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Mecklenburg-Vorpommerns NPD positioniert sich

Mecklenburg-Vorpommern hat ein braunes Problem: die NPD. Seit 2006 sind die Neonazis mit sechs Abgeordneten im Landtag vertreten und vieles spricht dafür, dass diese Partei bei den Wahlen im September 2011 wieder ins Parlament einzieht. Vielleicht sogar stärker als bislang.

Von Peter Marx | 14.04.2011
    Auf dem Weg nach Lübtheen wechseln Wiesen mit alten Baumalleen. Hohe Arbeitslosigkeit gibt es in der Kleinstadt mit 5000 Einwohnern nicht. Rote Backsteingebäude und schmucke Vorgärten bestimmten das Stadtbild. An den Straßenrändern Schaukästen, die über ein funktionierendes Vereinsleben informieren. Nur ein paar Schritte weiter, vor einem hübsch renovierten Haus ein Plakatständer der NPD. "Heute", steht darauf, "Bürgersprechstunde." Das frühere Schmuckgeschäft ist eines der sechs Bürgerhäuser der Neonazis in Mecklenburg-Vorpommern.

    Drinnen: Holzbalken, grün gestrichene Wände, Eichendielen. Sechs Männer und eine Frau sitzen um einen Tisch, hören aufmerksam zu, wie der Mann an der Stirnseite die ersten Wahl-Umfragen bewertet:

    "Das ist ein ganz hervorragender Wert. Wenn sie berücksichtigen, dass die Blockparteien jetzt über vier Jahre gegen uns trommeln, dann sage ich, sind 4,5 oder 5 Prozent habe ich auch gelesen. Das ist eine wunderbare Basis für so eine kleine Partei wie wir, um da aufzubauen und wieder zu punkten."

    Einige Männer am Tisch nicken. Udo Pastörs, der NPD-Fraktionschef im Landtag, lehnt sich zurück. Die Kekse sind alle. Frau Pastörs reicht neue: braune Kekse und frischen Kaffee. Eine - von außen betrachtet - gemütliche Runde von NPD-Anhängern, Sympathisanten und Mitgliedern. Wie sind sie in den Dunstkreis der NPD geraten? Ein Mann, schlank, Anfang 50, rückt sich das Mikrofon zurecht:

    "Weil sich das rumgesprochen hat, dass die NPD einem weiterhilft, sag ich mal: mit Schwierigkeiten, Arbeitsamt, fast alle Themen."

    Sein Nachbar, Frührentner, fasst Mut und ergänzt:

    "Dann war ich wegen Hartz IV-Beratung hier, dann war ich noch wegen meiner Rente hier, haben sich ein bisschen dafür eingesetzt, und da habe ich gute Beratung bekommen, weil hier sonst keine Stellen waren, wo man sich hinwenden konnte dann hier in der Nähe."

    Dieser Beratungsservice, den keine andere Partei im Land anbietet, gehört zum neuen "Kümmerer-Image", das die Neonazi-Partei versucht aufzubauen. Parteinahe Rechtsanwälte oder geschulte Mitarbeiter übernehmen dabei die Hartz IV- und Rentenberatungen und den damit verbundenen Briefwechsel mit den Ämtern. Kostenlos. "Volkssolidarität" aus NPD-Hand, so versteht das Udo Pastörs:

    "Ich hoffe, dass wir uns darin unterscheiden, dass wir den Begriff Volkssolidarität nicht rein materiell sehen, dass wir uns nicht so verstehen, dass wir damit Geld verdienen wollen, sondern dass wir das begreifen als Möglichkeit, auch unsere politische Botschaft den Leuten näherzubringen. Das heißt also zu helfen und dadurch in Kontakt zu kommen mit häufig sehr unpolitischen Menschen, um sie durchaus auch politisch zu interessieren für unsere Sicht der Verhältnisse hier im Land."

