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Maut-Pläne
SPD droht bei Mehrbelastung deutscher Autofahrer mit Veto

Wenn die Kriterien im Koalitionsvertrag zur Pkw-Maut nicht erfüllt würden, "haben wir ein ernstes Problem", betonte SPD-Vizevorsitzender Thorsten Schäfer-Gümbel im DLF. Mit der SPD werde es keine Mehrbelastung für deutsche Autofahrer geben. Deshalb müsse Bundesverkehrsminister Dobrindt seinen Entwurf überarbeiten.

Thorsten Schäfer-Gümbel im Gespräch mit Christine Heuer | 02.12.2014
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    "Eine Mehrbelastung für deutsche Autofahrer wird es mit uns nicht geben", bekräftigte Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD) im Interview mit dem Deutschlandfunk. (Deutschlandradio)
    In der Vorlage, die noch im Dezember im Kabinett beschlossen werden soll, heißt es, dass künftige Änderungen der Infrastrukturabgabe (so der offizielle Name für die Maut-Pläne) losgelöst von der Kfz-Steuer erfolgen. Es gebe im Koalitionsvertrag jedoch die klare Vereinbarung, dass auf inländische Autofahrer keine weiteren Kosten zukämen, sagte der hessische SPD-Fraktionschef im Deutschlandfunk. Diese Kriterien müssten eingehalten werden, ansonsten riskiere die CSU einen Koalitionsstreit, so Thorsten Schäfer-Gümbel.
    "CSU riskiert Koalitionsstreit"
    Die "Süddeutsche Zeitung" hatte berichtet, deutschen Autofahrern drohten durch die Maut mittelfristig höhere Kosten. Künftige Erhöhungen der Abgabe würden nicht mehr über eine entsprechend niedrigere Kfz-Steuer ausgeglichen.

    Christine Heuer: Mit seiner PKW-Maut versucht der christ-soziale Verkehrsminister die Quadratur des Kreises. Alexander Dobrindt hat versprochen, deutsche Autofahrer nicht zusätzlich zu belasten, ausländische Autofahrer aber nicht zu diskriminieren. Jetzt wurde bekannt, wie das gelingen soll, indem nämlich die Entlastung der Deutschen bei der KFZ-Steuer nur bei Einführung der Maut garantiert wird. Danach soll gelten, worauf die EU Wert legt: Künftige Änderungen der Maut sollen losgelöst von der Kraftfahrzeugsteuer in Deutschland erfolgen. So steht es im Gesetzentwurf des Finanzministers, und das heißt nach Lesart der Kritiker: Ab der ersten Mauterhöhung bezahlen auch die Deutschen Dobrindts Ausländermaut.
    Am Telefon ist der stellvertretende SPD-Vorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel, Parteivorsitzender auch in Hessen und kein Freund der PKW-Maut. Guten Morgen, Herr Schäfer-Gümbel.
    Thorsten Schäfer-Gümbel: Einen wunderschönen guten Morgen.
    Heuer: Bricht die Union jetzt, was sie den Bürgern versprochen hat?
    Schäfer-Gümbel: Das werden wir dann sehen, wenn sie den Gesetzentwurf vorlegt. Es gibt im Koalitionsvertrag dazu klare Kriterien. Dazu gehört unter anderem, dass deutsche Autofahrerinnen und Autofahrer nicht mehr belastet werden. Und deswegen hat es gestern schon ein wenig gerappelt, als wir gehört haben, was da angeblich in diesem Gesetzentwurf von Herrn Schäuble drinsteht. Das wird es mit uns nicht geben.
    Heuer: Das ist ja gar nicht angeblich. Diesen Passus, über den die "Süddeutsche Zeitung" gestern berichtet hat, den hat die Bundesregierung ja bestätigt: Es wird eine Entkoppelung geben von der KFZ-Steuer und der Maut.
    "Den Streit riskiert an dieser Stelle die CSU"
    Schäfer-Gümbel: Genau. Und die sozialdemokratische Seite hat gestern auch klar erklärt, das wird es so nicht geben.
    Heuer: Sie sagen Nein.
    Schäfer-Gümbel: Wir haben klar gesagt, auch gestern mehrfach, Thomas Oppermann, diejenigen, die da fachlich näher dran sind, dass wir die Maut einführen, die nicht unser Projekt ist, sondern das ist eines der Projekte der CSU in diesem Koalitionsvertrag - wir hätten das auch ohne das Ding gemacht, wäre uns auch lieber gewesen, aber es ist eben so manchmal in Koalitionen, dass man Sachen mittragen muss, die einem selber nicht so richtig gefallen -, dass es dafür Kriterien gibt. Eines dieser Kriterien ist eine Diskriminierungsfreiheit für EU-Bürger, dass es auf der anderen Seite keine Mehrbelastung für deutsche Autofahrer gibt, und wenn das nicht erfüllt ist - und dafür kann es bei uns nicht nur um die Einführung gehen -, dann wird es das in dieser Form nicht geben können, und deswegen ist Herr Dobrindt aufgefordert, den Gesetzentwurf so vorzulegen, wie es der Koalitionsvertrag vorsieht. Ansonsten wird das alles extrem schwierig.
