Donnerstag, 25. April 2024

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Medienexperte: Konzentrationserscheinungen Ja und Nein

Medienkonzentration ist nach Ansicht von Steffen Grimberg, der die Tagung der Evangelischen Akademie Tutzing über den Medienmarkt in Deutschland beobachtet hat, in bestimmten Bereichen ein Thema. Gerade bei den Lokalzeitungen und im privaten Fernsehmarkt gebe es eine relativ große Konzentration. Dem gegenüber stünde aber eine große Zeitungstitelvielfalt und die öffentlich-rechtlichen Sender, die ein Gegengewicht bildeten, betonte Grimberg.

Michael Köhler im Gespäch mit Steffen Grimberg | 21.03.2006
    Köhler: Was Meinungsfreiheit, eine freie Presse und Freiheit der Berichterstattung bedeuten , sieht man am besten , wenn sie wie in Weißrussland unterbunden werden. Die Vierte Gewalt der Medien ist ein wichtiges Kontrollinstrument der Demokratie. Es hat aber auch Kritik daran gegeben. Im Großen erinnern wir uns an Altkanzler Schröders ausfallende Kritik in der Elefantenrunde nach der Bundestagswahl. Im Kleinen könnte man die Bundesliga-Bestechungsaffäre nennen und die falsche Berichterstattung um den Nationalspieler Schweinsteiger. Nicht immer gereicht es zum Wohl, wenn dann auch noch Konzentrationserscheinungen des Medienmarktes hinzukommen, wird’s schwierig.

    Steffen Grimberg , Sie haben die Tagung der Evangelischen Akademie Tutzing über den Medienmarkt in Deutschland beobachtet. Müssen wir in der gut entfalteten bundesrepublikanischen Medienöffentlichkeit Konzentration fürchten?

    Grimberg: Ich würde sagen, Ja und Nein. Wir haben Konzentrationserscheinungen sicherlich zum Beispiel im lokalen Tageszeitungsgeschäft. Da gibt es die aber schon sehr, sehr lange. Sie haben mittlerweile 60 Prozent der Bundesbevölkerung, die in Städten oder Kreisen lebt, wo es eben gar keinen lokalen Wettbewerb mehr gibt, sondern nur noch eine lokale Tageszeitung. Entweder lesen Sie die, wenn Sie lokale Informationen haben wollen, oder Sie lesen sie nicht, dann kommen Sie nicht an lokale Informationen. Da gibt es also einen sehr hohen Konzentrationsgrad.

    Es gibt auch einen relativ hohen Konzentrationsgrad, unser Kartellamt spricht da von einem dualen Oligopol, im privaten Fernsehmarkt, denn die beiden großen Sendegruppen, einmal die RTL-Familie, die ja zum Medienkonzern Bertelsmann gehört, und dann die Sendergruppe ProSiebenSat1, die jüngst ja vom Axel Springer Verlag übernommen werden sollte, aber dann vom Kartellamt verhindert wurde dieser Zusammenschluss, die vereinigen auf sich eben, wenn man so will, fast den gesamten deutschen Privatfernsehmarkt. Also auch dort eine relativ große Konzentration. Auf der anderen Seite haben wir aber eben durch eine ganz üppige Zeitungstitelvielfalt und natürlich auch eine Vielfalt dadurch, dass es ja noch die öffentlich rechtlichen Sender gibt, insgesamt, glaube ich, nicht allzu viel zu befürchten.

    Köhler: Die Axel Springer AG - Sie haben es gerade erwähnt - wird nicht ins TV-Geschäft einsteigen. Das Bundeskartellamt und die so genannte KEK, die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich, haben ProSiebenSat1 die Übernahme untersagt. Wir haben und bekommen keine italienischen Verhältnisse, so viel kann man sagen. Aber gibt es so etwas wie, es ist ein kämpferisches Wort, ich sage es trotzdem, so etwas wie Meinungskartelle?