    Womit Pastörs auch gleich die Ziele seiner Volkssolidarität nennt: Einfluss gewinnen in den Köpfen der Hilfsbedürftigen und wenn möglich aus ihnen stramme NPD-Mitglieder machen - der eigentliche Zweck dieser netten Gesten und nicht erfolglos. Doch der NPD-Fraktionschef will mehr als nur über die Fünf- Prozent-Hürde springen:

    "Nein, da bin ich etwas anspruchsvoller. Nur reinkommen, das ist ein bisschen zu wenig für die NPD. Wir sollten schon zunächst einmal die Linien sieben Prozent plus X ansetzen, das ist eine Prozentzahl, die wir zu verteidigen haben."

    Der Erfolg lässt sich mit Zahlen belegen. Über 57.000 Erststimmen und knapp 60.000 Zweitstimmen reichten der NPD vor fünf Jahren zu einem Wahlergebnis von 7,3 Prozent. Heute verfügt die Partei im Land über sechs Kreisverbände mit rund 400 Mitgliedern. Das Stammwählerpotenzial wird auf circa drei Prozent geschätzt. Der politische Einfluss auf kommunaler Ebene ist deutlich gestiegen. 2004 verfügte die NPD in den Kreis-, Gemeinde- und Stadtparlamenten über zehn Sitze. 2009 waren es bereits 62 Sitze. Tendenz steigend.

    Der erneute Sprung ins Schweriner Schloss ist für die NPD überlebenswichtig: aus finanziellen Gründen und aus propagandistischen. Hier können sich Udo Pastörs und seine fünf NPD-Fraktionsmitglieder in Szene setzen, höchstens gestört von der SPD-Landtagspräsidentin Silvia Bretschneider, die einen Privatkrieg gegen die NPD führt und nicht merkt, dass sie von Pastörs an der langen Leine geführt wird.

    "Der Unterschied ist der, dass ich propagandistisch eine recht hohe Qualität erreicht habe, indem ich die Aufgeregtheiten dieser netten Präsidentin nutze, um für relativ wenig Aufwand sehr viel Aufmerksamkeit zu erzielen. Und diese Dame hat offensichtlich nicht verstanden, dass der pawlowsche Reflex meiner Person gegenüber genau das Gegenteil bewirkt von dem, was sie erreichen will."

    Pastörs Bilanz über die fünf Jahre im Landesparlament hört sich entsprechend an:

    "Erschreckend das Niveau in der Ausgestaltung des politischen Wollens bei den Blockparteien. Immer nur weiter so. Ein
    Fast-Beamtenapparat als Parlament. Das kann nicht gestalten. Diese Leute wollen im Sein beharren, und wir wollen eine radikale Veränderung."

    Das Wahlkampfprogramm der NPD ist einfach gestrickt. Gegen Überfremdung wird gewettert und gegen Kinderschänder sowieso. Selbst grüne Politik findet sich wieder im NPD-Papier. So sind die Rechtsradikalen gegen den Bau von Kernkraftwerken - in Polen allerdings.

    "Aber wir haben ja ab dem ersten Mai die Freizügigkeit, also die osteuropäischen Staaten mit wenigen Ausnahmen hier zu löhnen ohne jegliche Beschränkung ihre Dienstleistungen und Arbeit anbieten können. Das wird ein großes Thema sein. Arbeitsmarkt-Politik, dann wird selbstverständlich die Sozialpolitik ein Kern sein, wo wir unsere Forderungen aufgestellt haben."

    Zwei Abgeordnete der heutigen Landtagsfraktion werden bei den September-Wahlen nicht mehr antreten. Sie werden, so Pastörs, gegen jüngere Mitglieder ausgetauscht. Über die Gründe schweigt er. Seine Position im Landesverband ist unbestritten. Er gilt als der starke Mann, auf den selbst die ultrarechten Kameradschaften teilweise hören. Lächelnd gibt er bekannt, dass er im Wahlkreis Schwerin I als Direktkandidat antreten will. Was schon eine Provokation an sich ist. Denn seine politischen Gegner sind: die grüne Spitzenkandidatin Silke Gajek und Sozialministerin Manuela Schwesig, der weibliche SPD-Polit-Star im Land.