Wasser wird mehr und mehr zu einem strategischen Gut. Wer im 21. Jahrhundert Zugang dazu hat, ist im Vorteil: politisch, wirtschaftlich und sozial. Wasser ist wichtiger als Öl, Wasser ist durch nichts zu ersetzen.
Das wusste der ehemalige Außenminister Klaus Kinkel bereits im 20. Jahrhundert. Seit langem ahnt man, dass es ohne eine dauerhafte Einigung in der Wasserfrage keinen verlässlichen Frieden zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn geben wird. Die strategische Bedeutung des Rohstoffs Wasser dürfte jedoch auch und unter anderem ein Grund dafür sein, warum türkische Regierungen alle Autonomiebestrebungen der Kurden im Keim zu ersticken suchen. Denn ausgerechnet in dem von ihnen beanspruchten Gebiet liegen die Quellen von Euphrat und Tigris, die für die Wasserversorgung der Türkei, des Iraks und von Syrien von entscheidender Bedeutung sind. Mehrfach, zuletzt 1990, standen militärische Auseinandersetzungen um die Ausbeutung dieser Flüsse kurz bevor. Und wenn die US-Amerikaner ihrem neuen Protektorat im Zweistromland eine gedeihliche Zukunft sichern wollen, werden sie auch in der Frage der Wassernutzung einen Konflikt mit der Türkei nicht vermeiden können. Bei soviel Konflikt- und Kriegspotential scheint ein Buch gerade zur rechten Zeit zu kommen, das sich dem globalen Geschäft mit dem Wasser widmet.
Als 1972 der "Club of Rome" die drohenden "Grenzen des Wachstums" aufzeigte, rückten Umweltschutz und nachhaltige Entwicklung ins Bewusstsein der Bevölkerung. Standen anfangs Fragen der Energieversorgung im Mittelpunkt, gerieten mit dem Aufschwung der Umweltbewegung die Qualität und Verfügbarkeit des Trinkwassers zunehmend in den Blickpunkt, so in Hans-Werner Krügers Studie "Trinkwasser. Ein Lebensmittel in Gefahr" von 1982.
Achtzehn Jahre später lieferten Robert Engelman, Bonnie Dye und Pamela LeRoy in ihrem im Jahr 2000 erschienenen Buch "Mensch. Wasser" eine Bestandsaufnahme der weltweiten Süßwasserversorgung. Sie zeigten die Auswirkungen von Liberalisierung und zunehmendem Wasserverbrauch auf das Gesundheitswesen, politische Konflikte und die Entwicklungsfähigkeit einzelner Regionen. Eine solide Vernetzung zwischen wissenschaftlichem Hintergrund, wirtschaftlichen Entwicklungen und politischen Konsequenzen gelang jedoch auch ihnen nicht.
Dies zu ändern, versprechen nun die kanadischen Publizisten Maude Barlow und Tony Clarke in ihrem soeben im Münchner Kunstmann-Verlag erschienenen Buch "Blaues Gold. Das globale Geschäft mit dem Wasser". Der rote Faden scheint auf den ersten Blick klar: Die drei Anfangskapitel sind übertitelt mit "Die Krise", die folgenden vier mit "Die Politik" und die abschließenden drei mit "Der Weg aus der Krise". Doch das klare Konzept verlieren die Autoren, generell durch eine Fülle von Redundanzen und ganz massiv in den ersten Kapiteln, die ein mitunter undurchschaubares Sammelsurium von Beispielen, Stimmungsmache und kitschiger Öko-Prosa sind:
Im weitesten Sinn gleicht das Wassernetz der Menschheit – Serben, Russen, Koyukon-Indianer, Amish, die eine Milliarde Seelen in der Volksrepublik China. Sie alle schweben in Gefahr, aber man weiß kaum, wie man helfen soll. [...] Der See ist wie dein Vetter, der Bach deine Schwester, der Teich ihr Kind. Mit deinem Abfluss aber bist du in guten wie in schlechten Tagen, in Krankheit und Gesundheit untrennbar verbunden.
Am Ende der Einleitung erklären die Autoren sich und beziehen eindeutig Stellung: Gegen die weltweite Privatisierung der Wasservorräte und gegen die Globalisierung im Allgemeinen.
