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Medien-Start-up "Die Republik"
Qualität in Wort und Bild

Die Gründungsgeschichte der "Republik" war ein modernes Medienmärchen: Innerhalb kürzester Zeit fanden sich genügend Unterstützer, um das Schweizer Online-Projekt zu ermöglichen. Die Macher versprachen nicht weniger als "Journalismus ohne Bullshit". Und das ist ihnen gelungen.

Von Brigitte Baetz | 13.02.2018
    Manifest der neu gegründeten Online-Zeitung "Republik"
    Mit diesem Manifest warb "Die Republik" um Unterstützer für ihr Projekt - mit Erfolg. (Laurent Burst)
    Wunderschön Bilder und Layout, unglaublich lang die Texte. Sage keiner, dem Leser, der 240 Franken pro Jahr für die Republik bezahlen soll, werde für sein Geld nichts geboten. 15 ausgedruckte Seiten lang allein die Reportage vom Weltwirtschaftsforum in Davos, 18 Seiten der Hintergrundbericht zur italienischen 5-Sterne-Bewegung um Beppe Grillo. Es ist mehr Online-Zeitschrift als Online-Zeitung. Und dabei hatte Republik-Gründer Constantin Seibt doch auf dem European Newspaper Congress in Wien im letzten Jahr verkündet, dass der Charme des Online-Portals in der Beschränkung läge.
    "Die Leser leben ein vernünftiges Leben. Die haben einen Job, die haben eine Familie, die haben vielleicht auch ein Hobby und die haben nicht alle Zeit der Welt sich mit der Welt zu beschäftigen. In dem Moment braucht es ein Expeditionsteam in die Wirklichkeit, das ihnen sozusagen den Überblick liefert: die Fakten. Was ist Hype? Was zum Teufel ist wirklich los? Aber wir werden versuchen, möglichst nicht mehr als drei Artikel pro Tag zu liefern, aber die nur, wenn wir sie wirklich hervorragend und interessant finden und alles Halbe zu streichen."
    Wer sich einlässt, wird belohnt
    Und wirklich, hervorragend und interessant sind sie alle, die Texte der "Republik" – auch die gottlob kürzeren Kolumnen und Kommentare. Wer sich auf die Reportagen und Analysen einlässt, wird belohnt. Dabei sind die Themen gar nicht besonders originell: Über Doping bei Olympia, über die Datenkrake Facebook oder das Mysterium Angela Merkel wäre doch alles gesagt, könnte man meinen. Doch die Autoren belehren den Leser eines Besseren.
    Ein Screenshot des Schweizer Online-Magazins "Die Republik".
    Die Themen der "Republik" - noch nicht einmal besonders originell, aber mit Liebe und Leidenschaft umgesetzt. (Deutschlandfunk / Screenshot von "Die Republik" )
    Allein die fünfteilige Reportage aus dem "Rost-Gürtel" der USA, geschrieben aus der doppelten Sichtweise zweier gemeinsam reisender Journalistinnen, erklärte mehr über die Krise der letzten Supermacht als Vieles, was sonst in der deutschsprachigen Journalistik zum Thema erschienen ist – und schon da gab es einiges Lesenswertes. Die Autorinnen leisten sich den Luxus, differenziert auf die abgehängte weiße Unterschicht zu schauen und ihre eigenen unterschiedlichen Bewertungen zur Diskussion zu stellen. Das wird nicht zur Nabelschau, sondern regt den Leser dazu an, seine eigenen allzu schnellen Urteile zu hinterfragen.
    Liebe zur Sprache, zum Detail
    Der ganzen "Republik" merkt die Liebe zur Sprache, zum Detail, zum Nachdenken, ja zum journalistischen Handwerk an – auch im übersichtlichen Layout mit kräftigen Farben und zarten Zeichnungen und Cartoons. Eine Sorgfalt wird gepflegt, die in immer mehr Zeitungs- und Zeitschriftenredaktionen verloren geht, weil die Verlage sie nicht mehr bezahlen können oder wollen. David will Goliath schlagen, vielleicht nicht an Auflage, sprich: Klicks, aber an Qualität in Wort und Bild.
    Noch einmal Constantin Seibt. "Wir haben das Problem, dass wir mit einer etwa zehnmal kleineren Redaktion viel größere Redaktionen immer mal wieder deutlich schlagen müssen. Militärisch gesehen ist der Fall völlig klar. Wir müssen eine Guerilla-Truppe bilden. Das heißt der Vorteil der Guerilla-Truppe ist ja: Du kannst die Schlachtplätze und deinen Zeitpunkt wählen. Wenn wir jetzt eine große Geschichte sehen, dann setzen wir drauf. Dann schicken wir jemanden zwei Monate dorthin oder wir schicken vier Leute dorthin. Wir haben kein Pflichtprogramm. Wir müssen dann in dieser großen Geschichte etwas Brillantes liefern."
    Aber reicht das?
    Constantin Seibt ist über die Schweiz hinaus bekannt als stilbesessener Sprachromantiker – eine Art journalistischer Charles Bukowski. Im Gegensatz zu ihm wirkt der deutsche Sprachpapst Wolf Schneider wie ein leicht verklemmter Herrenreiter. Die Emphase im Ton, den hohen Anspruch an das Produkt Journalismus, nimmt man Seibt sofort ab.
    Doch wird diese Leidenschaft reichen, um auf Dauer die zahlenden Abonnenten, von den Republikredakteuren "die Verleger" genannt, bei der Stange zu halten? 15.700 waren es schon, bevor auch nur eine Zeile veröffentlicht worden war. Der immer schneller sich vollziehende Konzentrationsprozess in der Schweizer Medienlandschaft, der Rechtsruck der Neuen Zürcher Zeitung und die No-Billag-Initiative gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk haben einen Teil des Schweizer Bürgertums aufgeschreckt. Aus ihr rekrutieren sich die meisten Republik-Fans.
    Schnell hat die Redaktion auf die Kritik der Community reagiert, es gäbe zu wenige Beiträge über die Schweiz. Doch muss das Online-Portal noch deutlich an Abonnenten zulegen, um auf Dauer als rein leserfinanziertes Produkt zu bestehen. Wünschen würde man es ihm – und wäre es nur, um dem deutschsprachigen Journalismus den Spiegel der Qualität vorzuhalten.