Selten dürfte ein Gedenktag der letzten Jahre so sinnvoll gewesen sein wie dieser - denn Max Klinger zählt heute zweifellos zu den am meisten zu unrecht vergessenen Künstlern, und sein Einfluss auf die Kunst der Moderne kann aus heutiger Sicht gar nicht überschätzt werden.
Das Leipziger Museum der Bildenden Künste tut mit seiner großen Ausstellung das einzig Richtige, indem es Klingers Werk im Kontext seiner wichtigsten Impulse und Nachfolger zeigt. Denn vor allem ist dies auch eine Ausstellung über die Rezeptionsgeschichte der modernen Kunst und dadurch um ein Vielfaches erhellender, als wenn man Klingers Werk allein ausgestellt hätte.
Es beginnt schon mit der eigentlich marginalen Geschichte seiner Rezeption im deutschen Expressionismus, insbesondere bei den Dresdner Brücke-Künstlern um Max Pechstein. Diese lehnten Klingers raffiniert gezeichnetes, zunehmend aus hybriden Montagen verschiedener Genres bestehendes Werk ab, weil es ihnen "zu durchdacht" und "naturalistisch" erschien, während sich ihrer Ansicht nach bekanntlich Kunst nur aus unmittelbarer Empfindung speisen durfte. Mit dem Tod des Leipzigers im Jahr 1920 geriet sein Werk beinah folgerichtig sofort in Vergessenheit. Berühmt-berüchtigt ist das Diktum Julius Meier-Gräfes, wonach Max Klinger es verdiene, nun endgültig begraben zu werden.
Während des Dritten Reiches widerfuhr Klinger dann auch noch das posthume Unglück, von den Nazis wegen deren Vorliebe für Darstellungen nackter Körper als "arisch-heroisch" vereinnahmt zu werden, während die Expressionisten als "entartet" galten. Was wiederum zur Folge hatte, dass "Brücke" und "Blauer Reiter" nach dem Krieg in der damaligen Bundesrepublik gleichsam als schlechtes Gewissen der untergegangenen deutschen Kulturnation zu Ikonen des demokratischen Deutschlands umgedeutet wurden, während Klinger als angeblich protofaschistischer Künstler nun tatsächlich für immer begraben zu sein schien.
Und vermutlich ist es auch allein der deutschen Wiedervereinigung zu danken, dass sich die alten Vorurteile allmählich aufzulösen beginnen. Auch wenn es wie eine Ironie der Geschichte anmuten mag, dass ausgerechnet das Phänomen der jungen Leipziger Schule, die ihrerseits gerade zur Ikonenkunst der "Berliner Republik" geworden ist, dafür sorgt, dass Max Klinger als Leipziger wieder ins öffentliche Bewusstsein rückt. Heute kann man ihn eben als eine Art künstlerischen Großvater Neo Rauchs verkaufen, ungeachtet des innovativen Gefälles zwischen diesen beiden.
Klingers Werk als Zeichner, Maler, Bildhauer, Gesamtkunstwerksarrangeur und Netzwerker ist von einer Komplexität, die bis heute nur schwer zu erfassen ist. Es sprüht vor lauter Bildinnovationen und neuartigen Bildtypen, vor kühnen, manchmal fast aberwitzigen Material- und Bildkollagen, ohne dabei je in das für seine Zeit typische, schwärmerische Naturgebet zu verfallen. Bei aller überbordenden Erfindungsgabe haftet seiner Kunst immer eine sachliche Strenge an, die nichts mit dem dekorativen Pathos des Jugendstils zu tun hat, auch nicht mit dem Raunen der Symbolisten und noch viel weniger mit dem Heroismus eines Arno Breker, die sich gleichwohl allesamt zu ihrer Zeit auf Klinger beriefen.
Diese figürliche Strenge, der erfinderische Witz und zugleich die Besessenheit von manchmal verrückt anmutenden Details lässt heute dagegen einen Salvadore Dalí als einen seiner konsequentesten künstlerischen Erben erscheinen, was die Leipziger Ausstellung überaus plausibel vor Augen führt. Nicht weniger augenscheinlich sind die Parallelen zum dadaistischen Werk von Max Ernst, auch wenn dieser sich nie explizit auf Klinger berufen hat.
Giorgio de Chirico dagegen hielt Klinger für den "modernen Künstler schlechthin", und zwar signifikanterweise weniger wegen seines Werkes selbst, als wegen seiner künstlerischen Persönlichkeit. In Leipzig wird dadurch gleichsam nebenbei das Werk des italienischen Surrealisten mit seinen immer wieder auftauchenden Zitaten der Antike in ein anderes Licht gerückt. Denn wie bei Klinger erscheinen Vergangenheit und Tradition bei de Chirico nun plötzlich als Traumwelten in einer entleerten Gegenwart, nicht als Anbetung der Tradition. Es sind Träume, die bei Klinger durchaus auch zu Alpträumen werden konnten.
Sein wesentliches Thema war ohnehin der Traum, er diente ihm als Mittel zur Hinterfragung der Realität des Bildes und der Wahrnehmung. So mag hinter der reflexhaften Ablehnung seines Werkes durch die Expressionisten durchaus auch ein gewisser Neid gestanden haben. Denn Klinger hatte Jahrzehnte früher als sie "das" Thema für die Kunst des 20. Jahrhunderts formuliert.
