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Medienexperte: Beck muss sich der Medienrealität anpassen

Der Medienwissenschaftler Andreas Dörner hat die Medienschelte des SPD-Chefs Kurt Beck zurückgewiesen. Insbesondere die Berliner Medien seien nicht für einen angemessen abgewogenen Umgang mit Politikern bekannt. Wenn Beck in dieser Medienlandschaft bestehen wolle, müsse er sich in seiner Image-Politik und Selbstinszenierung der Medienrealität anpassen, erklärte Dörner.

Moderation: Dirk Müller |
    Dirk Müller: Kurt Beck hat sich beschwert. Viele in der SPD beschweren sich über die Medien, darüber wie Zeitungen, Radio und Fernsehen über den Parteichef berichten, wie sie ihn kritisieren. Gestern ist Kurt Beck offenbar der Kragen geplatzt. Die Berichterstattung ist unfair und herabsetzend; so sein Tenor. Das berichten jedenfalls die Korrespondenten, die ihn in Rheinland-Pfalz begleitet haben. Medienschelte durch den SPD-Chef. Darüber wollen wir nun mit dem Marburger Medienwissenschaftler Andreas Dörner sprechen. Guten Tag!

    Andreas Dörner: Guten Tag!

    Müller: Herr Dörner, könnte es sein, dass Kurt Beck Recht hat?

    Dörner: Mich hat das ganze zunächst mal erinnert an eine Szene, die wir alle im Jahr 2005 beobachten konnten. Gerhard Schröder war damals der Hauptakteur. Er, der ja ein ausgebuffter und anerkannter Medienprofi war, hat am Wahlabend in der so genannten "Elefantenrunde" ja bittere Klage geführt gegen die Medien und gegen die Kampagne, die man gegen ihn geführt habe und die letztendlich dazu geführt hätte, muss man jetzt im Konjunktiv II sagen, dass die Wahlen also nicht noch gewonnen, sondern nur unentschieden ausgegangen seien. Ich habe das Gefühl, diese Klage gegen die Medien kommt immer dann auf, wenn die Politiker merken, die Medien sind nicht ganz so steuerbar wie sie sich das erhofft haben. Bei Schröder war das ganz offensichtlich. Er ist ja mit dem Wahlspruch "Bild, Bams und Glotze brauchen wir, um ins Kanzleramt zu kommen" angetreten. Irgendwann gab es dann heftige Störungen in dieser Beziehung zwischen Schröder und den Medien und als es nicht mehr so klappte, hat er dann heftige Klage geführt. Ich denke bei Kurt Beck ist es teilweise jetzt genauso. Er merkt: Es läuft ihm aus dem Ruder und bevor man dann die Fehler bei sich selber sucht, sucht man sie natürlich bei den Medien.

    Müller: Ist man mit dem Mainzer Kurt Beck, mit dem rheinland-pfälzischen Regierungschef denn in Berlin, als er dorthin kam und plötzlich SPD-Chef war, plötzlich ganz vorne, ganz oben in der Partei stand, fair umgegangen?

    Dörner: Man muss sicherlich dazu wissen, dass die Geschwindigkeit und die Medienaufmerksamkeit und auch Aufgeregtheit in Berlin eine ganz andere ist als in Mainz oder in Rheinland-Pfalz. Ich habe noch so schöne Bilder im Kopf, wie Kurt Beck vor den schönen Pfälzer Weinhängen mit einem Glas Wein den Landesvater inszeniert, und das ist dort auch gut angekommen. Es gibt ja dort keinerlei Irritationen. Aber in Berlin ist natürlich viel mehr Hektik drin und das kann man natürlich den Medien auch durchaus vorwerfen, dass die Aufmerksamkeit immer auf das Sensationelle, auf das Glamouröse geht und auf die Fehler, die Politiker machen. Wenn dann irgendwelche subalternen Parteifunktionäre sich in einer Pizzeria treffen, dann wird da gleich eine Walden-Connection draus und wieder ein neuer Beweis für die Unfähigkeit des Vorsitzenden. Insofern ist das sicherlich keine faire Umgangsweise, aber es ist denke ich einfach mal die Funktionsweise der Medien heutzutage. Da haben die Politiker nur die Wahl, sich entweder darauf einzulassen oder lieber die Finger von diesem Spiel zu lassen.

    Müller: Sie haben diese Szene mit dem Weinglas angesprochen. Es hat vor einigen Wochen oder auch Monaten in einer großen überregionalen Zeitung ein Foto gegeben, das Kurt Beck vor seinem Reihenhaus zeigte mit einer Haustür, die dann offenbar als hässlich galt. Das hat man abgebildet. Ist das in Ordnung?

    Dörner: Noch einmal: Ich glaube sicherlich nicht, dass das primäre Funktionskriterium der Medien insbesondere in Berlin das der Fairness oder das eines angemessenen abgewogenen Umgangs mit den Politikern ist. Das ist es ganz bestimmt nicht und darüber kann man sich auch beschweren. Aber man kann es sozusagen nicht regulieren und man kann es auch nicht steuern. Das ist nun mal der Medienmarkt, so wie er funktioniert. Die Politiker haben nur die Chance, sich dem anzupassen. Ich glaube das Defizit besteht derzeit tatsächlich im Team Beck darin, dass man diesen Aspekt der Image-Politik, der Inszenierung, der angemessenen Inszenierung in dieser Medienlandschaft noch zu wenig Aufmerksamkeit widmet. Stoiber hat diesen Realitätsschock 2002 in dieser berühmten Stottersendung bei Sabine Christiansen gehabt. Erst danach hat er Medienprofis angeheuert, die ihm den Wahlkampf 2002 dann noch retten sollten. Ich glaube Beck erfährt das jetzt immer wieder schrittweise so, nachdem erst dieses Debakel um die Hessen-Wahl lief, wo ihm ja was rausgerutscht ist mit einer anderen Politik gegenüber der Linkspartei. Ich glaube er muss sich umstellen. Ich glaube das Team muss sich besser auf die Funktionsweise der Medien einstellen, anstatt jetzt Klage zu führen. Danach wird sich niemand richten.

    Müller: Herr Dörner, wir reden ja über Realismus. Kann man das so festhalten: Wenn Kurt Beck nicht in der Lage ist, mit den hiesigen aktuellen amtierenden Medienmechanismen umzugehen, dann ist er der falsche Mann?

    Dörner: Zugespitzt formuliert ja. Wenn er die Kurve nicht kriegt und sich ein bisschen besser einstellt in der Art und Weise, wie er sich präsentiert und auch wie er die Kommunikationspolitik seiner Partei mit steuert, dann wird er scheitern und dann ist er an diesem Platz, an dieser Stelle zu diesem Zeitpunkt der falsche Mann.

    Müller: Würden Sie ihn als Beobachter, der analytisch an die Sache herangeht, von außen betrachtet als Provinzler abtun?

    Dörner: Das wäre mir jetzt zu negativ ausgedrückt. Das hat dann gleich wieder so was Herablassendes, wenn man ihn als Provinzler darstellen würde. Er agiert ja ausgesprochen erfolgreich in seinem Bundesland.

    Müller: In seiner Provinz!

    Dörner: Das glaube ich muss man als gute politische Leistung durchaus ernst nehmen. Aber ich würde in der Tat sagen: Provinzler insoweit ja, als er und sein Team sich auf die harten Gegebenheiten der modernen Mediendemokratie noch nicht genügend eingestellt haben.

    Müller: Kurt Beck aus Sicht des Marburger Medienwissenschaftlers Andreas Dörner. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.