Wir glauben, dass das Süßwasser der Erde und allen Lebewesen gehört und niemand das Recht hat, es sich zu Profitzwecken anzueignen. [...] In diesem Buch schildern wir [...] den Angriff der Konzerne auf das Gemeinschaftsgut Wasser und die Komplizenschaft von Regierungen und internationalen Institutionen beim Diebstahl des Süßwassers.
Diese klaren Worte wollen die Autoren in den ersten Kapiteln mit wissenschaftlichen Fakten untermauern. Doch schon bald tauchen Zweifel an einer sorgfältigen Recherche auf, etwa wenn die teilweise katastrophalen geografischen Vorstellungen offenbar werden. So liegt Marokko nicht, wie die kanadischen Publizisten vermuten, im Nahen Osten. Und der Aralsee grenzt weder heute noch tat er das früher an Afghanistan und den Iran.
Leider sind es nicht nur solche Schlampereien, die Argumentation verheddert sich mehrfach in Widersprüche und Schwarzmalerei. Die Autoren untergraben ihre in Teilen völlig unstrittigen Argumente vollends, wenn sie wissenschaftliche Ergebnisse überinterpretieren oder sich etwa bei der Schilderung von Folgen neugebauter Staudämme auf völlig unseriöse Spekulationen einlassen.
Die Gewichtsverlagerung, die durch das künstliche Aufstauen solcher Wassermassen entsteht, beeinflusst sogar die Erdrotation. Nach Ansicht mancher Geophysiker haben die großen Staudämme die Geschwindigkeit der Erdumdrehung und die Form des Gravitationsfelds bereits verändert.
Hier wird ganz bewusst und offensichtlich Panikmache betrieben. Da ist es auch kein Trost, dass der Überblick über die weltweit handelnden privaten Wasserversorger recht ordentlich gelungen ist. Schade nur, dass die jüngsten Veränderungen auf dem Wassermarkt, die durch den Konkurs des US-Versorgers Enron und die Umstrukturierungen im französischen Vivendi-Konzern ausgelöst wurden, keine Berücksichtigung mehr fanden.
Unter den Dutzenden von Beispielen für die Wasserknappheit und ihre Folgen in vielen Teilen der Welt fallen einige von besonderer politischer Brisanz auf. So schildern Barlow und Clarke, wie Äußerungen der jetzigen US-Regierung mit Argusaugen beim nördlichen Nachbarn verfolgt werden:
In Kanada herrscht seit langem die Befürchtung, die USA könnten ein begehrliches Auge auf das Wasser des Landes geworfen haben. Sollte in den Vereinigten Staaten das Wasser knapp werden und würden sich die Kanadier weigern, ihre Wasserreserven den USA zur Verfügung zu stellen, könnte das – so die Sorge mancher Kanadier – für die USA einer Kriegserklärung gleichkommen. Da trug es auch nicht gerade zur Beruhigung der Kanadier bei, dass Präsident George W. Bush im Juli 2001 kurz vor dem G8-Gipfel in Genua erklärte, er betrachte das kanadische Wasser als Teil der kanadischen Energiereserven, an denen in naher Zukunft die USA per Pipeline partizipieren sollten.
So gut wie nichts erfährt der Leser über die gerade in den vergangenen Jahren in Bewegung geratenen Liberalisierungspläne in Deutschland: den Streit zwischen Bundesregierung und Opposition, Ländern und Gemeinden und selbst innerhalb der Wasserversorgungsverbände.
Statt dessen warten die beiden Autoren mit einem Kanon von je zehn Prinzipien und Handlungsschritten für eine weltweit gerechte Verteilung der Wasservorräte auf. Fast alles glaubt man irgendwo schon einmal gelesen zu haben. Interessant sind immerhin folgende Überlegungen:
Wir brauchen dringend eine neue internationale Rechtsinstitution, deren Grundsatz der Schutz und die gerechte Verteilung des Wassers sind. Ein juristisch bindendes weltweites Wasserabkommen sollte nachhaltige Methoden der Wasserwirtschaft in weltweitem Maßstab vorschreiben.
Trotz solcher ehrenwerten Forderungen: Dieses Buch zur Liberalisierung des Wassermarktes erweist den Kritikern der multinationalen Konzerne einen Bärendienst: Es ist wissenschaftlich angreifbar, nutzt die Ängste der Menschen schamlos aus und bedient Klischees. Der sachlichen Diskussion über das lebenswichtige Thema Wasser mangelt es dadurch auch weiterhin an einem Buch, das den Bogen von den wissenschaftlichen Grundlagen über die wirtschaftlichen Entwicklungen bis hin zu den politischen Konsequenzen spannt.
