Winkels: Ja, aber nicht so, dass sie, sagen wir einmal, einen turboökonomischen Diskurs auf die Spitze treiben und man vielleicht das Menschenverachtende und Hässliche darin erkennen würde, sondern sie sind, das ist das große Problem, von Anfang an im Grunde Opfer des Systems. Im Roman weniger, da ist es ein wenig leeres Gebrabbel, das ist auch der Sinn, das zu zeigen, ob das über einen ganzen Roman trägt, ich könnte sagen, ich weiß es nicht. Aber man kann auch gleich sagen, es stimmt nicht, es funktioniert nicht.
Noltze: Funktioniert es als Theater?
Winkels: Als Theater, gut, man hat eine kleine Hoffnung, dass sie was daraus machen. Das Stück hat jetzt ein Drittel des Umfangs, aber es funktioniert meines Erachtens noch viel weniger, weil die Kälte und Distanzierung, die in dem Roman noch vorhanden ist, aufgehoben wird dadurch, dass die Schauspieler meinen, sie müssten halt klassisch leidende Körper zeigen. Man hat also diese relativ kühlen Versatzstücke im Text, aber die Schauspieler winden sich, sie kriechen, sie klettern, sie leiden, sie erzählen von ihren Panikattacken, von ihrer Hysterie, von ihrer Schlaflosigkeit und Nicht-Konzentration. Eigentlich ist es ein Krankenlager, das uns vorgeführt wird unter dem Deckmantel, wir zeigen einmal, wie die neuen Ökonomisten so reden. Es ist auch quasi ein grandioses Missverständnis der ganzen Geschichte, vielleicht kann man unterstellen, dass Dramaturg und Regisseur sich gedacht haben, wir rücken das jetzt einmal in eine anthropologische, wenn nicht in eine evolutionsgeschichtliche Perspektive. Es fängt mit Fröschequaken an und es gibt viele Aufnahmen von Wäldern, die an die Wand projiziert werden, so dass man den Eindruck hat, er will eigentlich zeigen, wie diese Spezies im Laufe von Jahrmillionen entartet ist in etwas ganz Seltsames. Aber diese weite Perspektive vermittelt sich über das Stück überhaupt nicht und bleibt auch im Theaterstück selber aufgesetzt.
Noltze: Im Roman wird überwiegend in indirekter Rede gesprochen. Es wird wiedergegeben. Wie funktioniert das im Theater?
Winkels: Naja, man hätte jetzt lange darüber nachdenken können, wie setzt man das im Theater um, vielleicht hat man das, man sieht es aber nicht, denn es wird einfach dieses Reden in der dritten Person übernommen. Das heißt, der Schauspieler sagt nicht oder signalisiert nicht, ich bin es, der jetzt redet, sondern redet von sich selber in der dritten Person. Das geht fünf Minuten gut, weil man fünf Minuten braucht, um den Gedanken zu fassen, dass hier kein Ich mehr spricht, dass die Entsubjektivierung weit fortgeschritten ist und in anonymen Apparaten Funktionsträger etwas von sich geben und da ist dieses vom Ich- zum Er-Wechsel, diese indirekte Rede, ein deutlicher Hinweis. Nur, für anderthalb Stunden, als Dauergespräch funktioniert das nicht, weil es jede Bindung an Handlung, an Dramaturgie, an Personen, an Psychen, Individuen verliert und es bleibt halt dieses künstliche konjunktivische Sprechen. Es gebe einen Ausweg dafür, damit vielleicht einen Theaterabend zu retten, indem man es nämlich durch und durch musikalisch strukturiert und es quasi ein Konjunktivrap auf Deutsch wäre. Das passiert tatsächlich in dem Stück, aber genau zehn Minuten lang und das war also komplett unentschieden: machen wir diese flache Ökonomiegeschichte, machen wir eine tiefe anthropologische Geschichte oder machen wir symbolisch-dramatisches heutiges Theater? Zwischen diesen und anderen Optionen schwankt auch die Inszenierung unentschieden hin und her.
Noltze: Wie ist es denn ausgegangen? Gibt es ein Ende?
Winkels: Eigentlich gibt es kein Ende. Im Roman gibt es quasi eine kleine Reflexion auf das Ich des Journalisten oder der Schriftstellerin, die aber auch nicht richtig durchgeführt ist und hier im Theater ist der Schluss so, dass die Praktikantin, die am Anfang keine Stelle hat und sich unentwegt bewirbt, quasi als Hauptberuf Bewerbungsschreiberin ist, es geschafft hat, wiederkommend von USA-Reisen und darüber räsoniert, warum sie auf Pissdörfern keine Lust mehr hat, 300 Arbeitnehmer zu entlassen. Damit ist die Stoßrichtung, furchtbarer Kapitalismus, wir haben dich entlarvt, dann endgültig so auf den Punkt gebracht, dass man die Lust verliert.