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Maulkorb für den öffentlichen Rundfunk

Seit es vor über einem Jahrzehnt von dem Redemptoristen-Pater Tadeusz Rydzyk ins Leben gerufen wurde, zählt Radio Maria zu den meistgehörten polnischen Rundfunksendern.

Von Martin Sander |
    Neben Liturgie und Bibelexegese gehören Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit bei Radio Maria zur Grundausstattung. Den meisten polnischen Bischöfen ist der Sender schon länger ein Dorn im Auge. Den derzeit in Polen regierenden nationalkonservativen Politikern dient Radio Maria hingegen als eine Art Haussender.

    So ist Ministerpräsident Kazimierz Marcinkiewicz Dauergast in Pater Rydzyks Programm und betet auch schon einmal vor den Kameras des von Radio Maria ebenfalls betriebenen Fernsehkanals "Trwam". Die Vorliebe der polnischen Regierung für Radio Maria korrespondiert mit einer Abneigung gegen das öffentliche Radio und Fernsehen in seiner bisherigen Form. Aus der Sicht der neuen Mächtigen handelt es sich dabei um Hochburgen ungeliebten liberalen Gedankenguts sowie linker postkommunistischer Einflüsse. So erklärte kürzlich Zbigniew Wassermann, Minister für die Koordination der Geheimdienste, er fühle sich nur bei Radio Maria wie in einem freien Land. Stanisław Jędrzejewski, Medienwissenschaftler und Rundfunkjournalist mit Erfahrung in vielen leitenden Funktionen, wehrt sich dagegen:

    "Ich halte es für übertrieben, wenn Zbigniew Wassermann erklärt, er fühle sich nur bei Radio Maria wie in einem freien Land. Als Mitarbeiter des öffentlichen Radios kann ich jedenfalls versichern: Wir haben alles dafür getan, dass Politiker bei uns in ganz verschiedenen Sendungen auftreten und sich dabei frei fühlen konnten."

    Ende des vergangenen Jahres haben die Abgeordneten von Sejm und Senat eine Novelle zum Gesetz über Rundfunk und Fernsehen verabschiedet, mit der die Regierung stärkeren Einfluss auf alle elektronischen Medien gewinnen will, besonders aber auf die öffentlichen. Dies soll vor allem durch eine Umgestaltung des Landesrats für Radio und Fernsehen erreicht werden. Der Landesrat ist für die Vergabe von Konzessionen an einzelne Sender zuständig und entscheidet über deren Aufsichtsräte mit.

    Nach dem neuen Gesetz wird die Zahl der vom Parlament zu wählenden Mitglieder des Landesrats verringert – aus Kostengründen, wie es heißt. Politisch bedeutender: Der polnische Staatspräsident hat nun das Recht einen Leiter seiner Wahl zu ernennen. Überdies soll der neue Landesrat auch noch über ethische Standards in den elektronischen Medien wachen, was bisher eine Angelegenheit von Journalistenverbänden war.

    Kritiker wittern in dem neuen Medienrecht die Gefahr, dass die Regierung und der Staatspräsident die elektronischen Medien für sich instrumentalisieren - und das in einem weitaus stärkeren Maße, als es die im September abgewählte linke Regierung bereits getan hat. Dabei war die Institution des Landesrats ursprünglich zur Stärkung der Unabhängigkeit elektronischer Medien konzipiert worden. Stanisław Jędrzejewski war an der Gründung des Landesrates zu Beginn der neunziger Jahre maßgeblich beteiligt:

    " Mit dem Landesrat sollte in Polen damals ein Gremium geschaffen werden, das als Puffer zwischen den Politikern und den Medien funktioniert. "

    Neben den inhaltlichen Einwänden gegen das neue Mediengesetz werfen die Kritiker der Regierung auch ein übereiltes Verfahren vor. Stanisław Jędrzejewski bedauert:

    "Es ist schade, dass einer so bedeutenden Gesetzesänderung keine öffentliche Debatte vorausgegangen ist, besonders da es um die Überwachung von ethischen Standards geht, und umso mehr, als diese Standards nicht genau definiert wurden. "

    Inzwischen mehren sich die Zweifel, ob das neue Gesetz, das bereits Ende Dezember im Amtsblatt verkündet wurde, tatsächlich Rechtskraft besitzt. Es sei mit zahlreichen Verfahrensfehlern behaftet, sagen die Kritiker. Am Mittwoch dieser Woche hat der Sprecher für die Einhaltung der Menschenrechte in Polen, Andrzej Zoll, eine Verfassungsklage eingereicht. Das Verfassungsgericht könnte der nationalkonservativen polnischen Minderheitsregierung also noch einen Strich durch ihre medienpolitische Rechnung machen.