Dienstag, 19. März 2024

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Medien und Rechtspopulismus
Wie soll man berichten?

Rechtspopulisten sind gegen Journalisten, brauchen sie aber auch, um Öffentlichkeit zu bekommen. Das bringt Medien in ein Dilemma: Lassen sie sich von Populisten für deren Agenda benutzen? Wie können sie es vermeiden? Eine Sendung über die Probleme, die das Berichten über Rechtspopulismus mit sich bringt.

Eine Sendung von und mit Brigitte Baetz und Stefan Fries | 03.10.2018
    Donald Trump, Präsident der USA beantwortet die Fragen der Journalisten vor dem Weißen Haus.
    Auch ein Rechtspopulist: Donald Trump (dpa-Bildfunk / AP / Evan Vucci)
    Populismus ist kein Phänomen, das es nur am rechten Rand des politischen Spektrums gibt. Populisten gibt es in allen Parteien. Vor zehn Jahren war es der damalige Chef der Linkspartei, Oskar Lafontaine, der mit populistischen Aussagen auffiel. Auch der hessische Ministerpräsident Roland Koch und sein nordrhein-westfälischer Kollege Jürgen Rüttgers äußerten sich gelegentlich populistisch.
    Politikwissenschaftler definieren Populismus deshalb auch als politische Taktik. Wer Populismus einsetzt, betont seine besondere Nähe zum Volk, denkt in Feindbildern, appelliert an ein Wir-Gefühl, an eine kollektive Identität und den gesunden Menschenverstand. Er hat für komplizierte Probleme einfache Lösungen parat und verstärkt Ängste.
    Populismus kann aber auch zum Politikinhalt werden. So versteht es der Politikberater Johannes Hillje. Als Autor des Buches "Propaganda 4.0. Wie rechte Populisten Politik machen" hat er sich vor allem mit der AfD beschäftigt. Im Deutschlandfunk betonte er den ideologischen Kern des Populismus: Er unterscheide zwischen dem "wahren Volk" und den "korrupten Eliten". Und der Populist erhebe den Anspruch, er allein könne den wahren Volkswillen vertreten.
    Nicht über jede Provokation berichten
    Die Medien rief Hillje dazu auf, nicht über jede Provokation der AfD zu berichten, sondern sich zu fragen, welche Äußerungen relevant genug seien. Wenn sie sich zum Beispiel gegen Minderheiten richteten, müssten sich Medien schützend vor sie stellen. Außerdem sei es wichtig, dass Journalisten Äußerungen einordneten und nicht nur einfach protokollieren. Sowohl Medien als auch Politiker sollten eigene Themen setzen anstatt sich den Themen der AfD anzuschließen. So gebe es durchaus ein großes Interesse an sozialen Themen wie Rente, Pflege und Wohnen. Die "Bild"-Zeitung sieht Hillje als Agendasetting-Gehilfe der AfD. Ihr gehe es allerdings gar nicht um die Partei, sondern um deren Wähler.
    Bei der "Bild" hat auch der frühere Bild-Redakteur und Bild-am-Sonntag-Chefredakteur Michael Spreng in den vergangenen Monaten einen deutlichen Rechtsruck beobachter. In der ZDF-Talkshow "Markus Lanz" sagte er vorige Woche:
    "Ich finde, die Bild-Zeitung ist heute wieder ein Kampagnen- und Kampfblatt. Und das hat Auswirkungen nicht nur auf ihre Leser - sie hat ja immer noch trotz aller Verluste ein paar Millionen Leser - sondern damit auch auf die Politik. Denn die Politiker sagen: Was die Bild-Zeitung schreibt, ist Volkes Meinung, wir müssen uns an Volkes Meinung orientieren, und damit verändert es auch die Politik. Und das macht mir wirklich große Sorgen, dass diese Veränderung unserer Gesellschaft und diese Verschiebung nach rechts, dass die auch dadurch gefördert wird."
    Wonach richten wir unsere Berichterstattung?
    Diese Bewegung hat auch die Medienjournalistin Annette Leiterer beobachtet, auch wenn für eine verlässliche Aussage größere Inhaltsanalysen fehlten. Sie leitet die Redaktion des Medienmagazins "Zapp" beim Norddeutschen Rundfunk. Besonders sichtbar sei das bei der Bild-Zeitung, die zum Beispiel Migranten als Täter vorverurteile, sagte Leiterer im Deutschlandfunk. Sie zitierte den Vorstandsvorsitzenden des Springer-Verlags, bei dem die "Bild" erscheint, Mathias Döpfner, der neulich gesagt hatte, dass viele Bürger solche Fälle im Kontext der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung sähen und deshalb noch stärker darüber berichtet werden müsse (Rede als PDF).
