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Medienzar Murdoch

Biographien von Medien-Mogulen haben zur Zeit offensichtlich Hochkonjunktur. Heute geht es um den umstrittenen australischen Medienzar Rupert Murdoch, dessen Biograph Michael Wolff sich wohl bewusst war, in welches Haifischbecken er sich mit seinem Buchprojekt wagen würde.

Von Gregor Peter |
    Biographien von Medien-Mogulen haben zur Zeit offensichtlich Hochkonjunktur. Heute geht es um den umstrittenen australischen Medienzar Rupert Murdoch, dessen Biograph Michael Wolff sich wohl bewusst war, in welches Haifischbecken er sich mit seinem Buchprojekt wagen würde. Das Resultat stellt Ihnen Gregor Peter Schmitz vor:

    Michael Wolffs Biographie über Rupert Murdoch - mit Fernsehsendern wie "Fox", Zeitungen wie dem "Wall Street Journal" und Internetportalen wie "MySpace" der führende globale Mediengigant - hat schon vor Erscheinen viel Wirbel verursacht. Der gewiefte Medienjournalist Wolff streute, dass der als erzkonservativ verschriene Murdoch das Erscheinen seines Buches verhindern wolle - weil es freimütig dessen Wandlung zu einem hippen Lebemann schildere, der seiner jungen neuen Ehefrau gefallen wolle und dem der reaktionäre Kurs seiner Sender und Zeitungen mittlerweile ziemlich peinlich sei. Wolff heizt die Kontroverse im Vorwort an, als er geheimnisvoll die Frage aufwirft, warum Murdoch überhaupt mit ihm gesprochen habe:

    "Er war so hilfreich bei den Recherchen zu diesem Buch, wie man sich das einen Firmenboss nur vorstellen kann. Er hat mir Zugang zu seinen Top-Mitarbeitern gewährt und zu all seinen Verwandten in New York, London, Melbourne und Sydney. Die eine Frage, die ich fast jedem von ihnen stellte, war: 'Warum denken Sie, tut er das?' Niemand hatte eine wirklich gute Antwort."

    Doch dem Leser drängt sich eher die Frage auf: Warum nicht? Wolff schildert zwar in der Tat ausführlich, wie der 77 Jahre alte Australier nach seiner jüngsten Vermählung das Leben weit mehr genießt als früher. Aber er liefert keineswegs eine simple Abrechnung mit Murdoch, den viele Medienexperten als Totengräber des Qualitätsjournalismus bezeichnen - sondern ein vielschichtiges, faszinierendes Porträt. Wohl deshalb auch hat Murdoch zwar in der Tat einen Brief an Wolffs Verleger Random House geschrieben, in dem er auf Ungenauigkeiten hinwies. Aber das Erscheinen des Buches hat er nie ernsthaft aufzuhalten versucht. Wolff nähert sich seinem Interviewpartner freilich keineswegs ehrerbietig - er beschreibt Murdoch durchaus mit spitzer Feder:

    "Seine Stimme bricht ab, bevor er den Satz beendet. Er murmelt oft leise. Sein australischer Akzent ist immer noch stark und er verwendet seltsame australische Ausdrücke. Manchmal scheint er fast zu träumen. Dann denkt er entweder über seine Wortwahl ganz genau nach - oder aber döst einfach."

    Wolff zeigt Murdoch als Menschen ohne Hobbies, ausschließlich geprägt von einer Obsession, lukrative Geschäfte zu machen, obwohl ihm an Geld wenig zu liegen scheint. Er beschreibt virtuos Murdochs Opportunismus und dessen Lust an der Provokation. Ein Mann mit Geschäftsgeist aber ohne feste politische Überzeugung:

    "Ihn prägt eine philosophische Grundhaltung: Immer dagegen sein. Der Vorteil, immer dagegen zu sein - vor allem wenn man klare Ansichten vertritt -, ist: Man ist nie einer von vielen. Und schließlich ist Murdoch ein Boulevard-Unternehmer. Er nutzt seine Zeitungen nicht nur, um für seine Ansichten zu werben. Er nutzt auch seine Ansichten, um Zeitungen zu verkaufen - indem er sich für Meinungen entscheidet, die nicht einfach konsistent oder populär sind. Sie müssen dramatisch und aufregend sein."

    Doch durch Wolffs 446 Seiten zieht sich auch Sympathie für den "Medien-Dino" Murdoch. Denn der begann seinen Aufstieg als Zeitungsverleger und bleibt diesem Medium auf fast rührende Weise verbunden. Den größten Teil des Buches nimmt eine ausführliche Beschreibung der Übernahme des "Wall Street Journal" ein - das Murdoch 2005 der Bancroft-Familie für die Wahnsinnssumme von fünf Milliarden Dollar abluchste. Die Grundsätze des Blattes hatte der Australier ein Leben lang bewundert, und Wolff zitiert sie so:

    "Auf unserer Meinungsseite tun wir gar nicht so, als ob wir unparteiisch sind. Unsere Kommentare und Interpretationen stützen sich auf eine klare Überzeugung. Etwa: Der Markt steht für alles, was man weiß, hofft, glaubt oder vorhersehen kann."

    Wie sehr ihm Murdochs Rieseninvestition in die sterbende Zeitungsbranche Respekt abnötigt, lässt Wolff deutlich erkennen. Allerdings versäumt er darüber andere drängende Fragen. Etwa: Welche Auswirkungen Murdochs geliebter Boulevard-Stil auf einige seiner Erwerbungen wie die altehrwürdige Londoner "Times" hatten. Oder die verheerende Wirkung des Erfolgs von Murdochs TV-Brüllsender "Fox News" auf die journalistischen Standards anderer amerikanischer Nachrichtenkanäle. Diese Debatten werden angesichts der aktuellen Medienkrise, die journalistische Qualität ohnehin schwerer macht, besonders heftig geführt. Und Murdoch-Kritiker werden nach Erscheinen von Wolffs Biographie bitter enttäuscht, dass der Autor sie als Medienjournalist nicht aufgegriffen hat. Dadurch wird aber Wolff auch dem Unternehmer Murdoch nicht wirklich gerecht.

    Bei aller Liebe zum gedruckten Medium wurde der nämlich zum globalen Medienzar vor allem durch Fernsehinnovationen oder den Kauf der Internetseite "MySpace" zum genau richtigen Zeitpunkt. Wolff handelt dies eher am Rande ab. Den ehemaligen Zeitungs- und Zeitschriftenreporter interessiert seine eigene Branche einfach ungleich mehr. Das trübt seine sonst beeindruckende Biographie-Leistung - vielleicht sind sich Porträtierter und Biograph einfach ein wenig zu ähnlich.

    Gregor Peter Schmitz über Michael Wolff: "The Man Who Owns The News. Inside The Secret World Of Rupert Murdoch." Die englische Ausgabe ist bei der Bantam Dell Publishing Group erschienen, umfasst 446 Seiten und ist in Deutschland zum Preis von etwa 19 Euro erhältlich.