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Medizin
Der Trend zur Zweitkrankheit

Forscher in Dänemark haben die Krankengeschichte der dänischen Bevölkerung untersucht, indem sie ihre Patientendaten analysiert haben. So konnten sie nachverfolgen, welche Krankheiten Patienten in ihrem späteren Leben ereilten, wenn sie zuvor eine bestimmte Diagnose erhalten hatten.

Von Christine Westerhaus | 25.06.2014
    Ein Vitaldatenmonitor im Krankenhaus
    Ziel der Datenanalyse ist eine bessere Vorsorge. (picture alliance / dpa / Patrick Pleul)
    Dass es die Dänen mit dem Datenschutz nicht so genau nehmen, ist für Sören Brunak ein echter Glücksfall. Schon bei der Geburt bekommt jeder Einwohner eine Personennummer zugeteilt, mit deren Hilfe der Staat zum Beispiel nachverfolgen kann, ob ein Mensch heiratet, was er verdient und aus welchem Grund er in einem der dänischen Krankenhäuser aufgenommen worden ist. Letztere Daten hat Brunak, der an der Technischen Universität von Dänemark in Lyngby forscht, dazu genutzt, Krankheitsprofile der gesamten dänischen Bevölkerung anzulegen.
    "Wir haben eine Landkarte entwickelt, auf der wir gewissermaßen die Hauptverkehrsstraßen für bestimmte Krankheiten sehen können. Überrascht hat uns beispielsweise, dass viele Herz-Kreislauf Erkrankungen mit der Diagnose 'Gicht' verknüpft sind. Das wurde in der Literatur schon diskutiert, aber hier können wir diesen Zusammenhang tatsächlich konkret anhand von Patientendaten aus der gesamten Bevölkerung sehen."
    Die Gicht ist eine Stoffwechselerkrankung, die zu Knorpelveränderungen führt und die Nieren schädigt.
    Ein weiterer Zusammenhang, den die Forscher aufdeckten: Patienten, bei denen eine Arteriosklerose diagnostiziert wird, leiden im späteren Leben häufig an einer sogenannten chronisch obstruktiven Lungenerkrankung, zu denen auch der Raucherhusten gehört. Und diese Lungenleiden führen wiederum oftmals zu Herz-Kreislauferkrankungen.
    Übertragbarkeit noch unklar
    Unklar ist bisher jedoch, ob solche Zusammenhänge auf andere Länder übertragbar sind. Sören Brunak:
    "Das ist eine interessante Frage: Wenn man zum Beispiel die mediterrane Kost mit der nordischen vergleicht, gibt es viele Unterschiede. Es wird ja zum Beispiel immer betont, dass Olivenöl so gesund ist. Also ist es gut möglich, dass wir dort andere Zusammenhänge sehen. Wir sind deshalb sehr interessiert daran, diese Krankheitstrends in verschiedenen Ländern miteinander zu vergleichen."
    Brunak schwebt aber auch in seinem eigenen Land Größeres vor. Er möchte die Daten nutzen, die Supermärkte mithilfe ihrer Kundenkarten sammeln. Diese sind genauso wie die Patientendaten an die Personennummer gekoppelt. Sören Brunak könnte also theoretisch herausfinden, was die Menschen so alles einkaufen, und diese Daten mit ihrer Krankheitsgeschichte verknüpfen:
    "Es wäre sehr interessant, das herauszufinden. Aber bisher haben wir diese Daten nicht, das möchte ich betonen! Was wir aber konkret planen: Wir wollen die Familiengeschichte der Menschen in unsere Berechnungen mit einbeziehen, denn auch diese Informationen können wir über die Personennummer erhalten. So können wir vielleicht besser differenzieren, ob das Risiko für bestimmte Krankheiten eher genetisch bedingt ist, oder ob es damit zusammenhängt, wie viel sich jemand bewegt, was er einkauft oder welchen Beruf er hat."
    Ziel ist eine bessere Vorsorge
    Langfristig möchte Brunak seine Daten aber vor allem dazu nutzen, Vorsorge-Screenings und Behandlungspläne auf das Risiko der dänischen Bürger abzustimmen. Sein Ziel ist daher, auch das individuelle genetische Profil der Bevölkerung zu nutzen:
    "In Dänemark haben die Menschen ein tiefes Vertrauen in den Staat und sie finden, dass er sich um die Gesundheit seiner Bürger kümmern sollte. Deshalb stellen sie gerne ihre Daten für solche Untersuchungen zur Verfügung. Es gibt also keinen großen Widerstand gegen die Datennutzung."