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Mecklenburg-Vorpommern
Zu wenig Nachwuchs-Juristen

In Mecklenburg-Vorpommern fürchtet man einen bevorstehenden Juristenmangel. Grund sind eine Pensionierungswelle und zu wenig Nachwuchs. Neben der Uni Greifswald möchte daher nun auch wieder die Uni Rostock Juristen ausbilden. Die Landesregierung ist skeptisch und möchte das Problem anders lösen.

Von Silke Hasselmann | 04.02.2020
Richterin / Staatsanwältin / Anwältin in einer Robe mit dem Schönfelder Gesetzbuch - Deutsche Gesetze
Laut eines Anwaltsvereins in Mecklenburg-Vorpommern schafft nur ein Viertel der Jura-Studienanfänger das Erste Staatsexamen (picture-alliance / dpa / Ulrich Baumgarten )
Die Universität Rostock, die im vorigen Jahr ihren 600. Geburtstag feierte, verfügt über eine wunderschön restaurierte Aula. Aufgemalt auf den hohen Wänden sind die Porträts der ersten Rektoren; allesamt Juristen. Auch heute unterhält die Uni Rostock eine juristische Fakultät. Deren Dekan Marcus Rehberg erklärt, dass man hier "Good Governance" studieren könne - eine Mischung aus Wirtschaft, Politik, Philosophie und Recht. Doch das klassische Jurastudium bis zum Examen darf Rostock nicht mehr anbieten. 2008 sortierte das Landesbildungsministerium die Hochschullandschaft in Mecklenburg-Vorpommern neu und bestimmte, dass nicht mehr beide Universitäten des Landes Jura anbieten, sondern nur noch Greifswald:
"Die Idee war, dass, wenn man beispielsweise Jura in Rostock schließt, die Studenten nach Greifswald gehen und man Kosten gespart hat. Jetzt haben wir aber zehn Jahre Erfahrung sammeln können und das Faktum ist einfach, dass die Studierenden nicht nach Greifswald gehen in höheren Zahlen oder sich dort nur pro forma einschreiben, obwohl die Greifswalder Kollegen da eine tolle Leistung erbringen."
Juristenmangel: Rechtsstaat in Gefahr? Interview mit Edith Kindermann vom Deutschen Anwaltsverein
Künftiger Bedarf an Juristen ist nicht gedeckt
Der Aufwand wäre gering, der Bedarf groß, meint Rehberg, denn: Es steht eine Pensionierungswelle bevor. Christian Doose-Bruns, der in Rostock dem größten der insgesamt sieben Anwaltsvereine in Mecklenburg-Vorpommern vorsteht, nennt die Zahlen für das Bundesland. Allein 600 Rechtsanwälte gehen im Laufe der nächsten 12 Jahre in den Ruhestand und müssen ersetzt werden:
"Bei den Richtern und Staatsanwälten sieht es ähnlich aus mit 320 als Bedarf in den nächsten 12 Jahren. Und in der Wirtschaft und in den Verbänden werden auch immer Juristen gesucht, von der Landes- und Kommunalverwaltung ganz zu schweigen. Und wir haben festgestellt: Dieser Bedarf wird nicht annähernd gedeckt, allenfalls zu 50 Prozent mit den Absolventen, die wir zurzeit haben durch das Studium an der Universität Greifswald."
Zu wenige Absloventen in Greifswald
An der traditionsreichen Universität Greifswald schreiben sich jedes Jahr etwa 300 junge Frauen und Männer neu für ein Jurastudium ein. Viel zu wenig, meint Christian Doose-Bruns. Mit Rostock waren es stets um die 500 Jura-Studienanfänger, und so viele müsse man heute wieder anstreben, damit genügend durchkommen. In Greifswald, wo es auch wegen des fehlenden NC und kurzer Wartezeit viele Interessenten von weiter her gibt, die es womöglich nicht so ernst mit dem Jurastudium meinen, schaffe nur ein Viertel der Anfänger das Erste Staatsexamen:
"Und von denen wiederum nur ein kleiner Teil das Zweite Staatsexamen, sodass wir pro Jahr 50 bis 60 Absolventen haben - Volljuristen. Wir benötigen aber das Doppelte, um den jetzigen Stand zu erhalten."
Bildungsministerin: Greifswald besser machen
Niemand wolle den Greifswaldern ihre rechtswissenschaftliche Kompetenz absprechen, betonen sie an der Juristischen Fakultät in Rostock ebenso wie bei den Anwalts- und Richtervereinen. Doch die Erfahrung besage, dass Rostock als einzige Großstadt des Bundeslandes eine deutlich größere Anziehungskraft auf studierwillige Abiturienten und auf Absolventen ausübe als das deutlich kleinere und verkehrstechnisch weniger gut erreichbare Greifswald. Und es gäbe bereits ein Vorbild – Stichwort Lehrermangel: Seit Kurzem darf die Uni Greifswald wieder Grundschullehrkräfte ausbilden.
Bildungsministerin Bettina Martin (SPD) aber ist skeptisch. Zwar teile sie die Analyse, dass Mecklenburg-Vorpommern deutlich zu wenig juristischen Nachwuchs ausbilde, um die ausscheidenden Ruheständler ersetzen zu können. Aber:
"Wer sagt mir denn, wenn ich jetzt Rostock aufbaue und Greifswald nicht verbessere, dass nicht alle, die im Moment in Greifswald anfangen zu studieren, doch nach Rostock kommen und ich nicht mehr Studierende habe, sondern nur zwei teure Studiengänge, aber keinen Absolventen mehr?"
"Greifswald verbessern" und dort wegkommen von der 75-prozentigen Abbrecherquote - so lautet das Credo der Schweriner Bildungsministerin.