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Medizin aus dem Wald

Hutpilze produzieren alle möglichen Gifte. Berühmt sind der Knollenblätterpilz oder der Fliegenpilz. Mit ihren Giften wehren sich die Pilze gegen das Gefressenwerden. Ihre Feinde sind dabei nicht nur Mensch und Tier, sondern auch Bakterien. Gifte gegen Bakterien, das sind aber Antibiotika, die Wissenschaftler auch in Pilzen zu finden hoffen.

03.11.2004
    Bei dieser Suche ist Norbert Arnold vom Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie in Halle fündig geworden. Er hat eine antibiotisch wirksame Substanz aus dem Schneckling gewonnen und sie zum Patent angemeldet. "Mir sind die Schnecklinge aufgefallen", erzählt Arnold, "weil sie in den Wäldern auch noch spät im Jahr ohne irgendwelchen parasitischen Pilzbefall vorkommen. Betrachtet man zum Beispiel die Röhrlinge, die gute Speisepilze sind, dann werden sie relative schnell von mykophilen Pilzen, meistens dem Goldschimmel, befallen und sind dann für den Menschen nicht mehr genießbar. Im Gegensatz dazu sind die Schnecklinge fast nie von parasitischen Pilzen oder Insektenlarven und so weiter befallen." Aus dieser Beobachtung wuchs der Verdacht, dahinter könne vielleicht eine chemische Ursache stecken.

    Bei der Suche nach dem Grund, warum sich ausgerechnet der Schneckling so hartnäckig gegen Parasiten oder Schnecken wehren konnte, konnten die Forscher schließlich eine Substanz aus dem Schneckling isolieren, die sich in Biotests durch eine extreme Wirkung ausgezeichnet habe, so Arnold: "Es hemmt sowohl parasitische Pilze im Wachstum und, was noch schöner ist, es zeigt eine sehr starke, um den Faktor zehn höhere biologische Aktivität gegen den Eitererreger. Der Eitererreger ist in Krankenhäusern gefürchtet und hat durch den jahrelangen Antibiotika-Gebrauch zahlreiche Resistenzen entwickelt. Unsere Substanz wirkt auch bei multiresistenten Stämmen von Staphylococcus aureus um den Faktor zehn besser als das zurzeit stärkste vorhandene Antibiotikum Vancomycin." Bis aber die neue Entdeckung zu einem fertigen Medikament gereift ist, werden sicher noch vier bis fünf Jahre oder mehr vergehen.

    [Quelle: Grit Kienzlen]