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McDonaldisierung des Anwaltsberufs

Carolin Niggemann ist 30 Jahre alt und arbeitet seit 1998 als zugelassene Anwältin in Hamburg. Ihr kleines Büro liegt in einem belebten Wohnviertel der Hansestadt, im Erdgeschoss. Wer außen vorbei geht, kann die Anwältin an ihrem Schreibtisch sitzen sehen. Am Fenster hängt ein Schild mit einem blau-gelben Logo: Legitas - Niggemann steht dort. Und darunter "Rechtsanwälte". Bis dahin nichts revolutionäres. Und doch ist bei Carolin Niggemann vieles anders als bei ihren Kollegen. Die Anwältin ist Deutschlands erste Franchisenehmerin. Der Franchisegeber heißt Legitas und hat sich erst vor wenigen Wochen ebenfalls in Hamburg gegründet. Carolin Niggemann erzählt, warum sie bei Legitas eingestiegen ist:

    Ich habe selbst nach Beendigung meines Studiums festgestellt, dass ich sehr gerne selbständig arbeiten möchte. Ich möchte Mandanten von Anfang bis zum Ende betreuen. Ich möchte fachübergreifend tätig sein. Ich wollte die ganze Bandbreite der juristischen Tätigkeit kennen lernen, was in einer Großkanzlei nur sehr begrenzt möglich ist. Ich habe mich dann mich selbständig gemacht und zwei Jahre alleine gearbeitet und bin deshalb zu Legitas gegangen, weil ich glaube, ein weiteres Netzwerk gibt mir andere Möglichkeiten auf Mandanten zuzukommen und einen größeren Mandantenstamm aufzubauen und somit auf Dauer noch mehr zu erwirtschaften.

    Rechtsanwälte als Franchisenehmer. Wer denkt da nicht sofort an eine bekannte Fastfoodkette. Doch das wäre zu simpel. Legitas-Gründer Fabian Heintze sieht sich keinesfalls als ein Mister MacLaw - seine Idee ist es, mit Legitas im Hintergrund selbständigen Rechtsanwälten bei der Professionalisierung ihrer Arbeit zu helfen. Und da muss er häufig gegen Vorurteile kämpfen. Immer wieder hat er in den letzten Monaten gehört, dass Anwälten doch nicht einmal Werbung erlaubt sei.

    Fabian Heintze weiß es besser. Schließlich hat der 31jährige gerade seine Doktorarbeit zum Thema Franchising bei Anwälten abgeliefert und stellt klar:

    Werbung ist den Rechtsanwälten seit einigen Jahren erlaubt, dennoch wundert man sich, dass Werbung für Rechtsanwälte faktisch nicht stattfindet. Der Grund liegt darin, dass es keinen Anbieter gibt, für die sich solche Werbung lohnt. Die Großkanzleien bedienen einen Markt, wo sehr informierte Nachfrager genau wissen, wer die richtigen für sie sind, und dort, wo Werbung sinnvoll ist, nämlich bei der Beratung von kleinen Firmen und von Privatleuten, dort kann Werbung insofern nicht stattfinden als jeder Anwalt eigenständig ist und es keine Möglichkeit gibt, seinen Namen in den Köpfen der Leute zu verankern.

    Die Idee, dass Rechtsanwälte als Franchisenehmer auftreten, ist in den USA weiter verbreitet als in Europa. Wer schnell, unbürokratisch und auch möglichst preiswert einen juristischen Rat sucht, hat es in Amerika einfacher als in Deutschland. Ob im Shopping-Center oder in der Fußgängerzone, an vielen Standorten findet sich ein "Law store" - also ein Juristengeschäft, in das man ohne Anmeldung hineinmarschieren kann und sich eine Rechtsberatung "kauft". Die Legitas-Gründer wollen keine Billig-und Schnellberatung einführen. Das verbietet im übrigen auch die strenge deutsche Gebührenordnung. Aber auch sie streben mehr Klarheit für die Mandanten an und mehr Professionalität bei den selbständigen Anwälten.

    Der Markt für deutsche Juristen ist eng wie nie. 120 000 niedergelassene Anwälte gibt es in Deutschland. Über 55 Prozent von ihnen arbeiten selbständig in kleinen Büros. Nach einer Umfrage der Bundesrechtsanwaltskammer verdienen sie im Schnitt nicht mehr als 1700 Euro netto - Tendenz sinkend.

    Da ist Kostensenkung gefragt. Zum Beispiel bei der Auswahl eines geeigneten Computerprogramms. Bei der Legitas-Zentrale in Hamburg kümmert sich Sebastian Vorberg um diesen Service. Der 30jährge hat vor zwei Jahren Examen gemacht und dann in den USA gearbeitet. In den letzten Wochen hat er vor allem vor dem Bildschirm gesessen. Sebastian Vorberg:

    Wir haben uns zuerst hingesetzt und überlegt, welches Computerprogramm könnte für die Anwälte sinnvoll sein, gerade in unserer Zielgruppe von kleinen Kanzleien und Einzelanwälten. Daraufhin habe ich mich hingesetzt und alle Computerprogramm, die es auf dem Markt gibt durchgecheckt und getestet. Dann haben wir sie nach Kriterien aufgelistet. Was können wir gebrauchen, was können wir nicht gebrauchen, auch Preis-Leistung haben wir überprüft.. Dann haben wir uns entschieden für das eine Computerprogramm, dass wir unseren Anwälten zur Verfügung stellen.

    Noch steckt die Firma in ihren Anfängen. Neben Carolin Niggemann gibt es eine weitere Anwältin in der Hamburger Musterkanzlei Heintze-Vorberg sowie in Bad Homburg neue Franchisenehmer. 1000 Euro Jahresbeitrag zahlen sie jetzt, wenn das Geschäft läuft werden sie einen Teil ihres Umsatzes an Legitas abführen. Genaue Zahlen können Fabian Heintze und Sebastian Vorberg noch nicht nennen - die Firma ist ja erst wenige Wochen alt.

    [Autorin: Dorothea Heintze]