Laut - und mitunter noch lauter - klingt es oft im Hause Fibian, das seit gut einem Jahr umgebaut wird. Keine einfache Geräuschkulisse für Birgit Fibian, die nach vielen Auslandsjahren als Beraterin für Medizintechnik zurück in ihre angestammte Heimat zog und zum Jahreswechsel zufällig von dem Trachtenmode-Wettbewerb hörte.
"Da lief der schon einen Monat oder länger. Und dann dachte ich so: Soll ich jetzt noch oder soll ich nicht? Und dann dachte ich: Wenn ich es nicht riskiere, werde ich mich ewig ärgern, dass ich es nicht wenigstens versucht habe."
Zwar sei sie kein Profi, erzählt die 52-Jährige, während sie Knopflöcher für die rot-dunkelblau gestreifte Herrenweste näht. Doch schon zu DDR-Zeiten habe sie viele Modeideen mit Schere und Nähmaschine umgesetzt. Außerdem habe sie auf ihren Lebensstationen Bayern, Schweiz und England oft vermisst, bei Gelegenheit "mecklenburgische Heimat auf der Haut" tragen zu können - so wie es die Alpenländler recht selbstverständlich tun. Also habe sie innerhalb von zehn Tagen ein Designkonzept für moderne MV-Trachten geschrieben und eingereicht.
"Die erste und wichtigste Idee ist, mir anzugucken, was eine Tracht eigentlich ausmacht. Und wenn man international ein bisschen guckt, dann sieht man, dass man oft am Schattenriss schon erkennen kann, wo die Leute herkommen. Ob aus Afrika, aus Indien. Man erkennt auch die Bayern schon am Schattenriss; man erkennt die Puffärmel und den Gamsbart. Und da dachte ich: Dann legen wir doch erst mal diesen Schattenriss fest. Und dann haben wir alle gestalterische Freiheit, unser Ding draus zu machen. Also auch was Individuelles, wo jeder sagen kann: Nee, ich will aber eine andere Farbe haben."
Entwurf, der Variationen ermöglicht
Am heutigen Finaltag sollen auch Jette Joop und die anderen Jury-Mitglieder erkennen, was an einer modernen MV-Tracht "typisch Mecklenburg-Vorpommern" sein könnte. Und zwar anhand der papiernen Schattenrisse sowie der beiden Komplett-Outfits, die Birgit Fibian mithilfe ihrer Nachbarn zu Musik eines Rostocker Shanty-Chors präsentieren darf.
"Da bin ich ganz froh, denn mit Musik geht alles besser. Wir arbeiten ja hier nicht als Profis. Also auch für die Familie Falke, die es vorführen wird - das ist eine gute Unterstützung für uns. Das Herausstechende hier sind die Kopfbedeckungen, also die Schiffermütze. Und für sie dann auch so was Ähnliches mit langen Bändern, die dann auch im Wind wehen können. Für sie ist es der lange Rock mit der Schürze, wie wir das kennen. Aber anstelle der kurzen Puffärmel nehmen wir die langen, die auch eher unserem Klima angemessen sind. Und für ihn sind es lange Hosen geworden, eher angelehnt an Matrosenhosen. Also durchaus mit weitem Bein und natürlich mit Klappbüchs als traditionellem Element, wie es heute die Zimmerleute noch tragen. Hier wird also die Hose mit zwei Knöpfen vorne aufgemacht – ohne Reißverschluss. Ansonsten eine Weste doppelreihig geknöpft und ein langes Hemd. Das kann man sicherlich dann wieder variieren. Da sind alle Spielmöglichkeiten drin."
Aus einer Tüte zieht Birgit Fibian jede Menge Mützen, Hüte und Tücher. Auch sie sind in Rot, Weiß, Blau gehalten - die Farben der mecklenburgischen wie vorpommerischen Flagge. Wenn ein Blumenmuster dabei ist - etwa für die Damenschürze - dann erinnert es an die Kornblume. Fischgrätenmuster für Weste, Hose, Rock? Klingt passend für den Nordosten, hat aber keine Chance gegen die hier traditionellen Längsstreifen.
Übrigens erwartet die Jury von den drei Finalisten, dass ihre Entwürfe auch Potenzial für eine landestypische Berufskleidung im Gaststätten- und Tourismusbereich bergen. Stichwort: Küsten-Dirndl. Mode-Amateurin Birgit Fibian hat auch das bedacht. Wobei:
"Das, was ich hier schneidere, sind noch nicht die richtigen Stoffe für die Berufsbekleidung. Da braucht man knitterfrei, strapazierfähig und so weiter. An solche Stoffe komme ich momentan gar nicht ran. Aber auf der Basis solcher Entwürfe lässt sich dann auch eine Berufskleidung herstellen. Aber nicht nur das. Sie können diese Entwürfe ja dann auch mal mit Seide und Samt, also sehr feinen Stoffen, herstellen. Und dann haben Sie eine Ausgehkluft für die Oper oder fürs Theater oder für die Festspiele Mecklenburg-Vorpommern. Mir ist es jetzt wichtig, dass es etwas gibt zum Anfassen, zum Angucken. Und dann sagen kann: So, und von hier gehen wir jetzt die nächsten Schritte."
Da wird das ausgelobte Preisgeld von 25.000 Euro sehr helfen - egal, wer das Wettbewerbsfinale "Trachten neu leben in MV" gewinnt.