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Maulkorb für den Teufelszwirn

Biologie. - Parasiten und Schmarotzer sorgen für gewaltige Verluste in der Landwirtschaft. Um sie loszuwerden, helfen gerade bei Pflanzen meist nur Chemiekeule oder Kahlschlag. Und dabei sind die Parasiten nicht immer Insekten, sondern bisweilen, selbst Pflanzen. In Darmstadt haben Forscher für so einen Pflanzenparasiten ein sanfteres Gegenmittel gefunden. Sie entwaffnen ihn einfach.

Von Jan Friese | 08.02.2007
    "Und eine Gärtnerei hier in der Nähe ist auf uns zugekommen, die haben aus China Bonsai importiert, eine relativ große Menge an Bonsai, also mehrere 100, und die waren alle mit diesem Parasiten infiziert."

    Die wertvollen Pflanzen waren vom Teufelszwirn befallen, oder auch von Cuscuta reflexa, wie der Biologieprofessor Ralf Kaldenhoff aus Darmstadt den Parasiten bezeichnet. In dünnen, langen Bahnen schlängelt sich der Teufelszwirn um die von ihm befallene Pflanze und stiehlt ihr dabei Nährstoffe und Licht. Anders als normale Pflanzen bildet der Teufelszwirn nach dem Auskeimen weder Wurzeln noch ein Pflänzchen, sondern geht direkt auf die Suche nach einem Wirt. Kaldenhoff:

    "Man kann es sich also so vorstellen, als würde eine Schlange, eine pflanzliche Schlange, sich in Zeitlupe über den Boden winden, bis es auf einen Wirt trifft."

    Ohne einen solchen Wirt würde Cuscuta nach einigen Tagen sterben, denn er besitzt weder Wurzeln noch Blätter. Ohne Wurzeln kann er jedoch dem Erdreich kein Wasser entziehen und ohne Blätter keine Photosynthese betreiben.
    Um wachsen zu können, zapft Cuscuta stattdessen sämtliche Nährstoffe bei seinem Wirt ab. Kaldenhoff:

    "Sobald Kontakt zu dem Wirt aufgenommen wird, fängt Cuscuta an, so genannte Hysterien zu entwickeln, das sind Haftorgane. Im Zentrum dieser Haftorgane, werden dann, sagen wir mal, Zellschläuche ausgefahren. Sozusagen, die in den Wirt dann eindringen, das wird unterstützt durch Enzyme, die die Oberfläche des Wirtes aufweichen."

    Diese Enzyme sind es, die das Team des Biologen Kaldenhoff interessieren. Sie sind das "Einbruchswerkszeug" des Parasiten. In der Pflanzenhaut des Wirtes zerstören sie Proteine und Cuscuta dringt durch die entstehenden Schlupflöcher ein. Kaldenhoff:

    "Und eigentlich in einer Dreierdiskussion sind wir darauf gekommen und haben gesagt: OK, wenn das etwas ist, was Cuscuta abgibt und sozusagen ein Angriffsenzym ist, dann versuchen wir das doch einfach zu inhibieren und gucken, was passiert."

    Denn auch innerhalb des Teufelszwirns ist das Angriffs-Enzym zunächst noch inhibiert, also abgeschaltet. Wäre das nicht der Fall, würde es damit beginnen die eigenen Proteine zu zersetzen. Eine kleine Kette von Aminosäuren, ein so genanntes Peptid, blockiert stattdessen das Zentrum des Enzyms. Wie ein Maulkorb hält es das Enzym ruhig. Trifft der Parasit jedoch auf seinen Wirt, wird dieses "Maulkorb-Peptid abgespalten und das Enzym aktiv. Kaldenhoff:

    "Das Stückchen haben wir genommen, produzieren das in Bakterien, isolieren das ganze, und wenn wir das dann auf den potentiellen Wirt sprühen, der von Cuscuta zum Beispiel infiziert ist, dann kann Cuscuta dieses Angriffsenzym nicht mehr aktivieren, weil es das blockiert. Und Cuscuta fällt ab."

    Die Biologen stellen im Prinzip selbst den Maulkorb her und setzen ihn dem Cuscuta-Enzym wieder auf. Mit dieser Methode könnten in naher Zukunft, Ernteeinbußen in Millionenhöhe verhindert werden. Denn der Teufelszwirn sorgt nicht nur am Zier-Bonsai für große Schäden, auch in der Landwirtschaft ist er eine Gefahr. Kaldenhoff:

    "Probleme machen sie in wärmeren Regionen, rund um den Erdball, also angefangen in südlichem Nordamerika, Anbau bei Sojabohnen, Tomaten, Kartoffeln, ist also überhaupt nicht wählerisch, was den Wirt angeht."

    Für den Teufelszwirn ist es fast gleichgültig um welche Pflanze er sich schlängelt. Entfernen lässt sich er sich nur schwer, sobald er sich festgesetzt hat, verwächst er regelrecht mit der Pflanze. Derzeit spritzt man dagegen spezielle Unkrautvernichtungsmittel und mancher versucht ihn auch mit bloßer Hand von der Nutzpflanze abzuknibbeln. Kaldenhoff:

    "Also das ist vielleicht eine Sisyphus-Arbeit, dann."

    Denn wenn Reste des Teufelszwirns in oder an der Pflanze übersehen werden, kann er von neuem aus diesen sprießen. Die rein biologische Peptid-Lösung aus Darmstadt nimmt ihm stattdessen seine Werkzeuge ab und schaltet auch Überreste des Parasiten aus. In der Landwirtschaft könnte sie irgendwann mit Sprühflugzeugen ausgebracht werden, und im heimischen Garten mit der Sprühflasche. Kaldenhoff:

    "Schauen sie sich mal meine Bonsais nach der Behandlung an, und das war also eine einwöchige Behandlung, einmal am Tag besprüht, und dann sehen die so aus, und da ist gar nichts mehr, in der Vergrößerung. Natürlich sind da Narben übrig geblieben, weil Cuscuta ja massiv in das Gewebe eingedrungen ist, aber das, was da eingedrungen ist, ist weg und es kommt auch nicht wieder."