Das wusste der ehemalige Außenminister Klaus Kinkel bereits im 20. Jahrhundert. Seit langem ahnt man, dass es ohne eine dauerhafte Einigung in der Wasserfrage keinen verlässlichen Frieden zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn geben wird. Die strategische Bedeutung des Rohstoffs Wasser dürfte jedoch auch und unter anderem ein Grund dafür sein, warum türkische Regierungen alle Autonomiebestrebungen der Kurden im Keim zu ersticken suchen. Denn ausgerechnet in dem von ihnen beanspruchten Gebiet liegen die Quellen von Euphrat und Tigris, die für die Wasserversorgung der Türkei, des Iraks und von Syrien von entscheidender Bedeutung sind. Mehrfach, zuletzt 1990, standen militärische Auseinandersetzungen um die Ausbeutung dieser Flüsse kurz bevor. Und wenn die US-Amerikaner ihrem neuen Protektorat im Zweistromland eine gedeihliche Zukunft sichern wollen, werden sie auch in der Frage der Wassernutzung einen Konflikt mit der Türkei nicht vermeiden können. Bei soviel Konflikt- und Kriegspotential scheint ein Buch gerade zur rechten Zeit zu kommen, das sich dem globalen Geschäft mit dem Wasser widmet.
Als 1972 der "Club of Rome" die drohenden "Grenzen des Wachstums" aufzeigte, rückten Umweltschutz und nachhaltige Entwicklung ins Bewusstsein der Bevölkerung. Standen anfangs Fragen der Energieversorgung im Mittelpunkt, gerieten mit dem Aufschwung der Umweltbewegung die Qualität und Verfügbarkeit des Trinkwassers zunehmend in den Blickpunkt, so in Hans-Werner Krügers Studie "Trinkwasser. Ein Lebensmittel in Gefahr" von 1982.
Achtzehn Jahre später lieferten Robert Engelman, Bonnie Dye und Pamela LeRoy in ihrem im Jahr 2000 erschienenen Buch "Mensch. Wasser" eine Bestandsaufnahme der weltweiten Süßwasserversorgung. Sie zeigten die Auswirkungen von Liberalisierung und zunehmendem Wasserverbrauch auf das Gesundheitswesen, politische Konflikte und die Entwicklungsfähigkeit einzelner Regionen. Eine solide Vernetzung zwischen wissenschaftlichem Hintergrund, wirtschaftlichen Entwicklungen und politischen Konsequenzen gelang jedoch auch ihnen nicht.
Dies zu ändern, versprechen nun die kanadischen Publizisten Maude Barlow und Tony Clarke in ihrem soeben im Münchner Kunstmann-Verlag erschienenen Buch "Blaues Gold. Das globale Geschäft mit dem Wasser". Der rote Faden scheint auf den ersten Blick klar: Die drei Anfangskapitel sind übertitelt mit "Die Krise", die folgenden vier mit "Die Politik" und die abschließenden drei mit "Der Weg aus der Krise". Doch das klare Konzept verlieren die Autoren, generell durch eine Fülle von Redundanzen und ganz massiv in den ersten Kapiteln, die ein mitunter undurchschaubares Sammelsurium von Beispielen, Stimmungsmache und kitschiger Öko-Prosa sind:
Im weitesten Sinn gleicht das Wassernetz der Menschheit – Serben, Russen, Koyukon-Indianer, Amish, die eine Milliarde Seelen in der Volksrepublik China. Sie alle schweben in Gefahr, aber man weiß kaum, wie man helfen soll. [...] Der See ist wie dein Vetter, der Bach deine Schwester, der Teich ihr Kind. Mit deinem Abfluss aber bist du in guten wie in schlechten Tagen, in Krankheit und Gesundheit untrennbar verbunden.
Am Ende der Einleitung erklären die Autoren sich und beziehen eindeutig Stellung: Gegen die weltweite Privatisierung der Wasservorräte und gegen die Globalisierung im Allgemeinen.
Wir glauben, dass das Süßwasser der Erde und allen Lebewesen gehört und niemand das Recht hat, es sich zu Profitzwecken anzueignen. [...] In diesem Buch schildern wir [...] den Angriff der Konzerne auf das Gemeinschaftsgut Wasser und die Komplizenschaft von Regierungen und internationalen Institutionen beim Diebstahl des Süßwassers.
