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Max Beckmann als Porträtist

Das Museum der bildenden Künste in Leipzig hat für die Ausstellung "Max Beckmann. Von Angesicht zu Angesicht" mehr als 200 Gemälde, Skizzen und Studien zusammengetragen. Die Arbeiten zeigen die Entwicklung von der ersten Skizze bis zum fertigen Porträt.

Von Carsten Probst | 19.09.2011
    Wer bei Max Beckmann das Wort "Porträt" hört, denkt vermutlich zuerst an seine beeindruckenden Selbstbildnisse, mit denen er in seinen verschiedenen Werkphasen sein eigenes Künstlersein im Kontext der jeweiligen Zeitgeschichte reflektiert. Einige davon sind auch in dieser Ausstellung zu sehen: Das berühmte "Selbstbildnis mit rotem Schal" von 1917 aus der Staatsgalerie Stuttgart etwa, das den Künstler im malerischen Furor unmittelbar nach seiner Soldatenzeit im Ersten Weltkrieg an der Leinwand zeigt, oder das nicht weniger herausragende "Selbstbildnis als Clown" von 1921, das man aus Wuppertal ausgeliehen hat. Oder die stets als dunkel und depressiv beschriebenen Selbstporträts aus dem Amsterdamer Exil Ende der 30- und Anfang der 40-Jahre. Es braucht nicht viel Fachkenntnis, um zu spüren, dass diese Bilder sich an inhaltlicher Dichte abheben von Porträts anderer Personen, die Beckmann in großer Zahl während seines Malerlebens aus verschiedenen Gründen produziert hat, in der Regel jedoch, weil, wie Beckmann von sich selbst sagte, seiner Malerei allein die Lebendigkeit fehle und er daher für seine Figuren immer lebendige Vorbilder als Figurenmaterial für seine großen Kompositionen brauche.

    "Eine solche Ausstellung ist eine ganz vornehme Hausaufgabe für das Museum der bildenden Künste"",

    sagt Kurator Hans-Werner Schmidt vor der Eröffnung, und man glaubt im selben Moment, schon einmal leidenschaftlichere Begründungen für eine Ausstellung gehört zu haben. Als Direktor des Museums der bildenden Künste in Leipzig, mittlerweile einem der Hauptorte für die Beckmann-Forschung, weiß Schmidt natürlich, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse über Beckmanns Porträts eher formale Fragen seiner malerischen Komposition betreffen und für ein breites Publikum wenig reizvoll sind. Beckmann erprobte an ihnen Figurenkonstellationen, setzte die entsprechenden Figuren aber mehr oder weniger willkürlich immer wieder in neuen Bildern ein, ohne dass sich Beckmanns private Beziehungen oder Lebensstationen herauslesen lassen könnten oder man am Ende sogar etwas über das Intimleben des Künstlers erfährt. Das bekräftigt nicht zuletzt auch der einstige Direktor der Hamburger Kunsthalle, Uwe M. Schneede, in seinem Katalogtext. Aber, so mag sich Hans-Werner Schmidt gedacht haben, um das Publikum ein wenig zu locken, kann es vielleicht nicht schaden, wenigstens so zu tun, als ob.

    "Besucher interessieren sich für Gesichter und vor allen Dingen Geschichten, die mit diesen Gesichtern verbunden sind. Was ist ein 'Who is Who' in Beckmanns Leben? Ungefähr zweihundert Werke sind in dieser Ausstellung zusammengekommen, die Beckmanns persönliches Umfeld, seinen Kosmos an Beziehungen und Bekanntschaften hier darstellen."

    Ein nicht unerheblicher Anteil des Kataloges widmet sich darum auch der Fleißarbeit, alle in Beckmanns Porträts auftauchenden Figuren möglichst auf ihre historischen Vorbilder zurückzuführen. Der Besucher, wenn er mit diesem Verzeichnis durch die Ausstellung geht, wäre also vornehmlich mit dem Studium zahlloser Biografien beschäftigt und mit der eher spekulativen Frage, was Beckmann mit seinem Porträt über diese Person und seine Beziehung zu ihr mitteilen wollte. Aber nur selten kommt man dabei den begehrten intimen Anekdoten auf die Spur - wie in jenen Bildern, in denen Beckmann das Porträt seiner ersten Frau, Minna Beckmann-Tube, gegen das seiner zweiten, Mathilde von Kaulbach, genannt Quappi ausgetauscht hat, ohne den sonstigen Körper zu verändern. Natürlich, am Ende bleibt eine Beckmann-Ausstellung eine Beckmann-Ausstellung mit prachtvollen Werken. Doch das Gefühl der Redundanz, das sich einstellt, zeigt eher, dass Leipzig sich im Beckmann-Jahr hinter Basel und der im Oktober eröffnenden Ausstellung im Frankfurter Städel einreihen musste.