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Mechanische Mücke

Robotik. - US-Wissenschaftler stellen heute in "Science" eine Roboter-Biene vor. Das kleine Flugobjekt ist zwar noch nicht so gewandt und flugsicher wie das biologische Original, zudem hängt es am Steuerdraht, dennoch ist es eine eindrucksvolle Weltpremiere.

Von Frank | 03.05.2013
    Sanft hebt der Winzling von seiner Unterlage ab. Einen Moment lang verharrt er mit schwirrenden Flügeln auf der Stelle, dann geht es ein Stückchen nach links, dann nach rechts – wie ein Insekt auf Futtersuche. Doch das Ding ist kein Ungeziefer aus Fleisch und Fliegenblut, sondern ein winziger Flugroboter – das erste künstliche Insekt, das fliegen kann. Groß wie ein Eurostück, gemacht aus superleichtem Carbon und ganze 80 Milligramm schwer, sagt Sawyer Fuller, einer der Fliegenkonstrukteure von der Harvard Universität in Cambridge/USA.

    "Unser Roboter hat zwei Flügel, ganz ähnlich wie die Flügel einer Fliege. Als Flugmuskeln fungieren winzige Piezo-Motoren. Das sind dünne Streifen aus einer Spezialkeramik, die sich bei Stromzufuhr abwechselnd ausdehnen und wieder zusammenziehen. Diese Motoren bringen die Flügel dazu, mehr als 100 Mal pro Sekunde zu schlagen – wobei sich jeder Flügel unabhängig ansteuern lässt."

    RoboBee, so heißt das synthetische Insekt. Gefertigt haben es die Forscher mit einer eigens entwickelten Mikromechanik, bei der ein Laser die Bauteile hochpräzise zuschneidet. Die Montage geschieht unterm Mikroskop – eine überaus schwierige Sache, sagt Fuller. Anspruchsvoll auch die Steuerelektronik, die den Winzling stabil in der Luft hält.

    "Wir haben kleine weiße Markierungen auf unserer Fliege angebracht. Diese Markierungen werden von Kameras verfolgt, wodurch man die Position des Roboters exakt messen kann. Im Prinzip dieselbe Technologie, wie man sie von Kinoproduktionen kennt, zum Beispiel von 'Herr der Ringe': Hier wurde auch ein Schauspieler mit reflektierenden Punkten beklebt. Kameras nahmen seine Bewegungen auf, und mit Hilfe dieser Aufnahmen ließen sich Trickfiguren wie Gollum höchst realistisch animieren. Wir nutzen diese Technik, um die genauen Flügelschläge unseres Roboters zu erfassen. Darauf kann der PC dann reagieren und neue Steuerbefehle errechnen."

    Diese Steuerbefehle gelangen – ebenso wie die für den Flug nötige Energie – durch einen feinen Draht zur Roboterfliege und sorgen dafür, dass sie sich mit 40 Zentimetern pro Sekunde fortbewegen kann und auch durch einen Lufthauch nicht ins Trudeln gerät. Doch wozu ist der Winzling gut? Nun, indem die Experten den Insektenflug imitieren, lernen sie ihn besser verstehen – Grundlagenforschung für die Biologie. Doch Sawyer Fuller hat auch Anwendungen im Sinn – überraschende Anwendungen.

    "Wir erhalten Forschungsgelder für den Bau einer Roboterbiene. Seit einiger Zeit gibt es in manchen Ländern ein rätselhaftes Bienensterben. Bienen aber sind wichtig, um Pflanzen zu bestäuben. Und das könnte irgendwann mal eine Roboterbiene übernehmen."

    Ein weiterer Plan: Die Maschinchen sollen mit Sensoren ausgerüstet werden. Damit könnten sie Katastrophengebiete oder Umweltzonen überwachen, aber auch als winzige Spione für die Militärs unterwegs sein – quasi als Drohnen der etwas anderen Art. Doch bevor es soweit ist, steht noch einiges an Laborarbeit bevor. Denn RoboBees Flugkünste sind noch alles andere als optimal. Gerade die Landung ist wenig anmutig: Das künstliche Insekt stoppt den Flügelschlag und lässt sich einfach zu Boden plumpsen. Deshalb sind die Forscher nun dabei, ihre Mikromechanik zu verfeinern und so der mechanischen Mücke ein besseres Manövriervermögen zu bescheren. Und:

    "Die andere große Herausforderung ist: Wir wollen dem Roboter beibringen, autonom zu fliegen. Bislang steuern wir ihn von außen, durch externe Kameras und einen PC. Unser Ziel aber ist, das künstliche Insekts mit winzigen Kameras und Prozessoren zu bestücken, so dass es in Zukunft ganz von alleine fliegen kann."