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Max und Monty

Als die deutsche Filmindustrie vor einigen Jahren ihren komödiantischen Aufschwung nahm und allmählich ihre Finger in Richtung Weltmarkt ausstreckte, mußte sie eine herbe Niederlage einstecken. Was da so treudeutsch-lustig über die Leinwände flimmerte und Jungregisseure zu Jungstars machte, rief schon in den unmittelbaren Nachbarstaaten verständnisloses Schulterzucken hervor. Die alten Hasen der Branche haben dafür ein deftiges Wort: "Filme, die man an der Grenze verbrennen muß". Seit jeher läßt sich mit deutscher Lachkultur international kein Pferdeapfel gewinnen. Ob Heinz Erhard oder Otto Waalkes, Loriot oder Helge Schneider, alle gehen sie im Ausland baden. Das schmerzt besonders, weil sich auf der Gegenfahrbahn die Importe stauen. Es scheint so gut wie keinen Nationalhumor zu geben, über den der Deutsche nicht lachen kann, aber seinen eigenen findet kein anderer komisch. Grund genug, zwei Kriege zu entfachen, um dem deutschen Humor endlich die ihm zustehende Weltgeltung zukommen zu lassen.

Florian Felix Weyh |
    Ein solche Sottise, wie könnte es auch anders sein, entstammt dem britischen Sprachraum. Wenn es etwas gibt, das Deutsche und Briten gegenseitig entfremdet, dann die Lachkultur. Der Brite hält sich für humorvoll, den Deutschen hingegen für tiefsinnig bis verbiestert. Der Deutsche gibt zu, humorlos zu sein (zumindest ist er tief im Innersten davon überzeugt, auch wenn er gerne auf das Gegenbeispiel Karneval verweist), und befleißigt sich als Leistungsethiker, den europäischen Führungshumor aus England sachgerecht zu imitieren – was notgedrungen mißlingen muß, weil der Deutsche zu Overstatement neigt, eine Haltung, mit der sich britisches Understatement kaum simulieren läßt. Schon sind wir mitten in den Ausführungen von Hans-Dieter Gelfert, einem Berliner Anglisten mit Hang zum Populären. "Max und Monty" nennt er seine "kleine Geschichte des englischen und deutschen Humors", und nach der Lektüre ist man um ein paar kluge Einsichten reicher. Während sich der Engländer über die Jahrhunderte einen Bürgerwitz bewahrte, gelangte der Deutsche – mangels emanzipatorischem Geschick – erst jüngst, nämlich im letzten Jahrhundert, zum Staatsbürgerwitz. Shakespeares fünfhundert Jahre alte Falstaff-Figur funktioniert in England bis heute, weil sich der Typus des breitbeinig im Leben stehenden Indvidualisten in jeder Generation reproduziert. Die kaum hundert Jahre alte deutsche Kultfigur "Leberecht Hühnchen" verschwand mit dem Untergang des Wilhelminismus gänzlich. So zeichnen die Schwankungen des deutschen Humors exakt die politischen Wechselbäder nach – wer seinen Witz nach Staatsbürgerart ausrichtet, verpflichtet sich dem herrschenden System, nicht zivilen bürgerlichen Werten.

    Eine ganze Liste von Gegensatzpaaren macht diese deutsch-britische Kluft unübersehbar, und leider schneiden wir Teutonen dabei nicht besonders gut ab. Unser Humor ist ernsthaft, der des Engländers spielerisch. Wir witzeln moralisierend, die Briten respektlos; hie das Rechthaberische, da die Selbstironie, hie die Frontalattacke, da die versteckte Bosheit. Das beste, was man über Deutschland herauslesen kann, ist die Sehnsucht, den der Obrigkeit verpflichteten Staatsbürgerhumor endlich abzustreifen. Hans-Dieter Gelfert prägt zwei einleuchtende Begriffe für den Unterschied: top down und bottom up. Selbstbewußt von unten heraufzuschauen und die Autoritäten, wenn nötig, durch Spott und Satire zu beschädigen – das ist der bottom-up-Ansatz des englischen Humors. Sich vorsorglich mit Autoritäten zu identifizieren und Witze vor dem Hintergrund einer universellen Moral zu machen, markiert die deutsche top-down-Position. Stilistisch geht dieser Charakterzug weit über den Rahmen des Komischen hinaus. Alle Größen unseres literarischen Kanons protzen und prunken mit ihrem Können, ihrer Belesenheit und Zitierwut; bei Thomas Mann ist Ironie immer nur dick aufgetragen zu haben. Dagegen würde es ein Gentleman von der Insel nie wagen, seine Virtuosität oder Bildung öffentlich auszustellen.

    "Max und Monty" gehört zu den erfreulichen Grenzüberschreitungen zwischen Wissenschaft und Sachbuch, wie sie im angloamerikanischen Raum die Regel sind, hier aber den Erfordernissen des wissenschaftliches Overstatements nicht genügen. Insofern schreibt Hans-Dieter Gelfert auch in eigener Sache. Das gelingt ihm flüssig und im besten Sinne instruktiv; über die Auswahl der Beispiele kann man naturgemäß streiten. Nur ein Versäumnis muß man dem Autor wirklich ankreiden: Wo ist der tödliche Witz von Monty Python, mit dem die Deutschen den Zweiten Weltkrieg gewinnen wollten? Seine Mechanik – wer ihn erzählt, lacht sich tot – illustriert nämlich beispielhaft die britische Einschätzung deutscher Lachkultur; drum sei er hier nachgereicht. Er besteht, wie kann es anders sein, aus einer Verballhornung deutsch klingender Silben und lautet, Zungenbrecher: "Venn ist das nurnstuck git und Slotermeyer? Ya! Beigerhund oder das die Flipperwaldt gersput!" Aber pschscht! Nicht weitersagen.