Das allerdings musste Andreas Kriegenburg nicht entdecken in Millers Text, der ja immer wieder neue Boom-Phasen der Interpretation erfahren hat, in jüngerer und jüngster Zeit vor allem im historischen und gedanklichen Zusammenspiel mit der Wiederkehr der Fundamentalismen nicht nur des Islam. Kriegenburgs Inszenierung betont jedoch das Offensichtliche auf sehr grundsätzliche Weise und setzt erstaunliche Akzente und Gewichtungen, die den Umgang mit Millers "Hexenjagd" durchaus nicht leicht und einfach machen. Der "Klassiker zum Wiedererkennen", wie ihn hier ja mal ein mittlerweile sprichwörtlicher Bürgermeister forderte, ist auch dies nicht.
Kriegenburg zeigt etwa zu Beginn, beinahe stumm, nur mit schwerem Atmen unterlegt, den Anlass für die Apokalypse von Salem, jenen Tanz der Mädchen im Wald als einfachen Ritus, vielleicht einen der erwachenden sexuellen Fruchtbarkeit der Heranwachsenden. Eine ganz und gar weiß geschminkte Schamanin gibt barbusig den Takt vor. Nach dem eher lieblichen Exzess ertappt und zur Rede gestellt, reagieren die Mädchen von nun an nurmehr als Chor, ausgenommen die, die am weitesten ging und die sich stumm und gelähmt stellt. Auf sie reagiert nun auch ganz Salem, und nicht nur ihr Vater, der ängstliche Pastor, im Chor.
Einer lacht über die Hysterie, die jetzt ausbricht. Da es aber um ihn geht, diesen biederen Freigeist John Proctor, der gleichzeitig das Objekt der Begierde war und ist für die Anführerin der tanzenden Mädchen, und er dieser Gier auch schon nachgab, beginnt mit seinem vernünftigen Einwand die Orgie der Denunziationen, die schließlich das halbe Dorf, auch Proctor, an den Galgen bringen werden.
Kriegenburg betont stark die ausserreligösen Motive der Vorgänge, vor allem die wachsende sexuelle Besitzgier von Proctors einstigem Hausmädchen Abigail, das er (oder das ihn) verführte. Zugleich aber gibt er auch deren Anti-Figur viel Raum, jener Schmerzensmutter, Gattin des reichsten Grundbesitzers am Ort, die bei acht Geburten sieben Kinder verlor. Rational und irrational im selben Atemzug sind die Beweggründe. Sie verselbständigen sich aber nur in einer Gesellschaft, die -geschürt durch Missgunst, Neid und Eitelkeit, und noch ein paar Todsünden mehr - den schlammigen Bodensatz bildet für den kollektiven Exzess. Überhaupt und immer wieder: Der Chor; selbst der Besetzungszettel verzeichnet keine Rollen, nur - wie bei Einar Schleef selig - das Text-Kollektiv.
Starke Bilder setzt die Inszenierung für diesen kollektiven Zustand, wenn das ganze Dorf (bis auf die fremde Geisterbeschwörerin Tituba und eine todgeweihte Alte am Schluss) radikal schwarz trägt in Andrea Schraads Kostümen und noch die Haare der Mädchen fundamental finster sind; wenn die zunehmend mordgierigen Männer Benzinkanister aneinander schlagen wie die Boten des Jüngsten Gerichtes, die jedermann ankündigen, dass hier bald der Geruch verbrannter Leiber schwelen wird; wenn auf der hinteren Bühnenwand rabiat-abstrakte Hinrichtungszeichnungen von Stefan Pertschi aufleuchten. Vor jedem neuen Bild ertönt ein Schlag, der wie eine sehr kräftige Peitsche klingt, oder als sei die Schneide der Guillotine herunter gerauscht, oder als seien mit einem Knall sämtliche Sicherungen des Theaters heraus geflogen.
Stark, das alles, sehr stark; ganz ohne Modernisierung, ohne platte Tricks. Doch dann ist plötzlich Schluss, lang bevor Schluss ist. Proctors letztes kluges, selbstanklägerisches Wort vor Gericht ist das letzte ernsthafte des Stücks. Danach verfallen der oberste Richter und seine Entourage in alberne Witzeleien, Tituba auf der Flucht (und todgeweiht) bekommt gar eine Clownsnummer inszeniert. Kriegenburgs plötzliches Desinteresse ist dabei durchaus verständlich, die Debatte über Recht und Unrecht, Tat und Untat des Kollektivs ist ja beendet. Jetzt geht es nur noch um private (und vergebliche) Rettungsstrategien im Hause Proctor.
