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Mechanismus des Alterns

Preisverleihung. - Sie entdeckten und erforschten den Prozess des Zellalterns. Am Samstag erhalten die beiden Zellbiologinnen Elisabeth Blackburn und Carol Greider erhalten für diese Pionierarbeit aus den 80er Jahren den mit 100.000 Euro dotierten Paul-Ehrlich-und-Ludwig-Darmstaedter-Preis. Der Wissenschaftsjournalist Michael Lange erklärt im Gespräch mit Gerd Pasch die Gründe.

13.03.2009
    Pasch: Michael Lange, wer bekommt den Medizinwissenschaftspreis denn in diesem Jahr?

    Lange: Er geht an Elisabeth Blackburn, sie stammt aus Australien forscht heute in San Francisco, 59 Jahre alt, und an Carol Greider, 47 Jahre alt, sie forscht heute in Baltimore. Mitte der 80er Jahre waren die beiden zusammen tätig, und zwar an der Universität von Kalifornien in Berkeley und haben Wimperntierchen [erforscht],Tetrahymena heißen die in der Fachsprache, und die sind für Zellbiologe besonders interessant, weil man im Lichtmikroskop oder auch mit einer guten Lupe in die Zellen dieser kleinen, dieser winzig kleinen Wimperntierchen hinein schauen kann.

    Pasch: Zellbiologinnen! Für welche Leistungen wurden sie denn ausgezeichnet?

    Lange: Ja, sie haben die Telomere erforscht, die sind in Biologenkreisen sehr bekannt, das sind Chromosomen-Schutzkappen könnte man vereinfacht sagen, das sieht so ähnlich aus wie bei einem Schnürsenkel. Die Chromosomen sind ein langer Faden wie der Schnürsenkel, und am Ende sitzen Schutzkappen, wie der Plastikpin am Schnürsenkel. Und der ist nicht nur da, um das Chromosom zusammenzuhalten sondern er ist auch dazu da, damit sich die Chromosomen gut teilen können. Und aufgebaut wird dieser Schutzriemen durch ein Enzym namens Telomerase. Und dieses Enzym haben die beiden Wissenschaftlerinnen schon in den 80er Jahren entdeckt und haben es dann immer weiter erforscht und haben herausbekommen, dass dieses Enzym und die Telomere eine ganz wichtige Rolle spielen im Alterungsprozess von Zellen.

    Pasch: Alterungsprozess. Wie verläuft der auf der Zellebene?

    Lange: Ja, das ist recht kompliziert. Es ist kein einfacher Verschleiß, wie mancher denken könnte. Eine Zelle wird einfach immer älter und irgendwann einmal funktioniert sie nicht mehr. Sondern das ist ein kontrollierter Prozess und ganz besonders wichtig ist das bei der Zellteilung. Die Zellteilung ist ja der zentrale Vorgang im Leben eines Gewebes. Das heißt, aus einer Zelle entstehen zwei, und immer, wenn das passiert, müssen aus jedem einzelnen Chromosom, so aus jeder Einheit der Vererbung auch zwei entstehen. Also, es wird alles verdoppelt und es wird alles kopiert. Und dabei findet folgendes statt: die Telomere, also die Schutzkappen am Rand der Chromosomen, die werden verkleinert. Da wird wie mit einer Schere immer ein kleines Stückchen abgeschnitten und irgendwann ist natürlich nichts mehr da, dann ist der Schutzring weg, und das bedeutet, dass keine Zellteilung mehr stattfindet. Also, dann ist Schluss mit der Zellteilung, die Zellen gehen zugrunde. Und die Telomerase, also das Enzym, das die beiden Wissenschaftlerinnen in den USA erforscht haben, das verjüngt die Zellen, indem es die Telomere, also die Schutzkappen, länger macht. Alles gibt zwei Prozesse: bei jeder Teilung: Die Zellenschutzkappen werden kleiner, die Zellen werden älter, und die Telomerase hängt wieder etwas an, die Zellen werden jünger. In diesem Fall geht beides: älter werden und jünger werden.

    Pasch: Sind denn die Vorgänge in allen Zellen gleich?

    Lange: Nein, überhaupt nicht. Man kann sich vorstellen, in Nervenzellen, da findet dieser Prozess der Zellteilung ja viel seltener statt als zum Beispiel in Hautzellen. Und eine ganz besondere Rolle spielen Stammzellen, nicht die embryonalen Stammzellen, über die viel diskutiert wird, sondern die Stammzellen, die wir in unseren Körper haben. Zum Beispiel Hautstammzellen. Die Haut muss sich dauernd erneuern, das heißt, die Zellen müssen sich immer weiter teilen, und die würden ja sehr schnell mit diesen Teilen fertig sein, wenn man hier immer weiter die Telomere verkürzen würde und da wäre sehr schnell Schluss. Und da muss es Zellen geben, die dauerhaft jung bleiben, durch die Telomerase passiert das, also durch die Verlängerung der Schutzkappen. Und deshalb ist das bei Stammzellen ein ganz wichtiger Prozess. Es ist natürlich auch ein wichtiger Prozess, das kann man jetzt schon ahnen, bei Krebszellen. Da ist das Ganze natürlich nicht erwünscht, wenn Krebszellen immer jung bleiben, heißt das, sie teilen sich immer weiter, und bei Krebszellen ist eben auch das Enzym, das die beiden Wissenschaftler erforscht haben, sehr aktiv.

    Pasch: Werden wir mal konkret: lassen sich denn die Erkenntnisse der Preisträgerinnen für die Medizin nutzen?

    Lange: Ja, es hat ganz schön lange gedauert. Die Anfangsforschungen gehen ja schon auf die 80er Jahre zurück, aber man hat immer besser verstanden, wie es funktioniert, wie zum Beispiel Krebs oder eben Hautalterung funktioniert. Und inzwischen gibt es erste Therapien. Es befindet sich zum Beispiel eine Studie in der Krebsmedizin im Anfang, also Phase I, und da versucht man, durch Medikamente gezielt dieses Enzym, die Telomerase, zu hemmen. Das ist sehr schwierig, denn es darf ja nicht die positive Telomerase, die in allen Geweben drin ist, gehemmt werden, sondern nur die in den Krebszellen. Aber da macht man jetzt Fortschritte und die beiden Wissenschaftlerinnen, die haben sich heute hier in Frankfurt sehr optimistisch gezeigt, dass es tatsächlich bald in die Klinik kommen kann, aber sicherlich wird es noch einige Jahre dauern.