden Samstag um 17.05 Uhr. Das ist das Konzept der neuen Sendung. Sind wir zu politisch korrekt? Passen Religion und Aufklärung zusammen? BER und Stuttgart 21 – hat Deutschland das Bauen verlernt? Den Streit wert sind Kunst und Musik, Glaube und Wissenschaft, Lebensstil und politische Kultur. Eine gleich bleibende Debattendramaturgie sorgt für klare Standpunkte, dann folgen echter Austausch, Abwägen und gemeinsames Nachdenken. Im besten Fall wird der Titel so eingelöst, dass wir genau das vorführen: Streit-Kultur.
Zwischen Kino und Streamingdiensten gibt es harte Verteilungskämpfe (imago / Tinkeres)
Streamingdienste produzieren nicht nur Serien, sondern auch Spielfilme von namhaften Regisseur*innen, allen voran Netflix. Aber einer üblichen Kinoauswertung von vier bis sechs Monaten vor dem Streaming für die Abonnenten verweigert sich das Unternehmen bisher stur. So kamen der Venedig- und Oscargewinner "Roma" und diesjährige Oscarkandidaten wie "The Irishman" oder "Marriage Story" nur sehr kurz in sehr wenige Kinos. Aber: Ohne Amazon, Netflix, Hulu und andere würde es sie vielleicht gar nicht geben. Denn die klassischen Hollywoodstudios finanzieren Arthauskino immer weniger. Bedrohen Streamingdienste das Kino oder sind sie eine Bereicherung? Sollten Kinos und Filmfestivals wie die Berlinale Streamingfilme ausschließen, um sie zur Kinoauswertung zu zwingen?
Kinobetreiber und Leiter des Fünf Seen Filmfestivals in Gilching Matthias Helwig (Foto: Maren Matell)
Matthias Helwig, Kinobetreiber und Festivalleiter:
"Ich habe Kino immer so gemacht, dass ich die besten Filme, die ich sehe, dem Publikum weitergebe. Die Leute müssen Vertrauen dazu haben, dass Kino Premiumware ist, also muss ich die besten Filme dort zeigen. Aus dem Grund habe ich 'Roma' oder auch 'Marriage Story' gezeigt. Ich bin in erster Linie meinem Publikum gegenüber verantwortlich. Netflix will mit Filmen Geld verdienen. Wir müssen Netflix zeigen, dass man mit Kino Geld verdienen kann."
Hanns-Georg Rodek, Filmkritiker bei der Zeitung DIE WELT, Foto: Massimo Rodari (Foto: Massimo Rodari)
Hanns-Georg Rodek, Filmkritiker und -redakteur bei der Zeitung DIE WELT:
"Ich glaube, das Kino muss sich darüber im Klaren sein, mit welchem Gegner es da zu tun hat. Netflix ist ein Gegner des Kinos, im Geschäftsmodell der Firma spielt Kino keine Rolle. Daraufhin muss man seine Strategie entwickeln. Jedes Jahr, in dem mehr gute Schauspieler und Regisseure zu Netflix gehen, werden weniger Kinofilme gemacht. Mit dem Vertrauen, das das Kino über Jahrzehnte aufgebaut hat, gehen wir unglaublich schlampig um und lassen es zerstören."