    Mathias Döpfner am Rednerpult
    Mathias Döpfner, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) und Vorstandsvorsitzender von Axel Springer SE. (Fabian Sommer / dpa)
    Leiterer hält es für falsch, wenn sich Redaktionen an einem vermuteten Publikumsinteresse orientieren, weil sie sich dann nur nach denen richteten, die besonders laut seien. Verschoben habe sich vor allem die Wortwahl von Journalisten, die heute von "Flüchtlingskrise", "Flüchtlingsstrom" und "Flüchtlingswelle" schreiben und sprechen, also negativ konnotierte Begriffe benutzen anstatt neutrale.
    Leiterer bezieht sich damit auf das Konzept des "Framings" aus der Sprachwissenschaft. Es besagt, dass wir Begriffe in der Sprache nie ohne Kontext erlernen, sondern immer auch mit Emotionen verknüpfen. Bei "ein schöner Sommertag" denken wir immer auch das Wort "Sonne" mit, weil beides eng miteinander verwoben ist.
    Journalisten müssen die Frames checken
    Journalisten müssten sich also bewusst sein, welche Auswirkungen ihr Wortgebrauch haben kann, findet die Kommunikationswissenschaftlerin Friederike Herrmann von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Sie fordert deshalb, dass Journalisten nicht nur die Fakten checken sollen, sondern auch die Frames, die sie benutzen:
    "Wenn wir, zum Beispiel, einen Begriff wie Flüchtlingskrise nehmen, dann ist das ein Begriff, der Wirklichkeiten setzt. Er suggeriert, dass Deutschland durch die Flüchtlinge in eine Krise geraten ist, was schlicht und einfach falsch ist. Unser Land ist nicht in einer Krise, es waren vielleicht ein paar Behörden überfordert. Aber durch das ständige Wiederholen des Wortes Flüchtlingskrise wird suggeriert, dass es ein ganz, ganz schwieriges Thema ist."
    Alternative Begriffe zum Thema "Flüchtlingskrise" könnten Herrmann zufolge etwa die Begriffe "Flüchtlingsthematik" oder "Flüchtlingspolitik" sein, je nach Fokus, über den gerade berichtet wird. Genauso vorsichtig müsse man auch mit einem eher positiv gemeinten Framing sein, wie ihn etwa der Begriff "Masterplan" von Bundesinnenminister Horst Seehofer transportiert. Das Wort suggeriert, mit dem Plan könnten alle Probleme in der Flüchtlingspolitik gelöst werden. Bewusst mit Sprache umzugehen und sich nicht auf die Wortsetzung von bestimmten Politikern einzulassen, kann man deswegen auch als journalistische Haltung bezeichnen.
    Seehofer hält ein Exemplar des "Masterplan Migration" in die Kamera.
    Auch der "Masterplan Migration" von Innenminister Seehofer unterliegt einem Framing. Hier bei der Vorstellung im Sommer. (AFP/AXEL SCHMIDT)
    "Man kann über Rassismus nicht neutral Bericht erstatten"
    Rechtspopulisten haben ein problematisches Verhältnis zu Medien, die sie zwar als Verstärker brauchen, die sie als kritische Begleiter und - aus ihrer Sicht - auch als "Vertreter der Eliten" ablehnen. Wie geht man als Journalist aber mit den Angriffen von Rechtspopulisten um, wenn man trotzdem objektiv über sie berichten soll?
    Eine Frage, die sich für den Spiegel-Korrespondenten Hasnaim Kazim in besonderer Weise stellt, weil er nicht nur Journalist ist, sondern auch nicht dem entspricht, was sich Rechtspopulisten unter "einem Deutschen" vorstellen. Er hält die Aussage, man solle immer neutral berichten, schon grundsätzlich für falsch. Im Deutschlandfunk sagte er: "Man kann über Rassismus, über Menschenfeindlichkeit, über Niederträchtiges nicht neutral und kühl Bericht erstatten und so tun, als wäre das eine normale Stimme im gesamten Meinungsspektrum im Diskurs."
    Die ganze Sendung mit allen Interviews können Sie durch einen Klick auf "Hören" im Titelfoto nachhören.