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Mauerblümchen mit großen Qualitäten

Genetik. - Die Genetiker haben eine Reihe von Schoßtieren und -pflanzen, deren Genom sie entschlüsselt haben. Die Ackerschmalwand Arabidopsis thaliana gehört dazu, weil sie aus den Biologielaboren kaum wegzudenken ist. Überdies ist sie der einzige Organismus, von dem genau bekannt ist, wo, wann und unter welchen Bedingungen die unterschiedlichen Gene aktiv sind.

Von Volkart Wildermuth |
    Eine Nutzpflanze kann für den Bauern gar nicht groß genug sein, schließlich soll sie ja reichlich Körner oder Knollen abwerfen. Die gerade mal 20 Zentimeter hohe Ackerschmalwand mit ihren winzigen, weißen Blüten und den dünnen Samenkapseln wird ihm kaum auffallen. Im Labor aber gelten andere Regeln meint Professor Mark Stitt vom Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie in Golm bei Potsdam.

    Arabidopsis ist sehr klein, man kann es im Grunde in einer Kaffeetasse anbauen und sein Lebenszyklus ist in sechs Wochen vorbei. Das heißt, man kann sehr viele Versuche mit sehr viele Individuen und oft wiederholt innerhalb eines Jahres in einem normalen Gewächshaus durchziehen.

    Und wenn man nicht in einem normalen Gewächshaus arbeitet, sondern in einer Klimakammer, in der das Thermostat ständig auf frostige Temperaturen eingestellt ist, dann kann Arabidopsis den Weg zu Eigenschaften weisen, die auch auf dem Acker von Bedeutung sind. Stitt:

    Kältetoleranz ist ein sehr komplexes Merkmal, da sind mit Sicherheit Hunderte, wenn nicht Tausende von Genen beteiligt. Aber man hat durch Forschung an Arabidopsis eine kleine Gruppe von Schaltproteine, die schalten ein breites Programm an, das die Frosttoleranz erhöht. Und das ist sozusagen diese Vereinfachung. Wenn ich einen Prozess haben, an dem Hunderte von Genen beteiligt sind, ist das eigentlich nicht zugänglich, aber wenn man das reduzieren und einen Teil dieses Prozess durch zwei oder drei Mastergene induzieren kann, dann hat man etwas, das ist zugänglich.

    Diese Frostgene wurden in Arabidopsis entdeckt, heute erprobt man in den USA schon Tomaten und Raps Varianten, die dank dieser Gene auch die Eisheiligen ohne Probleme überstehen. Mit Hilfe der Ackerschmalwand lassen sich aber auch wichtige Pflanzenkrankheiten untersuchen. Professor Dierk Scheel vom Leibniz Institut für Pflanzenbiochemie in Halle interessiert sich für die Kraut- und Knollenfäule, die ökonomisch bedeutendste Krankheit der Kartoffel, die gegen immer mehr Pflanzenschutzmittel resistent wird. Die Ackerschmalwand wird von dem Erreger, einem Pilz, nicht befallen. Warum, das möchte Dierk Scheel mit Hilfe von Arabidopsismutanten herausfinden, die doch ein wenig von diesem Pilz angegriffen werden. Bei einer der empfindlichen Mutanten funktioniert ein bestimmtes Eiweiß nicht richtig. Scheel:

    Es führt dazu, dass wir Veränderungen in der Zellwandstruktur der Pflanze haben und das erlaubt dem Krankheitserreger, etwas tiefer in das Pflanzengewebe einzudringen. Damit haben wir jetzt eigentlich die erste Schicht dieser Abwehr durch diese Mutation abgebaut und jetzt haben wir dieses Pflanzen wieder remutagenisiert, um an die nächste Schicht heran zu kommen. Und hier muss man sich dann im Endeffekt aus dem Reservoir an Genen, die man da isoliert, die effektivsten heraussuchen, um die biotechnologisch zu nutzen.

    Die schützenden Gene könnten mit Hilfe der grünen Gentechnik auch auf Nutzpflanzen übertragen werden. Das ist in Deutschland derzeit allerdings wenig populär. Beim Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie wurden gerade wieder ein Versuchsfeld mit genmanipulierten Kartoffeln zerstört. Der Arabidopsisforscher Professor Thomas Altmann ist davon überzeugt, dass die grüne Gentechnik auch dem Verbraucher große Vorteile bringen kann. Die Ängste, so hofft er, werden im Lauf der Zeit verschwinden.

    Ich denke, jeder, der Urlaub beispielsweise in den USA macht, geht ganz selbstverständlich dort in die Läden, kauft dort ein, isst Lebensmittel, die dort angeboten werden. Das ist jedem bekannt, dass dort transgene Produkte auf dem Markt sind und kein Mensch hat ein großes Problem damit. Ich denke, die direkte Konfrontation der Personen mit dieser Situation, das Umgehen damit und das Kennenlernen dieser Produkte wird einen ganz wesentlichen Wandel in der Wahrnehmung verursachen.

    Das braucht Zeit. Die an Arabidopsis gewonnenen Erkenntnisse lassen sich aber nicht nur in der Gentechnologie verwenden, sie können auch klassischen Züchtern helfen, schnell und gezielt vielversprechende Varianten von Kartoffel, Weizen oder Reis aufzuspüren. So oder so wird das Unkraut Arabidopsis in Zukunft nicht nur für das Labor, sondern auch für den Acker von Bedeutung sein.