Schossig: Die Firma McKinsey ist ja bekannt dafür, dass sie mit Argusaugen jene Punkte in Ökonomie und Gesellschaft kennt, wo Geld zu sparen, beziehungsweise zu machen ist. War diese Konferenz eigentlich eine Werbeveranstaltung oder ein fundiertes Forum für den Bildungsdiskurs?
Heinemann: Na ja, McKinsey wäre nicht McKinsey, wenn sie sich nicht selber auch einen Gewinn davon versprechen würden, das ist ganz klar. Das ist eine Image-Förderung, die sie da gemacht haben, und sie haben da wirklich eine Menge Geld reingesteckt mit namhaften Referenten und einer tollen Kongressorganisation. Aber das war nun wirklich keine kurzatmige, übliche Standortrhetorik wie man sie von einem Wirtschaftsberatungsunternehmen erwartete hätte. Die haben wirklich versucht, einen ganz breiten Horizont für Bildung zu eröffnen. Obwohl man schon sagen muss: In der Begründung, die Jürgen Kluge, der Vertreter von McKinsey dort gegeben hat dafür, warum sie eine solche Veranstaltung machen, doch so ein bisschen auch ein imperialer Ton anklang.
Jürgen Kluge: Meine Damen und Herren, unsere Schulen und Universitäten müssen wieder definieren, was Bildung in Europa ist. Die Alternative heißt Wiedergewinnen der Deutungshoheit oder Rückfall in die Bedeutungslosigkeit. Es reicht nicht, einfach nur zu Finnland aufzuholen. Wir müssen wieder die Standards setzen.
Heinemann: Ja, das sind doch schon leicht imperiale Töne, würde ich sagen.
Schossig: Herr Heinemann, die Teilnehmer waren ja recht bunt aus allen Ecken der Gesellschaft gewählt. Hat man denn zu einer gemeinsamen Sprache im Sinne Kluges gefunden oder sogar zu gemeinsamen Erkenntnissen?
Heinemann: Auf so einer großen Veranstaltung kommen natürlich immer nur sehr wenig Leute zu Wort. Es war schon interessant, dass sie dort wirklich ein ganz breites Spektrum von Leuten aufgefahren haben. Sie haben schon erwähnt: Robert Wilson und Jean-Christof Amman, den Ausstellungsmacher und Kunsthistoriker aus Frankfurt. Die haben heute mal dargestellt, was sie eigentlich unter Bildung verstehen, und das war sehr konkret, sehr anschaulich, wirklich eine beeindruckende Performance muss man sagen. Was ich daran eigentlich so bemerkenswert finde, ist, dass eine Unternehmensberatung wirklich diesen breiten Horizont aufgerissen hat: Räumliche Vorstellung und die Frage, was holen wir aus Behinderten heraus, wie können wir mit Theater Bildung machen. Dass die so etwas angesprochen haben und sich nicht auf vordergründige Sachen beschränkt haben, fand ich sehr gut. Gut fand ich auch gestern Wolf Lepenies, der bisher hier das Wissenschaftskolleg geleitet hat, der Soziologe. Er hat ein Referat gehalten über Bildungspathos und Erziehungswirklichkeit und hat auch wirklich die Schwachstellen deutschen Bildungsdenkens in einem historisch breiten Rahmen erläutert. Da habe ich jetzt auch noch einen O-Ton.
Wolf Lepenies: Nur in Deutschland kann in erhabenem Ton davon die Rede sein, dass die wahre Erziehung eben in der Bildung besteht. Zu einer solchen Behauptung fehlen den anderen Europäern die Worte. Die meisten unserer Nachbarn müssen auf das Pathos des Bildungsbegriffs verzichten und kompensieren wie es scheint diesen Mangel in Vokabular mit einer besseren Erziehungspraxis. Bildung gehört in Deutschland in den semantischen Umkreis von Kultur, nicht von Zivilisation.
Schossig: Wir stecken ja mitten in einer nur langfristig zu lösenden Bildungskatastrophe, Herr Heinemann. Auch die Firma McKinsey selbst hat ja Vorschläge für eine veränderte Bildungsökonomie gemacht. Interessanterweise nicht sparen, sondern Geld ausgeben. Können Sie zum Schluss ganz kurz die Gründe von McKinsey für diesen Vorschlag zusammen fassen?
Heinemann: Ja, die sagen, wir müssen wir Sachen in den Mittelpunkt stellen. Wir, McKinsey, haben Erfahrung, wie man ein Unternehmen saniert. Erste Forderung: Früh investieren statt reparieren, und da wollen sie also, dass der Staat vier Milliarden in die frühkindliche Förderung, in Kindergärten, Kindertagesstätten und so weiter reinsteckt. Vier Milliarden wiederum, und das ist die vierte Forderung, sollen privat investiert werden, dass sie nämlich Studiengebühren fordern, ganz massiv. Das sind die vier Milliarden, die aus der privaten Kasse auch in die Bildung gesteckt werden sollen.