Diese klaren Worte wollen die Autoren in den ersten Kapiteln mit wissenschaftlichen Fakten untermauern. Doch schon bald tauchen Zweifel an einer sorgfältigen Recherche auf, etwa wenn die teilweise katastrophalen geografischen Vorstellungen offenbar werden. So liegt Marokko nicht, wie die kanadischen Publizisten vermuten, im Nahen Osten. Und der Aralsee grenzt weder heute noch tat er das früher an Afghanistan und den Iran.
Leider sind es nicht nur solche Schlampereien, die Argumentation verheddert sich mehrfach in Widersprüche und Schwarzmalerei. Die Autoren untergraben ihre in Teilen völlig unstrittigen Argumente vollends, wenn sie wissenschaftliche Ergebnisse überinterpretieren oder sich etwa bei der Schilderung von Folgen neugebauter Staudämme auf völlig unseriöse Spekulationen einlassen.
Die Gewichtsverlagerung, die durch das künstliche Aufstauen solcher Wassermassen entsteht, beeinflusst sogar die Erdrotation. Nach Ansicht mancher Geophysiker haben die großen Staudämme die Geschwindigkeit der Erdumdrehung und die Form des Gravitationsfelds bereits verändert.
Hier wird ganz bewusst und offensichtlich Panikmache betrieben. Da ist es auch kein Trost, dass der Überblick über die weltweit handelnden privaten Wasserversorger recht ordentlich gelungen ist. Schade nur, dass die jüngsten Veränderungen auf dem Wassermarkt, die durch den Konkurs des US-Versorgers Enron und die Umstrukturierungen im französischen Vivendi-Konzern ausgelöst wurden, keine Berücksichtigung mehr fanden.
Unter den Dutzenden von Beispielen für die Wasserknappheit und ihre Folgen in vielen Teilen der Welt fallen einige von besonderer politischer Brisanz auf. So schildern Barlow und Clarke, wie Äußerungen der jetzigen US-Regierung mit Argusaugen beim nördlichen Nachbarn verfolgt werden:
In Kanada herrscht seit langem die Befürchtung, die USA könnten ein begehrliches Auge auf das Wasser des Landes geworfen haben. Sollte in den Vereinigten Staaten das Wasser knapp werden und würden sich die Kanadier weigern, ihre Wasserreserven den USA zur Verfügung zu stellen, könnte das – so die Sorge mancher Kanadier – für die USA einer Kriegserklärung gleichkommen. Da trug es auch nicht gerade zur Beruhigung der Kanadier bei, dass Präsident George W. Bush im Juli 2001 kurz vor dem G8-Gipfel in Genua erklärte, er betrachte das kanadische Wasser als Teil der kanadischen Energiereserven, an denen in naher Zukunft die USA per Pipeline partizipieren sollten.
So gut wie nichts erfährt der Leser über die gerade in den vergangenen Jahren in Bewegung geratenen Liberalisierungspläne in Deutschland: den Streit zwischen Bundesregierung und Opposition, Ländern und Gemeinden und selbst innerhalb der Wasserversorgungsverbände.
Statt dessen warten die beiden Autoren mit einem Kanon von je zehn Prinzipien und Handlungsschritten für eine weltweit gerechte Verteilung der Wasservorräte auf. Fast alles glaubt man irgendwo schon einmal gelesen zu haben. Interessant sind immerhin folgende Überlegungen:
Wir brauchen dringend eine neue internationale Rechtsinstitution, deren Grundsatz der Schutz und die gerechte Verteilung des Wassers sind. Ein juristisch bindendes weltweites Wasserabkommen sollte nachhaltige Methoden der Wasserwirtschaft in weltweitem Maßstab vorschreiben.
Trotz solcher ehrenwerten Forderungen: Dieses Buch zur Liberalisierung des Wassermarktes erweist den Kritikern der multinationalen Konzerne einen Bärendienst: Es ist wissenschaftlich angreifbar, nutzt die Ängste der Menschen schamlos aus und bedient Klischees. Der sachlichen Diskussion über das lebenswichtige Thema Wasser mangelt es dadurch auch weiterhin an einem Buch, das den Bogen von den wissenschaftlichen Grundlagen über die wirtschaftlichen Entwicklungen bis hin zu den politischen Konsequenzen spannt.