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MecWorm schlägt zu

Technik. – Pflanzen haben raffinierte Verteidigungsmechanismen gegen tierische Schädlinge. Wie sie die Attacke erkennen, ist jedoch noch ungeklärt. Um das Geheimnis zu lüften, bauten Wissenschaftlers des Jenaer Max-Planck-Institutes für chemische Ökologie eine mechanische Raupe, MecWorm genannt.

24.03.2005
    Einer Raupe sieht "MecWorm" nicht gerade ähnlich. Ein Quader aus Stahl und Plastik, aus dem ein Bolzen ragt und regelmäßig nach unten fährt. "Wir haben zwei Schrittmotoren, die unseren Bolzen zweidimensional bewegen können", erklärt Axel Mithöfer, der geistige Vater der Kunstraupe. Mit jeder Abwärtsbewegung rutscht der Bolzen um etwa einen Zehntelmillimeter nach vorn und zerstört das dort liegende Blatt. Für die Testpflanze Limabohne ist der Effekt ähnlich dem einer fressenden Raupe – die Reaktion – Duftstoffe, mit denen die Pflanze Fressfeinde der Raupe anlockt - sollte also nicht auf sich warten lassen. Wichtig ist eine permanente Verletzung des Blattes, doch an dieser kontinuierlichen Schädigung sind bisherige Versuche immer gescheitert.

    MecWorm provoziert dagegen die gewünschte Antwort – und wirft damit eine Hypothese der Wissenschaftler über den Haufen: "Bisher hat man immer geglaubt, dass zwei Komponenten für die Bildung dieser Verteidigungsduftstoffe wichtig sind, die Verwundung und chemische Substanzen aus dem Speichel der Insekten", so Mithöfer. MecWorm zeigt, dass die Verwundung ausreicht, um eine pflanzliche Antwort zu provozieren. Schon nach ein, zwei Frass-Stunden schickt die Limabohne ihre duftende Notrufe los. Im Labor ohne Effekt, denn die Forscher fangen die Duftmoleküle in einem kleinen Plexiglasbehälter ein und pumpen sie zu einem Gaschromatographen, der sie analysiert. Das Potpourri – wenn sollte es überraschen – ähnelt dem, das in der Natur Schlupfwespen und andere Raupenquäler herbeiruft. Maritta Kunert: "Es ist ein Geruch wie der einer frischgeschnittenen Wiese und weiterhin Duftstoffe wie Terpene, die man wahrnehmen kann, wenn man eine Apfelsine schält." Wie allerdings die Pflanze einen dauerhaften Hagelschauer von einem Raupenbefall unterscheidet, wissen die Jenaer Wissenschaftler auch mit MecWorm nicht. Mit diesem Duftcocktail lockt die Limabohne die Feinde von Spinnmilben und Raupen an, die sie in freier Wildbahn befallen.

    Doch wie die Pflanze Hagelschauer von Raupenangriff unterscheidet, ist für Axel Mithöfer weiter ein Rätsel, ebenso wie die schwankende Duftstoffabgabe, die nachmittags am höchsten und nachts am niedrigsten ist. Kunert: "Möglicherweise hat die Limabohne eine innere Uhr, so dass die Duftstoffproduktion immer rhythmisch ist, mit einer maximalen Duftstoffproduktion am Tag und einer minimalen in der Nacht." Doch bis die Jenaer Wissenschaftler diese Frage beantworten können, wird MecWorm noch so manches Blatt zermalmt haben.

    [Quelle: Hartmut Schade]