Schossig: McKinsey bildet, das war Karl-Heinz Heinemann über den heute in Berlin zu Ende gehenden Kongress "Gemeinsam für Bildung in Deutschland". Vielen Dank nach Berlin!
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Heinemann: Na ja, McKinsey wäre nicht McKinsey, wenn sie sich nicht selber auch einen Gewinn davon versprechen würden, das ist ganz klar. Das ist eine Image-Förderung, die sie da gemacht haben, und sie haben da wirklich eine Menge Geld reingesteckt mit namhaften Referenten und einer tollen Kongressorganisation. Aber das war nun wirklich keine kurzatmige, übliche Standortrhetorik wie man sie von einem Wirtschaftsberatungsunternehmen erwartete hätte. Die haben wirklich versucht, einen ganz breiten Horizont für Bildung zu eröffnen. Obwohl man schon sagen muss: In der Begründung, die Jürgen Kluge, der Vertreter von McKinsey dort gegeben hat dafür, warum sie eine solche Veranstaltung machen, doch so ein bisschen auch ein imperialer Ton anklang.
Jürgen Kluge: Meine Damen und Herren, unsere Schulen und Universitäten müssen wieder definieren, was Bildung in Europa ist. Die Alternative heißt Wiedergewinnen der Deutungshoheit oder Rückfall in die Bedeutungslosigkeit. Es reicht nicht, einfach nur zu Finnland aufzuholen. Wir müssen wieder die Standards setzen.
Heinemann: Ja, das sind doch schon leicht imperiale Töne, würde ich sagen.
Schossig: Herr Heinemann, die Teilnehmer waren ja recht bunt aus allen Ecken der Gesellschaft gewählt. Hat man denn zu einer gemeinsamen Sprache im Sinne Kluges gefunden oder sogar zu gemeinsamen Erkenntnissen?
Heinemann: Auf so einer großen Veranstaltung kommen natürlich immer nur sehr wenig Leute zu Wort. Es war schon interessant, dass sie dort wirklich ein ganz breites Spektrum von Leuten aufgefahren haben. Sie haben schon erwähnt: Robert Wilson und Jean-Christof Amman, den Ausstellungsmacher und Kunsthistoriker aus Frankfurt. Die haben heute mal dargestellt, was sie eigentlich unter Bildung verstehen, und das war sehr konkret, sehr anschaulich, wirklich eine beeindruckende Performance muss man sagen. Was ich daran eigentlich so bemerkenswert finde, ist, dass eine Unternehmensberatung wirklich diesen breiten Horizont aufgerissen hat: Räumliche Vorstellung und die Frage, was holen wir aus Behinderten heraus, wie können wir mit Theater Bildung machen. Dass die so etwas angesprochen haben und sich nicht auf vordergründige Sachen beschränkt haben, fand ich sehr gut. Gut fand ich auch gestern Wolf Lepenies, der bisher hier das Wissenschaftskolleg geleitet hat, der Soziologe. Er hat ein Referat gehalten über Bildungspathos und Erziehungswirklichkeit und hat auch wirklich die Schwachstellen deutschen Bildungsdenkens in einem historisch breiten Rahmen erläutert. Da habe ich jetzt auch noch einen O-Ton.
Wolf Lepenies: Nur in Deutschland kann in erhabenem Ton davon die Rede sein, dass die wahre Erziehung eben in der Bildung besteht. Zu einer solchen Behauptung fehlen den anderen Europäern die Worte. Die meisten unserer Nachbarn müssen auf das Pathos des Bildungsbegriffs verzichten und kompensieren wie es scheint diesen Mangel in Vokabular mit einer besseren Erziehungspraxis. Bildung gehört in Deutschland in den semantischen Umkreis von Kultur, nicht von Zivilisation.
Schossig: Wir stecken ja mitten in einer nur langfristig zu lösenden Bildungskatastrophe, Herr Heinemann. Auch die Firma McKinsey selbst hat ja Vorschläge für eine veränderte Bildungsökonomie gemacht. Interessanterweise nicht sparen, sondern Geld ausgeben. Können Sie zum Schluss ganz kurz die Gründe von McKinsey für diesen Vorschlag zusammen fassen?
Heinemann: Ja, die sagen, wir müssen wir Sachen in den Mittelpunkt stellen. Wir, McKinsey, haben Erfahrung, wie man ein Unternehmen saniert. Erste Forderung: Früh investieren statt reparieren, und da wollen sie also, dass der Staat vier Milliarden in die frühkindliche Förderung, in Kindergärten, Kindertagesstätten und so weiter reinsteckt. Vier Milliarden wiederum, und das ist die vierte Forderung, sollen privat investiert werden, dass sie nämlich Studiengebühren fordern, ganz massiv. Das sind die vier Milliarden, die aus der privaten Kasse auch in die Bildung gesteckt werden sollen.
Schossig: McKinsey bildet, das war Karl-Heinz Heinemann über den heute in Berlin zu Ende gehenden Kongress "Gemeinsam für Bildung in Deutschland". Vielen Dank nach Berlin!
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