Das Leipziger Museum der Bildenden Künste tut mit seiner großen Ausstellung das einzig Richtige, indem es Klingers Werk im Kontext seiner wichtigsten Impulse und Nachfolger zeigt. Denn vor allem ist dies auch eine Ausstellung über die Rezeptionsgeschichte der modernen Kunst und dadurch um ein Vielfaches erhellender, als wenn man Klingers Werk allein ausgestellt hätte.
Es beginnt schon mit der eigentlich marginalen Geschichte seiner Rezeption im deutschen Expressionismus, insbesondere bei den Dresdner Brücke-Künstlern um Max Pechstein. Diese lehnten Klingers raffiniert gezeichnetes, zunehmend aus hybriden Montagen verschiedener Genres bestehendes Werk ab, weil es ihnen "zu durchdacht" und "naturalistisch" erschien, während sich ihrer Ansicht nach bekanntlich Kunst nur aus unmittelbarer Empfindung speisen durfte. Mit dem Tod des Leipzigers im Jahr 1920 geriet sein Werk beinah folgerichtig sofort in Vergessenheit. Berühmt-berüchtigt ist das Diktum Julius Meier-Gräfes, wonach Max Klinger es verdiene, nun endgültig begraben zu werden.
Während des Dritten Reiches widerfuhr Klinger dann auch noch das posthume Unglück, von den Nazis wegen deren Vorliebe für Darstellungen nackter Körper als "arisch-heroisch" vereinnahmt zu werden, während die Expressionisten als "entartet" galten. Was wiederum zur Folge hatte, dass "Brücke" und "Blauer Reiter" nach dem Krieg in der damaligen Bundesrepublik gleichsam als schlechtes Gewissen der untergegangenen deutschen Kulturnation zu Ikonen des demokratischen Deutschlands umgedeutet wurden, während Klinger als angeblich protofaschistischer Künstler nun tatsächlich für immer begraben zu sein schien.
Und vermutlich ist es auch allein der deutschen Wiedervereinigung zu danken, dass sich die alten Vorurteile allmählich aufzulösen beginnen. Auch wenn es wie eine Ironie der Geschichte anmuten mag, dass ausgerechnet das Phänomen der jungen Leipziger Schule, die ihrerseits gerade zur Ikonenkunst der "Berliner Republik" geworden ist, dafür sorgt, dass Max Klinger als Leipziger wieder ins öffentliche Bewusstsein rückt. Heute kann man ihn eben als eine Art künstlerischen Großvater Neo Rauchs verkaufen, ungeachtet des innovativen Gefälles zwischen diesen beiden.
Klingers Werk als Zeichner, Maler, Bildhauer, Gesamtkunstwerksarrangeur und Netzwerker ist von einer Komplexität, die bis heute nur schwer zu erfassen ist. Es sprüht vor lauter Bildinnovationen und neuartigen Bildtypen, vor kühnen, manchmal fast aberwitzigen Material- und Bildkollagen, ohne dabei je in das für seine Zeit typische, schwärmerische Naturgebet zu verfallen. Bei aller überbordenden Erfindungsgabe haftet seiner Kunst immer eine sachliche Strenge an, die nichts mit dem dekorativen Pathos des Jugendstils zu tun hat, auch nicht mit dem Raunen der Symbolisten und noch viel weniger mit dem Heroismus eines Arno Breker, die sich gleichwohl allesamt zu ihrer Zeit auf Klinger beriefen.
Diese figürliche Strenge, der erfinderische Witz und zugleich die Besessenheit von manchmal verrückt anmutenden Details lässt heute dagegen einen Salvadore Dalí als einen seiner konsequentesten künstlerischen Erben erscheinen, was die Leipziger Ausstellung überaus plausibel vor Augen führt. Nicht weniger augenscheinlich sind die Parallelen zum dadaistischen Werk von Max Ernst, auch wenn dieser sich nie explizit auf Klinger berufen hat.
Giorgio de Chirico dagegen hielt Klinger für den "modernen Künstler schlechthin", und zwar signifikanterweise weniger wegen seines Werkes selbst, als wegen seiner künstlerischen Persönlichkeit. In Leipzig wird dadurch gleichsam nebenbei das Werk des italienischen Surrealisten mit seinen immer wieder auftauchenden Zitaten der Antike in ein anderes Licht gerückt. Denn wie bei Klinger erscheinen Vergangenheit und Tradition bei de Chirico nun plötzlich als Traumwelten in einer entleerten Gegenwart, nicht als Anbetung der Tradition. Es sind Träume, die bei Klinger durchaus auch zu Alpträumen werden konnten.
Sein wesentliches Thema war ohnehin der Traum, er diente ihm als Mittel zur Hinterfragung der Realität des Bildes und der Wahrnehmung. So mag hinter der reflexhaften Ablehnung seines Werkes durch die Expressionisten durchaus auch ein gewisser Neid gestanden haben. Denn Klinger hatte Jahrzehnte früher als sie "das" Thema für die Kunst des 20. Jahrhunderts formuliert.