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Mediterrane Monsterwellen

Im Mittelmeer wollen Forscher ein Tsuanmi-Warnsystem einsetzen. Die Herausforderung bestehe darin, Daten über nationale Grenzen heraus auszutauschen, zu bewerten und darauf aufbauend Warnungen herauszugeben, sagt Alexander Rudloff vom Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ) in Potsdam.

Alexander Rudloff im Gespräch mit Jochen Steiner |
    Jochen Steiner:Es war der 26. Dezember 2004 als vor Sumatra im Indischen Ozean die Erde bebte. Ein riesiger Tsunami rollte auf die Küsten zu, über 200.000 Menschen kamen ums Leben. Nach dieser Katastrophe richteten Wissenschaftler ein Tsunami-Warnsystem für den Indischen Ozean ein, das mittlerweile in Betrieb ist. Und auch für das Mittelmeer wollen Forscher ein solches Warnsystem einsetzen. Es ist noch nicht fertig, aber heute gab es einen ersten Test, der die Vernetzung der Informationsflüsse zum Ziel hatte. Denn Messsysteme sind bereits großteils vorhanden. Ich konnte vor der Sendung mit Alexander Rudloff sprechen. Er ist Mitarbeiter am Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ) in Potsdam und hat an dem Projekt mitgearbeitet. Ich habe ihn zunächst gefragt, was bei dem Test genau gemacht wurde.

    Alexander Rudloff: Bei dem Test, der heute Mittag stattfand, wurde eine Nachricht verschickt auf drei verschiedenen Informationskanälen an beteiligte Staaten die im Mittelmeer, in der Mittelmeerregion ansässig sind aber auch weitere Länder im Norden Europas. Und Ziel der Übung war, herauszufinden, ob die Information ankommt und in welchen zeitlichen Räumen sich das abspielt, also wie schnell man darauf reagiert.

    Steiner: Wie unterscheidet sich denn jetzt das Warnsystem im Mittelmeer von dem Bestehenden im Indischen Ozean?

    Rudloff: Das unterscheidet sich, wenn sie so wollen, doch erheblich. Denn wir haben im Mittelmeerraum eben kein operatives Warnsystem und auch keine regionalen Warnzentren.

    Steiner: Und operativ bedeutet noch mal in diesem Zusammenhang? Wenn Sie das noch mal erläutern möchten?

    Rudloff: Operativ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass zum Beispiel, nehmen wir jetzt eine Region wie das westliche Mittelmeer, wahlweise Frankreich oder Spanien, die teilen sich bestimmte Küstenregionen und beobachten diese dauerhaft, das heißt 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Und im Falle eines Erdbebens, welches einen Tsunami auslösen könnte, wird von diesem regionalen Warnzentrum für den westlichen Mittelmeerraum eine Warnung herausgegeben, die dann an alle angeschlossenen Nationen verbreitet wird. Sprich weiteres Europa, aber natürlich auch nicht zu vergessen das nördliche Afrika.

    Steiner: Das heißt, im Mittelmeer sind bereits Messpunkte installiert und nicht wie im Indischen Ozean, wo es solche Messpunkte noch gar nicht gab vor dem Beben von 2004.

    Rudloff: Das ist richtig. Wir haben im Mittelmeerraum einen gewissen Vorsprung, was die Instrumentierung anbetrifft. Wir haben sehr gute Erdbebenbeobachtungsstandorte verteilt über verschiedene Länder. Wir haben auch sogenannte Küstenpegelstationen, wo eben die Meeresspiegeländerungen, vor allen Dingen rapide Meeresspiegeländerungen, beobachtet werden können. Aber die Herausforderung im Mittelmeerraum besteht darin, diese Daten über nationale Grenzen heraus auszutauschen, zu sammeln und sozusagen von bewährten Experten anschauen zu lassen und darauf aufbauend Warnungen für bestimmte Küstensegmente herauszugeben.

    Steiner: Wie hoch ist denn eigentlich die Gefahr von Tsunamis im Mittelmeer und welche Länder und Städte sind denn da am gefährdetsten?

    Rudloff:Da kann man einen Ausflug in die Geschichte wagen. Wir nehmen immer gerne das Beispiel 1908: Ein Erdbeben in der Straße von Messina, also zwischen Kalabrien und Sizilien gelegen. Das hat seinerzeit in der Größenordnung zwischen 50.000 und 60.000 Todesopfer gekostet. Aber, man braucht auch gar nicht so weit zurückgehen. Die Nordküste Algeriens, dort fand 2003 ein Erdbeben statt, das war Ende Mai zur Nachtzeit, und dieses Erdbeben, ein mittelstarkes Beben, hat einen Tsunami ausgelöst, der etwa eine halbe Stunde später bereits die Küsten von Mallorca erreicht.

    Steiner: Wie hoch können denn solche Tsunamis werden im Mittelmeer?

    Rudloff: Ja das hängt eben ganz stark ab von der Küstenbeschaffenheit, von der Stärke eines Erdbebens, ich sag mal Verstärkungseffekten, durch Biegungen und besondere Küstenausführungen, das kann aber durchaus schon den Meterbereich überschreiten und sie können sich sehr schnell vorstellen, dass eine schnelle Meeresspiegeländerung von der Größenordnung eines Meters doch schon erhebliche Sach- und Personenschäden anrichten können.

    Steiner: Und wie viel Zeit bleibt dann den Menschen nach einer Warnung sich in Sicherheit zu bringen, weil im Vergleich zum Indischen Ozean ist das Mittelmeer ja eher klein, also eine Flutwelle ist ja schnell an der Küste angekommen, oder?

    Rudloff: Das hängt ganz davon ab, wo dieses Beben, welches dann eben den Tsunami auslöst, stattfindet. Aber sie haben Recht. Das Mittelmeer ist, wenn sie so wollen, überschaubar und es ähnelt ja eher einer Badewanne, sodass in der Größenordnung zwischen 20 Minuten und 45 Minuten, dieses sind die Warnzeiten, die in der Regel dann zur Verfügung stehen, was nicht wirklich viel ist und vergleichbar ist etwa mit den Zeiten, die wir zum Beispiel für die Küsten Indonesiens haben im Indischen Ozean.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.