    Grimberg: Meinungskartelle gibt es sicherlich. Die haben aber auch nur mittelbar, ehrlich gesagt, mit dem Kartellamt und der KEK zu tun. Meinungskartelle haben Sie vielmehr da, wo vielleicht Herr Schirrmacher seine neuen Bücher nicht nur in seinem eigenen Haus, also bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, deren Herausgeber er ist, sondern eben auch in der Bild-Zeitung beim Springer Verlag und auch bei seinem Freund Stefan Aust im Spiegel in sehr üppiger Art und Weise besprechen, promoten, vorab drucken lässt. Also da gibt es sicherlich so etwas wie Meinungskartelle, aber das zeigt auch ein bisschen das Dilemma, das sich hier auch durch die ganze Tagung zog, die Medienpolitik und die Institutionen wie das Kartellamt und die KEK kommen da eigentlich nicht dran, weil es da doch sehr, sehr stark um Medieninhalte geht und weniger um die Struktur des Medienmarktes.

    Köhler: Morgen ist Bilanzpressekonferenz von Bertelsmann, Europas größtem Medienkonzern, der eine Umsatzrendite von 10 Prozent für 2005 nach eigenen Angaben eingefahren hat. Die stehen jetzt vor der Frage, ob sie an die Börse gehen, und wenn man Liz Mohn Glauben schenken darf, dann fürchtet die um die Unternehmenskultur, wenn das passiert. Ist sozusagen der Kapitalismus darauf verdonnert, dass wir irgendwann wirklich nur noch zwei Global Players haben, die dann auch die Meinungen bestimmen in Deutschland?

    Grimberg: Nein, überhaupt nicht. Ganz im Gegenteil: Wir erleben ja jetzt gerade hier im deutschen Medienmarkt, dass sich eine ganze Menge bewegt im Kabelfernsehgeschäft. Dadurch, dass nicht Premiere, sondern der bislang völlig unbekannte Kabelbetreiber Unity, also als Programmveranstalter unbekannte Kabelnetzbetreiber Unity, die Bundesligagerechte gesichert hat und mit einem eigenen Sender Arena TV jetzt unters Volk bringen wird, haben wir da plötzlich eine, wenn Sie so wollen, Steigerung von Vielfalt. Es gibt da einen neuen Sender mehr. Wir haben aber gleichzeitig auch technisch etwas ganz Neues, und das halten einige - das ist auch hier diskutiert worden - medienpolitisch auch wieder für sehr bedenklich, wir haben hier einen bislang technischen Verteiler von Fernsehsignalen, der plötzlich jetzt selber zum Sender wird. Das heißt also, hier bringt die neue Technik, also die Möglichkeiten der Digitalisierung bringen uns hier einen ganzen Schritt nach vorne, aber natürlich bringt das auch immer neue Risiken mit sich.

    Köhler: Sie haben as dem Beispiel von dem Sportkanal gerade beschrieben. Ist bei der Tagung in Tutzing irgendwie eine Gefahr benannt worden, oder sind Vielfalt und Macht noch ausgewogen? Wie war die Stimmungslage?

    Grimberg: Sowohl als auch. Also ich glaube, es ist hier bei uns, Sie haben gerade in der Einleitung Weißrussland erwähnt, das ist natürlich hier überhaupt nicht vergleichbar. Auf der anderen Seite ist natürlich immer eine Gefahr da, immer wenn etwas Neues kommt, was man zunächst auch noch gar nicht regulieren kann, weil man ja noch gar nicht ganz genau weiß, wie es aussehen wird, ist die Gefahr da, dass da Missbrauch vorliegt, und natürlich ist es schon interessant, in vielen anderen Medienmärkten, die sonst sehr viel liberaler agieren als Deutschland, beispielsweise den USA, ist so eine so genannte vertikale Verschränkung, dass also ein Kabelnetzbetreiber gleichzeitig auch Programmveranstalter wird, mit sehr, sehr hohen Auflagen verbunden. Diese Auflagen gibt es bei uns, weil es eben dieses Faktum noch nicht gab, hierzulande eben nicht.