    Heuer: Damit, Herr Schäfer-Gümbel, riskieren Sie aber einen sehr großen Streit in der Großen Koalition.
    Schäfer-Gümbel: Nein. Den Streit riskiert an dieser Stelle die CSU und insbesondere Herr Dobrindt, der im Zweifelsfall einen Gesetzentwurf vorlegt, der dem Koalitionsvertrag nicht entspricht. Wir wollen den Koalitionsvertrag erfüllen. Da steht klipp und klar drin, es wird keine Mehrbelastung für deutsche Autofahrer geben, und wir erwarten, dass das umgesetzt wird.
    Heuer: Was müssen Dobrindt und Schäuble ändern an dem, was jetzt bekannt ist, damit die SPD Ja sagen kann?
    Schäfer-Gümbel: Es müssen genau die Kriterien des Koalitionsvertrages erfüllt sein. Das heißt, er muss diskriminierungsfrei sein. Das heißt, er muss EU-rechtlich durchgehen, weil das ja eine der großen Hürden ist. Und er darf zweitens deutsche Autofahrer nicht mehr belasten und es muss nennenswert Geld in die Kasse kommen, damit die notwendigen Investitionen in Straßen geleistet werden können. Das sind die drei Kriterien, die dezidiert im Koalitionsvertrag festgeschrieben sind. Mit dem, was jetzt bekannt geworden ist, ist mindestens eines der Kriterien nicht erfüllt. Das heißt, es ist in dieser Form nicht beschlussfähig, und deswegen muss nachgearbeitet werden. Ich kann Herrn Dobrindt nur dringend auffordern, dafür zu sorgen, dass der Koalitionsvertrag eingehalten wird. Wir wollen vertragstreu sein, aber dann muss es eben auch den Vorgaben des Koalitionsvertrages folgen.
    Heuer: Um das noch mal ganz konkret zu machen, Herr Schäfer-Gümbel. Die SPD stimmt nicht zu, solange die KFZ-Steuer nicht dauerhaft über 2017 hinaus an die Höhe der Maut gebunden ist.
    Schäfer-Gümbel: Wir können dem Mautgesetz nicht zustimmen, solange die Kriterien des Koalitionsvertrages nicht erfüllt sind. Und ich wiederhole sie gerne noch einmal, weil sie sind einfach und klar.
    Heuer: Nein, das haben wir jetzt verstanden.
    Schäfer-Gümbel: Okay, gut.
    Heuer: Nun sagt die Union aber, sie kann künftigen Gesetzgebern ja nicht vorgreifen. Da ist ja auch was dran.
    Schäfer-Gümbel: Das stimmt. Aber man muss es ja nicht in dem jetzigen Gesetzentwurf anlegen. Und zweitens: Wer dafür sorgen will, dass dauerhaft das nicht mehr passiert und dass die Union da ihre Spielereien nicht spielt, insbesondere die CSU, muss dafür sorgen, dass es bei der nächsten Bundestagswahl eine Mehrheit gibt ohne die CDU/CSU.
    Heuer: Die SPD regiert jetzt und vielleicht regiert sie ja auch nach 2017 im Bund.
    Schäfer-Gümbel: Daran arbeiten wir.
    Heuer: Und wenn es so kommt, wenn Sie erfolgreich arbeiten, Herr Schäfer-Gümbel, versprechen Sie dann für die SPD den Bürgern, dass sie niemals zusätzlich für die PKW-Maut bezahlen müssen?
    Schäfer-Gümbel: Also ich muss Ihnen sagen, das ist jetzt natürlich eine sehr hypothetische Frage, weil ich bin jetzt 45. Was in 45 Jahren passiert, wenn ich nicht mehr dabei bin, das kann ich Ihnen nicht sagen. Insofern ist Ihre Frage sehr spekulativ mit Blick auf die weite, weite Zukunft.
    "Wir wollten die Maut nicht"
    Heuer: Na, das geht so, weil Sie bestehen ja …
    Schäfer-Gümbel: Ich kann Ihnen aber sagen, dass die Sympathie für das Projekt Maut bei uns sehr übersichtlich ist und dass wir dieses Projekt nicht wollten. Deswegen glaube ich auch nicht, dass die SPD auf einem Bundesparteitag beschließt, dass die Maut in welcher Form auch immer 2017 in unserem Regierungsprogramm steht.
    Heuer: Das steht vielleicht nicht in Ihrem Regierungsprogramm, aber wenn sie dann beschlossen ist, lehrt die Erfahrung, dass jede Bundesregierung es sehr verlockend findet, Geld von den Bürgern zu nehmen, zusätzliches Geld. Deshalb die Frage an Sie: Wenn Sie so klar sagen, das darf nicht passieren, garantieren Sie für die SPD, dass Sie da nicht umschwenken irgendwann, wenn es gerade mal die Kassenlage hergibt?
