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Mechaniker mit Fingerspitzengefühl

Physik. - Kaum ein wissenschaftliches Feld boomt so sehr wie die Nanotechnologie - das belegt auch die Vielzahl der Tagungen. Die Biologie dient dabei oft als inspirierendes Vorbild, um neue Mini-Maschinen zu konstruieren.

Von Mathias Schulenburg |
    "Konvergenz" ist ein von Nanotechnologen häufig zu hörendes Wort, es bedeutet: Im Nanokosmos fließen viele Fächer zusammen, wie Physik, Chemie und Biologie. Jetzt, sagt Harald Fuchs, Professor an der Universität Münster und Chef des dortigen Nanotechnlogiezentrums, werde man auch die theoretische Physik bemühen, Teile der Chaos-Theorie, um hinter die Geheimnisse des Lebens zu kommen. Wie etwa gelingt es einer Zelle, sich zu organisieren?

    "Nun, zunächst einmal ist Selbstorganisation das Verfahren schlechthin, was in der Biologie eine Rolle spielt beim Entstehen von Strukturen, Zellmembranen, der Faltung von Proteinen, überall dort, wo funktionale Strukturen entstehen, spielt Selbstorganisation die zentrale Rolle. Es gibt in der Biologie ja keine Fabrik, die Moleküle so zusammen setzt, dass sie nachher auf eine bestimmte Weise wie eine Maschine funktionieren, man kann sagen, unsere zellinternen Maschinen setzen sich selbst zusammen und strukturieren sich so, dass sie nachher in der Weise funktionieren, wie wir sie kennen. Nun, was die Natur da im Einzelnen macht, ist noch nicht ganz verstanden, wir wissen aber, dass diese Vorgänge, die haben ja mit Musterbildung zu tun, nicht-linear ablaufen, das heißt da gibt es spezielle Mechanismen, die wir diesem Bereich der nicht-linearen Physik zuordnen würden, dort gibt es wiederum Modelle, die man entwickelt hat, um aus ganz anderen Bereichen, zum Beispiel bei der Bildung von Strömungen, also Hydrodynamik wäre so ein Beispiel, die Wirbelbildung ist ein typische nicht-lineares Phänomen, oder die Entwicklung von Wolkenfeldern, die Entwicklung von Hurrikans und all diesen Dingen, das sind alles hoch-nichtlineare Phänomene. "

    Nicht-linear bedeutet mathematisch, dass die verwendeten Gleichungen auch quadratische, kubische und höhere Potenzen enthalten, was sie so sperrig macht, dass sie ohne Computer kaum zu handhaben waren. Jetzt geht das, man kann mit Computerhilfe Musterbildungsprozesse nachvollziehen, wie etwa Schnecken sich in Schale werfen und die schönen Gehäusemuster bilden.

    "Das sind Muster makroskopischer Art natürlich, man kann sie ja mit bloßem Auge sehen, im Millimeter- und Zentimeter-Bereich, aber wir können inzwischen auch Muster im Nanometerbereich herstellen, die vergleichbar wären mit solchen Strukturen, wie man sie von Muschelschalen her kennt, und man kann sie auch mit ähnlichen Methoden beschreiben, also typischerweise sind das so genannte Reaktions-/Diffusionsgleichungen, die man dazu braucht, und damit kann man ganz unterschiedliche Phänomene in ganz unterschiedlichen Welten beschreiben, aber immer zurück führen auf die gleiche Modellbildung."

    Das Geschehen im Inneren einer Zelle wird man sich teils als eine Wechselwirkung vieler solcher nanoskopischer Musterbildungsprozesse vorstellen können. In die Nanotechnologie sind mittlerweile auch Firmen eingestiegen, deren Geschäft eigentlich große Dinge wie Turbinen und Kraftwerke sind, wie General Electric. Christoph Hergersberg ist Forschungsleiter Biowissenschaften der General Electric Research und befasst sich unter anderem mit der Entwicklung von Nanomaterialien, die sich gezielt im Körper ablagern und so Diagnoseverfahren wie Magnetresonanz zu aussagekräftigeren Bildern verhelfen.

    "Dazu kommt, dass man die Nanomaterialien dann mit biologischen Molekülen spezifisch machen kann, also sozusagen ihnen eine Adresse drauf klebt, womit sie dann im Körper zu bestimmten Ecken hin gelangen, und damit kann man nicht nur ein bestimmtes Signal erzeugen, sondern auch ein bestimmtes Signal an einer bestimmten Stelle, die dann eben je nach dem für die Krankheit oder für die Diagnostik der Krankheit relevant ist."

    Hergersberg weiß auch Trost für die deutsche Forscherseele: in Amerika wisse man,

    "... dass in der Nanotechnologie Deutschland sehr, sehr stark ist. Deutschland hat eben einen ganz starken Hintergrund im Ingenieurwesen, und im Ingenieurwesen in sehr praktischen Anwendungen. Und Maschinenbau und diese Dinge sind sehr stark in Deutschland. "

    Und wenn man es sich recht überlege, sei Nanotechnologie ja auch so was wie Maschinenbau, nur eben im ganz Kleinen.