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Mediale Steigbügelhalter

Das versuchte Comeback des Ex-Verteidigungsministers zu Guttenberg wirkt wie die Inszenierungen einer PR-Agentur. Und die Presse, darunter auch die Wochenzeitung "Die Zeit", ist dankbar darauf eingestiegen.

Bettina Schmieding | 26.11.2011
    Sagen Sie mal, beschäftigt Karl-Thedor zu Guttenberg eigentlich eine PR-Agentur mit seinem Comeback? In diesem Fall darf ich übrigens den englischen Begriff verwenden, schließlich kehrt der Ex-Verteidigungsminister gerade medial nach gefühlten zweieinhalb Wochen aus dem amerikanischen Exil zurück. Also, hat er nun eine PR-Agentur beauftragt? Wenn ja, dann hätte er das Geld echt besser ausgeben können. Schließlich gibt es genug Steigbügelhalter für den Baron in der deutschen Presse und die machen das total unentgeltlich. So lockt uns denn in dieser Woche Die Zeit am Kiosk mit einem streng blickenden Karl-Theodor an die Kasse. Wegen der Schlagzeile "Mein ungeheuerlicher Fehler", muss der geneigte Leser zunächst davon ausgehen, dass zu Guttenberg böse auf sich selber ist. Aber das hält nicht lange.

    "Es war kein Betrug", lässt Chefredakteur di Lorenzo den bald-nicht-mehr-Ex-Minister aus seinem Interview mit ihm zitieren. Zur Erinnerung: Mit "Es war kein Betrug" meint zu Guttenberg seine Doktorarbeit, in der die Staatsanwaltschaft Hof gerade 23 strafrechtlich relevante Urheberrechtsverstöße gefunden hat. Und für die er eben eine Geldauflage in Höhe von 20.000 Euro akzeptiert hat. In so einer Woche also kommt uns Die Zeit mit einem großen zu-Guttenberg-Interview zum großen zu-Guttenberg-Comeback und in der nächsten Woche dann mit einem großen zu-Guttenberg-Buch zum Interview. Journalismus gibt es in dieser Kampagne auch – ein bisschen. Da fragt di Lorenzo Herrn zu Guttenberg, warum er eigentlich nie von einem Plagiat spreche. Ein Plagiat gäbe es nicht, so die Replik, schließlich habe er ja nicht ein ganzes Buch abgeschrieben. Darüber scheint di Lorenzo so froh zu sein, dass er gar nicht erst nachfragt, was denn die Anwendung eines unbestimmten statt eines bestimmten Artikels mit der Tatsache zu tun habe, dass er abgeschrieben hat.

    Wer es trotzdem schafft, bis zur nächsten Seite umzublättern, der sieht Karl-Theodor beim Kaffee – oder vielleicht ist es auch Tee, schließlich spielt die Szene in einem Londoner Hotel – dunkelblauer Pullover, hellblaues Hemd, Hand selbstreflektierend an der Unterlippe platziert. An der Tasse gegenüber sitzt der Interviewer: dunkelblauer Pullover, hellblaues Hemd, die Hand – ein wohlwollender Betrachter würde sagen - investigativ an der Unterlippe platziert. Und jetzt sehe ich es ganz deutlich: Karl-Theodor hat doch einen PR-Berater.