    Schäfer-Gümbel: Ich finde, wir sollten jetzt mal redlich bleiben, und Spekulationen über einen Tag X, an denen kann ich mich gar nicht beteiligen, weil das unredlich wäre. Wir wollen die Maut nicht. Dazu stehen wir jetzt, das haben wir klar gesagt. Wir haben uns im Koalitionsvertrag verpflichtet, eine Maut mitzumachen, die drei Kriterien erfüllt. Wenn diese nicht erfüllt sind, können wir sie nicht mitmachen. Und die Maut ist nicht unser Projekt. Deswegen gehe ich weder davon aus, dass sie im Regierungsprogramm 2017 steht, noch, dass wir sie danach politisch wollen.
    Was die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land entscheiden mit Blick auf Koalitionen und sonstiges nach dem Jahr 2017, das haben weder sie in der Hand, noch ich, außer beide in der jeweiligen Wahlkabine, und ich weiß, wo ich mein Kreuz mache, um das in Zukunft zu verhindern.
    Heuer: Ihre Voraussage, Herr Schäfer-Gümbel: Kommt die Maut, ob zu Weihnachten, kurz davor oder kurz danach, oder kommt sie nicht?
    Schäfer-Gümbel: Die Maut wird kommen, wenn die Bedingungen des Koalitionsvertrages erfüllt sind. Das sind sie nach Lage der Dinge derzeit nicht.
    Heuer: Wenn die Maut kommt, wird das Geld dann wirklich nur für die Verkehrsinfrastruktur ausgegeben?
    Schäfer-Gümbel: So haben wir uns verpflichtet.
    Heuer: Und die Bürger dürfen dann hoffen, dass der Soli vielleicht doch nicht bleibt, oder jedenfalls nicht im bisherigen Umfang, weil ja schon ein bisschen Geld für die Infrastruktur und den Aufbau West über die Maut reinkommt?
    Schäfer-Gümbel: Also jetzt vermischen wir mal nicht alles.
    Heuer: Hat ja immer alles mit allem zu tun.
    Schäfer-Gümbel: Das stimmt, aber wenn Sie mir jetzt noch zehn Minuten Interview-Zeit einräumen, dann werden wir auch gerne über diesen Punkt noch mal, was die Frage des Soli angeht, diskutieren. Aber Sie müssen zum Beispiel sehen: Alleine in Hessen - wir haben ja ein eigenes Gutachten machen lassen - ist der Sanierungs- und Modernisierungsbedarf auf Straße und Schiene bis Ende 2020 bei etwa zehn Milliarden Euro. Das Land Hessen wendet derzeit etwa 100 Millionen auf. Der Bund erheblich mehr, aber es reicht vorne und hinten nicht. Das heißt, mit der Maut alleine, selbst wenn die Bedingungen des Koalitionsvertrages erfüllt sind, werden wir das Investitionsproblem nicht lösen.
    Heuer: Wenn die Maut nicht kommt, wenn die SPD dieses Projekt tatsächlich scheitern lässt, wo holen Sie dann das nötige Geld her, das damit flachfällt?
    Schäfer-Gümbel: Wir wollen das Projekt der Maut nicht scheitern lassen. Wir wollen, dass die Bedingungen des Koalitionsvertrages eingehalten werden.
    Heuer: Aber nehmen wir nur mal an, das klappt nicht …
    Schäfer-Gümbel: Nein, nein, nein, nein! Wir werden jetzt mal nicht spekulieren über Sachen, die umgelegt sind, sondern wir erwarten, dass der Koalitionsvertrag umgesetzt wird, und dann wird alles so kommen, wie wir es miteinander verabredet haben. Da ist der Herr Dobrindt in der Pflicht, die Bedingungen des Koalitionsvertrages jetzt zu erfüllen.
    Heuer: Herr Schäfer-Gümbel, aber Sie haben uns heute gesagt, wenn Dobrindt nicht nachliefert, dann sagt die SPD Nein. Gehen wir den Fall nur kurz durch, steht ja kurz vor der Tür.
    Schäfer-Gümbel: Nein!
    Heuer: Wenn die Maut nicht kommt, woher kommt dann das Geld?
    Schäfer-Gümbel: Ich kann ja verstehen, dass Sie jetzt sozusagen entfreite Spekulationen abwenden wollen und abwandern wollen, um alles Mögliche an Szenarien durchzudeklinieren. Ich sage Ihnen noch einmal: Wir haben drei Kriterien definiert für die Einführung einer Maut. Wenn diese Bedingungen erfüllt sind, wird es die Maut geben. Dazu ist Herr Dobrindt in der Verantwortung, mit Herrn Schäuble einen Gesetzentwurf vorzulegen, der das tut. Dann wird die Maut kommen. Wenn die Bedingungen nicht erfüllt sind, dann haben wir ein ernstes Problem.
    Heuer: Thorsten Schäfer-Gümbel, stellvertretender Vorsitzender der SPD im Bund und Vorsitzender der SPD in Hessen. Herr Schäfer-Gümbel, danke fürs Gespräch.
    Schäfer-Gümbel: Gern geschehen. Schönen Tag noch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.