Vor vielen Jahren demonstrierte Kriegenburg sein Desinteresse am fünften "Othello"-Akt mal dadurch, dass er nur noch von einer Nebenfigur die Story erzählen, aber niemanden mehr auftreten ließ. Ähnlich belanglos endet in Hamburg eine "Hexenjagd", die doch sehr stark begann und die am Ende kaltlächelnd abgewickelt wird. Das ist dann ja doch auch ein bisschen schade.
Kriegenburg zeigt etwa zu Beginn, beinahe stumm, nur mit schwerem Atmen unterlegt, den Anlass für die Apokalypse von Salem, jenen Tanz der Mädchen im Wald als einfachen Ritus, vielleicht einen der erwachenden sexuellen Fruchtbarkeit der Heranwachsenden. Eine ganz und gar weiß geschminkte Schamanin gibt barbusig den Takt vor. Nach dem eher lieblichen Exzess ertappt und zur Rede gestellt, reagieren die Mädchen von nun an nurmehr als Chor, ausgenommen die, die am weitesten ging und die sich stumm und gelähmt stellt. Auf sie reagiert nun auch ganz Salem, und nicht nur ihr Vater, der ängstliche Pastor, im Chor.
Einer lacht über die Hysterie, die jetzt ausbricht. Da es aber um ihn geht, diesen biederen Freigeist John Proctor, der gleichzeitig das Objekt der Begierde war und ist für die Anführerin der tanzenden Mädchen, und er dieser Gier auch schon nachgab, beginnt mit seinem vernünftigen Einwand die Orgie der Denunziationen, die schließlich das halbe Dorf, auch Proctor, an den Galgen bringen werden.
Kriegenburg betont stark die ausserreligösen Motive der Vorgänge, vor allem die wachsende sexuelle Besitzgier von Proctors einstigem Hausmädchen Abigail, das er (oder das ihn) verführte. Zugleich aber gibt er auch deren Anti-Figur viel Raum, jener Schmerzensmutter, Gattin des reichsten Grundbesitzers am Ort, die bei acht Geburten sieben Kinder verlor. Rational und irrational im selben Atemzug sind die Beweggründe. Sie verselbständigen sich aber nur in einer Gesellschaft, die -geschürt durch Missgunst, Neid und Eitelkeit, und noch ein paar Todsünden mehr - den schlammigen Bodensatz bildet für den kollektiven Exzess. Überhaupt und immer wieder: Der Chor; selbst der Besetzungszettel verzeichnet keine Rollen, nur - wie bei Einar Schleef selig - das Text-Kollektiv.
Starke Bilder setzt die Inszenierung für diesen kollektiven Zustand, wenn das ganze Dorf (bis auf die fremde Geisterbeschwörerin Tituba und eine todgeweihte Alte am Schluss) radikal schwarz trägt in Andrea Schraads Kostümen und noch die Haare der Mädchen fundamental finster sind; wenn die zunehmend mordgierigen Männer Benzinkanister aneinander schlagen wie die Boten des Jüngsten Gerichtes, die jedermann ankündigen, dass hier bald der Geruch verbrannter Leiber schwelen wird; wenn auf der hinteren Bühnenwand rabiat-abstrakte Hinrichtungszeichnungen von Stefan Pertschi aufleuchten. Vor jedem neuen Bild ertönt ein Schlag, der wie eine sehr kräftige Peitsche klingt, oder als sei die Schneide der Guillotine herunter gerauscht, oder als seien mit einem Knall sämtliche Sicherungen des Theaters heraus geflogen.
Stark, das alles, sehr stark; ganz ohne Modernisierung, ohne platte Tricks. Doch dann ist plötzlich Schluss, lang bevor Schluss ist. Proctors letztes kluges, selbstanklägerisches Wort vor Gericht ist das letzte ernsthafte des Stücks. Danach verfallen der oberste Richter und seine Entourage in alberne Witzeleien, Tituba auf der Flucht (und todgeweiht) bekommt gar eine Clownsnummer inszeniert. Kriegenburgs plötzliches Desinteresse ist dabei durchaus verständlich, die Debatte über Recht und Unrecht, Tat und Untat des Kollektivs ist ja beendet. Jetzt geht es nur noch um private (und vergebliche) Rettungsstrategien im Hause Proctor.
Vor vielen Jahren demonstrierte Kriegenburg sein Desinteresse am fünften "Othello"-Akt mal dadurch, dass er nur noch von einer Nebenfigur die Story erzählen, aber niemanden mehr auftreten ließ. Ähnlich belanglos endet in Hamburg eine "Hexenjagd", die doch sehr stark begann und die am Ende kaltlächelnd abgewickelt wird. Das ist dann ja doch auch ein bisschen schade.